Irgendwas ist immer

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POV Basti
Sudden und ich saßen gelangweilt im vorderen Teil des Tourbuses und versuchten fast krampfhaft, die Geräusche, die von hinteren Teil kamen, mit lauten Gesprächen unsererseits auszudröhnen, doch vergebens. Plötzlich hörte das Stöhnen auf und ich seufzte erleichtert auf, bis das Gezeter von den beiden losging.

„Oh verdammt, das tut mir leid."
„Mann, Lukas! Du hättest mich doch vorwarnen können!"
„Ja, sorry, passiert halt manchmal."
„Aber nicht auf mein Hemd."
„Kannst du doch wieder waschen."
„MANN! Wann soll ich das denn waschen? Wir sind auf Tour verdammt. Wie soll ich denn jetzt schnell ne Waschmaschine herkriegen?"
„Tim, so schlimm ist das wirklich nicht. Kannst du doch mit der Hand waschen. Ist ja noch ganz...äh, frisch." Lukas lachte und auch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
„Komm, du bist doch ein erwachsener Mann. Jetzt stell dich nicht so an! Andere beschweren sich da auch nicht", fuhr er fort. Stille. Sudden und Vortex sahen mich verwirrt an und ich grinste nur dreckig.

„Ist gerade das passiert, was ich denke oder eher was Harmloses?", fragte mich Sudden.
„Ich glaube, dass da jemand gerade den Jizzman imitiert hat", meldete sich Vortex und wir alle brachen in Gelächter aus.
„Jungs! Ihr seid eklig!", schrie ich dann in den hinteren Teil des Buses.
„Schnauze!", kam von Tim, der nun völlig entnervt aus dem Bett hervorkroch, nur in Boxershorts und sein T-Shirt zusammengeknüllt in der Hand haltend. Wir alle lachten hysterisch auf, als wir Tim sahen: gerötete Wangen, seine Haare standen überall ab und seine Brille musste unbedingt mal wieder geputzt werden. Vortex pfiff anstößig, wofür er sich einen sehr bösen Blick einfing.
„War der Alligatoah mal wieder nicht vorsichtig beim rumspritzen?", kam es nun von Sudden, woraufhin Lukas ebenfalls mit hochrotem Kopf aus der Koje kam. Er trug zumindest ein Hemd, welches er gerade zuknöpfte. Suddens Frage wurde jedoch nicht beantwortet. Tim warf sein Hemd mit saurer Miene in das Waschbecken und fing an, es hektisch auszuwaschen.
„Tim, hör auf. Das ist doch nicht so schlimm", beschwichtigte ihn Lukas, seine Hand auf Tims Rücken legend. Tim stieß ihn weg und versuchte, weiter zu putzen. Soweit ich hören konnte, wurde er nur von Tim angeknurrt, jedes Mal, wenn er versuchte, ihn zu beschwichtigen. Irgendwann seufzte Lukas laut auf und setzte sich zu uns. So, als wäre nichts gewesen, griff er nach einer Flasche Bier, öffnete diese und nahm einen großen Schluck. Tim hing sein Hemd auf und verschwand wortlos wieder in der Koje, den Vorhang aggressiv zuziehend.

Vortex stupste Lukas nach ein paar Minuten Schweigen an.
„Hat der Junkie seine Tage?"
„Nee." Wir sahen ihn erwartungsvoll an, bekamen jedoch keine weiteren Aussagen aus ihm raus.
„Passiert...das oft bei euch?", fragte Sudden nun vorsichtig.
„Was?"
„Dass jemand..." – Sudden konnten ein Prusten nicht unterdrücken – „...den anderen einsaut?" Wir alle außer Lukas (und natürlich Tim) brachen in schallendes Gelächter aus.
„Ihr seid so blöd."
„Ja, Mensch, wenn ihr so laut rumfickt, wenn wir uns das ganze Gestöhne von euch stundenlang anhören müssen, dann dürfen wir auch kommentieren", meinte ich, ein paar Päckchen mit diversen Pillen vor mir ausbreitend.
„Aber jetzt mal ehrlich – müsst ihr wirklich im Bus ficken? Irgendwie ist das ja...respektlos uns gegenüber", meinte Vortex.
„Wie jetzt?" Lukas strich sich über die Haare und sah alle verwirrt an.
„Naja, wir legen zwar auch die eine oder andere Punse auf Tour flach, aber im Bus? Das ist schon etwas...extrem. Man kann ja alles hören und...ihr beseitigt ja auch nicht immer das Beweismaterial." Wieder Gelächter.
„Das meinst du jetzt nicht ernst oder?"
„Mein lieber Luki, das mein ich sogar sehr ernst." Lukas sah leicht beleidigt aus dem Fenster raus und schwieg. Ich wusste, dass es besser wäre, wenn wir ihn jetzt mal in Ruhe lassen würden und setzte mich nach vorne, um den Fahrer zu nerven.

POV Lukas
Warum musste Tim so zickig reagieren? Manchmal verstand ich ihn wirklich nicht. Es war nicht so, als wäre das das erste Mal, dass das passiert war. Und dann mussten die anderen auch noch so blöd reagieren. Ich hätte wahrscheinlich auch so reagiert, wenn das denen passiert wäre. Mann. Ist ja nicht so, als wäre das Tim noch nie passiert. Wir waren nun schon seit drei Jahren zusammen – so zickig hatte ich Tim noch nie erlebt. Ich sah unauffällig zu Igor und Sudden, die mich höflich ignorierten. Normalerweise endeten doch solche Neckereien nicht im Schweigen, oder? Wir waren doch Männer, wir waren Trailerpark – da reagiert man doch nicht so überempfindlich! Ich scrollte durch mein Handy und ging durch Tim und meine Fotos. Vor Kurzem hatten wir unser dreijähriges – wir hatten bei ihm gefeiert, nur wir beide, mit viel Alkohol und Sex. An dem Tag hatte ich ein wunderschönes Foto von uns beiden gemacht – auch wenn es vielleicht von manchen als geschmacklos abgestempelt würde, gefiel es mir: auf dem Foto waren Tim und ich, wie wir uns küssten und während des Kusses lächelten. Es war echt wunderschön. Man konnte sehen, wie glücklich wir waren – und das waren wir ja theoretisch immer noch.

Ich schaltete mein Handy aus und stand auf, die fragenden Blicke von Sudden und Igor ignorierend. Dann ging ich nach hinten zu Tim. Er hatte sich auf dem Bett eingerollt, mit dem Gesicht zur Wand.
„Schatz, was ist denn los?", fragte ich ihn leise. Als Antwort kam nur ein Grummeln.
„Timi, bitte."
„Gar nichts ist los."
„Doch."
„Nein."
„Warum hast du dann so reagiert?"
„Weil es mir nicht gut geht."
„Wieso denn nicht?" Er drehte sich genervt zu mir um.
„Weil ich es brauch."
„Du kriegst es aber nicht."
„Lukas, ich brauch ihn."
„Du gehst daran kaputt."
„Tu ich nicht."
„Tust du schon." Tim drehte sich wieder weg und ich legte mich seufzend zu ihm.

„Ich will nicht, dass du dir wehtust."
„Mir geht's aber besser...wenn ich ihn hab."
„Das stimmt nicht."
„Lukas, bitte." Wir lagen uns gegenüber und ich strich Tim eine Strähne aus dem Gesicht. Ich wollte nicht, dass er sich so wehtat. Und er wusste das. Immer schon, aber am meisten seitdem wir in einer Beziehung waren, machte ich mir Sorgen wegen seines Drogenkonsums. Ich wollte das nicht. Ich wollte nicht, dass mein Freund ein Junkie war. Ich wollte nicht, dass er sich so verletzte, seinen Körper so geringschätzt. Deshalb hatte ich ihm jegliche Päckchen und Tütchen mit Pillen und Pulver weggenommen. Das meiste davon hatte ich runtergespült. Ein paar hatte ich behalten, falls es richtig schlimm werden solle und Tim wirklich seinen Stoff brauchte. So wie jetzt.
„Willst du nicht was Anderes ausprobieren?" Ich strich ihm liebevoll über die Wange, über den Arm und über seinen Oberkörper.
„Schon wieder?"
„Aber diesmal richtig."
„Aber...die anderen..."
„Ist mir egal. Ich will mit dir Liebe machen, nicht dich ficken." Mit den Worten drückte ich ihn leicht auf seinen Rücken und legte mich umständlich auf ihn. Das letzte, was ich noch von den anderen mitbekam, war wie sie die Musik lauter drehten.


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