Alle wollen fressen aber keiner will spülen

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Ich hab das Kapitel hier geschrieben, weil ich in den Wochen vor Weihnachten dermaßen gestresst war – in der Arbeit, im Studium und mit Freunden und Familie - und alle ständig etwas von mir wollten, dass ich es irgendwie rauslassen musste. Ich bin mir sicher, dass es jedem mal so geht und man einfach weg will.

POV Lukas

Ich arbeite seit 4 Monaten an Musik ist keine Lösung. Heute hab ich meinen Stresshöchstpunkt erreicht und reiße nur noch an meinen Haaren. Ich sitze vor diesem verfickten Laptop und...nichts. Es kommt einfach nichts. Seit drei Tagen sitze ich an der gleichen Zeile und komme nicht weiter. Es ist richtig scheisse. Normalerweise komme ich mit Stress gut aus – ich bin ein typischer Workaholic, schaffe es meistens die Arbeit, die mir bevorsteht, die ich mir selber gemacht habe, fast problemlos zu vollziehen. Doch seit drei Tagen geht nichts mehr. Burnout? Unwahrscheinlich. Andere würden vielleicht sagen: „Du arbeitest doch eh nur von zuhause oder vom Studio aus, das ist ja keine richtige Arbeit, die meisten Menschen arbeiten viel mehr als du", und das mag ja stimmen aber jetzt habe ich mein persönliches Limit erreicht. Ich starre die senkrechte Linie an, die immer wieder auftaucht und verschwindet. Ich tippe. Ich lösche. Ich fahre mir über die Augen, über den Schnurrbart, durch die Haare. Ich nehme einen Schluck meines Kaffees und verbrenne mich. Mein Handy meldet sich. Meine Mutter.

Mama: Schatz, denk bitte daran, dass deine Tante bald zu Besuch kommt, weil sie doch Geburtstag hat. Sie würde dich gerne sehen! Schaffst du es, in den nächsten Tagen nachhause zu kommen?

Ich krieg die Krise. Was soll ich denn mit der? Wieso soll ich alles in Berlin liegen und stehen lassen, um meine Tante zu sehen? Ich hab zu tun. Ich schreibe zurück und sage, ich freue mich. Ich denke daran, dass ich sobald ich die Texte fertig hatte, das Album aufnehmen müsse, dann ein Konzept für ein Musikvideo kreieren und schließlich Konzerte spielen müsse. Same procedure as every year (oder so). Ich steh auf und meine Tasse Kaffee fliegt zu Boden und zerbricht in Tausend Teile.

„SCHEISSE!" Ich bin kurz vorm heulen, dann klingelt es noch an der Tür. Ich gehe an die Tür und fauche in die Sprechanlage.

„Wer stört?"

„Oha, bist du schlecht drauf. Du Lukas, kann ich hochkommen? Ich brauch deine Hilfe." Sudden. Eigentlich will ich jetzt niemanden sehen, doch ich drücke den Knopf und lasse ihn rein. Er geht direkt an mir vorbei und an den Kühlschrank. Bedient sich, nimmt sich mein letztes Bier raus, öffnet es, lässt den Deckel auf den Boden fallen, nimmt einen großen Schluck. Ich mustere ihn.

„Alter, kann ich bei dir pennen? Meine Freundin dreht grad voll durch." Nein, verpiss dich.

„Klar, kein Problem." Ich knirsche die Zähne. Kein Danke.

2 Tage später

Ich komme nachhause, habe gerade eingekauft. Ich kaufe immer ein. Meine Freundin lebt zwar nicht bei mir, aber wohnt bei mir. Sie hat sich einquartiert, isst mein Essen, benutzt mein Internet, geht dann nach ein paar Tagen wieder.

„Du, Lukas?", fragt sie mich. Ich drehe mich genervt zu ihr.

„Kannst du mir etwas Geld leihen? Ich muss dringenst nach Leipzig zu meinen Eltern fliegen." Ich nicke erschöpft, sie lächelt mich an. Am Tag nach ihrer Abreise suche ich nach meinen Kopfhörern. Kann sie nirgends finden. Ich schreibe meiner Freundin, frage sie, ob sie die Kopfhörer gesehen hat. Sie sagt, ja, die hat sie mit nach Leipzig genommen. Kein Danke.

1 Woche später

Immernoch keine Antwort von dem Rapper, mit dem ich ein Feature machen wollte. Er hatte zugesagt, wollte sich mit mir treffen, meldet sich jetzt nicht mehr. Ich fahre mir wieder durch die Haare, balle die Fäuste, versuche meinen Manger zu erreichen. Mailbox. Zehnmal rufe ich an. Nichts. Auch Basti meldet sich nicht. Dann klingelt es wieder an der Tür.

„Was?"

„Lukas, du warst auch mal freundlicher!" Tim. Ich lass ihn rein, er kommt hoch, hat zwei Taschen bei sich. Ich schau ihn verdutzt an.

„Danke, dass ich hier schlafen kann. Echt Mann, hab mein ganzes Geld für Gras ausgegeben." Er zwinkert mir zu und schlägt mir auf die Schulter. Wie, hier schlafen? Wann hab ich ihm das angeboten?

„Ähh... hatten wir das ausgemacht?", frage ich ihn.

„Ja klar! Lukiboy, hast du's schon wieder vergessen?" Er lacht. Ich kann mich an nichts mehr erinnern. Ich scrolle durch meine Whatsappnachrichten mit Tim. Finde nur Ansätze davon, dass er hier schlafen kann. Kein Danke.

Timmääh: Ich komm um 17 Uhr an.

Ich: alles klar.

Das war vor drei Wochen. Danach kam nichts mehr, was seine Ankunft betrifft. Ich gehe an meinen Küchenschrank, hole mir meine Flasche Rum und setze an.

„Was ist denn mit dir los?" Tim starrt mich entgeistert an. Ich sage nichts, trinke nur, bis ich umfalle. Ich kann nicht mehr.



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