POV Max
Das ganze Essen über dachte ich, wie froh ich sein konnte, eine Freundin wie Sophia zu haben. Sie war immerschon so offen gewesen, immer nett und süß, auch wenn ihr Papa total verrückt war. Ich war mir nicht sicher, ob sie mich nur als Freund mochte oder mehr. Leider war ich einfach nicht interessiert. Mädchen gefielen mir auch, aber Jungs eben mehr. Vielleicht sollte ich echt mal mit Lukas reden. Der war ja immer so ruhig, so gechillt.„Papa?", fragte ich meinen Vater.
„Ja?"
„Wann kommt Lukas vorbei?" Mein Vater schaute mich erstaunt an.
„Keine Ahnung, nicht in den nächsten Wochen, so weit ich weiß. Wieso denn?"
„Wollte nur...wollte nur was mit ihm besprechen." Ich schaute schnell auf meinen Teller und spürte, wie meine Wangen heiß wurden. Dass ich mit meinem eigenen Vater über sowas nicht sprechen konnte, war echt scheisse. Ob er was dagegen hätte, wusste ich nicht. Außerdem wollte ich nicht, dass Sophia dabei sein würde, wenn ich mich outete. Mein Vater sah mich den Rest des Abends immer wieder misstrauisch an, sagte jedoch glücklicherweise nichts.Drei Wochen später
„Max? Lukas kommt gleich vorbei. Du wolltest doch mit ihm reden, oder?" Meine Mutter stand in meiner Tür, einen Teller mit einem Wurstbrot in der Hand. Lukas kommt vorbei? Ich hatte mich doch gar nicht vorbereitet! Ich schluckte und nickte errötend. Sie sah mich verwirrt an, runzelte die Stirn und legte mir den Teller auf den Tisch. Ich murmelte ein dankeschön, woraufhin sie mir einen seltsamen Blick zuwarf und dann ging.
„Ok...einfach nur mit ihm reden. Er kennt sich aus. Er kann dir helfen", murmelte ich zu mir selber. In dem Moment klingelte es an der Tür und ich hörte, wie mein Vater seinen besten Freund begrüßte. Ich atmete tief ein und aus und ging auch nach unten. Jeden Schritt, mit dem ich meinen Eltern und Lukas näherkam, wurde schwerer. Was, wenn er seltsam reagieren würde? Nicht mit einem Teenager wie mir reden wollte? Wenn er mich auslachen würde? Mehr Gedanken konnte ich mir nicht mehr machen, da ich schon auf der letzten Stufe stand und vor mir Lukas.„Hey Max, na? Wie geht's dir?" Lukas schlug mir sanft auf die Schulter und ich lächelte ihn scheu an.
„Ja...gut...ähhh...hast du kurz Zeit?" Lukas sowie meine Eltern schauten mich erstaunt an, bevor er ihnen zunickte und sich mit mir distanzierte.
„Was ist denn? Du kannst mit mir über alles reden, das weißt du. Vor allem wenn dein Papa grad zu bekifft ist." Er zwinkerte mir zu und wir setzen uns auf den Balkon. Ich knackte meine Fingerknöchel, bis Lukas seine Hand auf meine legte.
„Lass das. Ist nicht gut für dich." Seine ruhige Stimme gefiel mir sehr.„Ich...wollte mit dir reden, weil ich...ich glaub nämlich, dass ich...auf Jungs steh. Also auch auf Mädchen! Aber halt eben beide...", sprudelte es plötzlich aus mir raus. Lukas starrte mich an bevor sich seine Mundwinkel zu einem zärtlichen Lächeln zogen.
„Ich fühl mich ziemlich geehrt, dass du mir das sagst." Ich wurde rot und starrte auf den Boden, wartete darauf, dass er weiterreden würde.
„Das allererste, was du verstehen musst, ist das da nichts Falsches daran ist. Du bist nicht seltsam oder anders oder verwirrt. Es ist halt einfach so. Und, Max, wenn Leute das nicht verstehen, dann ist das ihr Problem, ihre eigene Intoleranz." Er zwinkerte mir zu.
„Aber wie...ich muss das ja noch Papa sagen und ich weiß nicht..."
„Ich bin mir sicher, dass er nichts dagegen haben wird. Ich kenn Tim schon seit zwanzig
Jahren. Wenn er etwas gegen Homosexualität hätte, dann hätte er erstens was gesagt und wäre zweitens nicht mit mir befreundet."
„Hmmm....", meinte ich nur. Dann schwiegen wir kurz.
„Sag mal, gibt es denn schon einen Glücklichen oder eine Glückliche?"
„Wie jetzt?"
„Bist du in einer Beziehung?", fragte Lukas sanft.
„Nein, aber da gibt es jemanden..." Er schaute mich interessiert an und deutete mir an, dass ich weiterreden solle.
„Er heißt Julian. Ist in meiner Klasse. Er ist irgendwie so nett und gutaussehend und..." Ich merkte, wie schnell ich anfing, zu schwärmen, wie ich lächelte, wenn ich an Julian dachte, also räusperte ich mich schnell und verstummte.
„Mag er dich auch?" Ich zuckte die Schultern und wurde sofort traurig. Schön wärs.
„Ich weiß ja noch nicht mal, ob er auch..."
„Das kann man ja herausfinden. Wenn nicht, dann ist es schade, aber es gibt noch so viele Leute da draußen. Außerdem hast du ja doppelt so viel Auswahl wie andere." Er zwinkerte mir wieder zu und ich lächelte schüchtern. Lukas war immer so offen, es war so einfach mit ihm über solche Sachen zu reden.„Ich...stand mal auf jemanden, der mir sehr nahestand. Und obwohl ich wusste, dass er nie an mir interessiert sein würde, dass das gar nicht ging, verliebte ich mich immer mehr in ihn. Als wir uns dann aus Spaß auf der Bühne küssten, machte alles viel schwieriger und dann..." Er schweifte ab. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er über meinen Vater redete. Ich bekam ein komisches Gefühl und rutschte leicht nervös auf meinem Stuhl rum. Lukas räusperte sich und wendete sich dann lächelnd wieder an mich.
„Also, ich finde, dass du es deinen Eltern sagen sollst, hab keine Angst – ich bezweifle, dass es da irgendwelche Probleme geben wird. Es würde eher Probleme geben, wenn du es ihnen verheimlichen würdest." Er zwinkerte mir nochmal zu und tätschelte mir die Hand, bevor er nach drinnen ging und sich zu meinen Eltern gesellte. Der Typ war echt cool. So ruhig, entspannt, weise. Aber was er da vorhin meinte, von wegen, er stand auf jemanden, der ihn nicht zurückliebte? War das was zwischen Lukas und meinem Vater gewesen?Ein paar Tage später
POV Tim
Meine Frau Nicole und ich saßen auf der Couch, als Max ins Wohnzimmer kam und sich räusperte. Ich schaute von meinem Tablet auf, auf dem ich gerade einen neuen Text schrieb und sah ihn fragend an.
„Mama, Papa, ich muss mit euch reden", fing er ernst an. Wir sahen uns verwirrt an.
„Ja, ok...um was geht's denn?" Ich legte das Tablet beiseit und beugte mich vor. Mein Sohn zog sich den Pulli über die Hände und fing an, im Zimmer auf und ab zu laufen.
„Hör auf damit, das macht mich ganz nervös! Setz dich hin, Max", meinte ich genervt. Er hockte sich auf den Boden und atmete tief ein.
„Also. Ich hab' da lange drüber nachgedacht und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich...Bi bin." Man hätte eine Stecknadel fallen hören. Das hatte ich nicht erwartet. Nicole und ich waren erstmal sprachlos, bis sie endlich das Wort ergriff.
„Das...ist ja kein Problem. Also für mich nicht. Ich bin froh, dass du uns das gesagt hast!" Nicole stand auf und küsste unseren Sohn, den das Ganze sichtlich überwältigte. Sie sah mich erwartungsvoll an und ich räusperte mich.
„Ja, also...für mich ist das auch kein Problem. Überhaupt nicht, Max." Ich lächelte ihn an und umarmte ihn auch. Währendessen dachte ich an Lukas. Wie er mir damals, vor fünfzehn Jahren seine Liebe gestanden hatte, wie wir die Nacht miteinander verbracht hatten und ich das Ganze, nachdem ich von Nicoles Schwangerschaft erfuhr, abbrach und ihm somit das Herz brach. Diese eine Nacht würde ich nie vergessen. Wir hatten auch nie wieder darüber geredet, obwohl ich wusste, dass es ihm schlaflose Nächte verursachte. Und nicht nur ihm.
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OneShots
Short StoryKurzgeschichten. Manche Geschichten werden als TwoShot hochgeladen - woauchimmer es gerade passt. Ich bin auch für jegliche Vorschläge bereit - also immer unter den Parts in den Kommentaren was da lassen.