Und der ganze Tag regelt sich von selbst

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POV Lukas

Ich war den ganzen Tag unterwegs, musste Meetings arrangieren, Organisatorisches fertig bringen und Verträge unterschreiben, also war ich ziemlich fertig als ich nachhause kam. Ich erwartete, dass Tim auf der Couch sitzen würde, kiffend, doch als ich die Haustür auschloss, fand ich das Wohnzimmer leer vor.

„Tim? Ich bin zuhause. Tut mir leid, hat etwas länger gedauert." Ich lauschte, doch bekam keine Antwort.

„Liebling?" Nichts. Heisenberg und Gustavo waren zwar da, die nur ein Auge öffneten, als sie mich sahen und dann gechillt weiterschliefen. Tim musste doch zuhause sein – sein Auto stand in der Einfahrt und soweit ich wusste, hatte er heute eh nichts zu tun gehabt. Ich ließ meinen Blick über das Wohnzimmer schweifen – die Bong stand auf dem Kamin, ein paar Bierflaschen lagen rum, noch von gestern Abend war, der Aschenbecher war voll, ein Teller mit einem halbgegessenem Brot lag auf dem Tisch.

„Eklig", murmelte ich zu mir selbst. Ich ging am Sofa vorbei und ließ meine Hand über Tim's Pulli gleiten, der auf der Sofalehne lag.

„Wo bist du?" Ich ging ins Schlafzimmer, suchte im Bad, in der Küche, im Studio. Ich konnte ihn nirgends finden. Dann ging ich zu den zwei Tieren und hielt Heisenberg Tim's Pulli hin.

„Hund, sei mal nützlich. Wo ist dein Herrchen, hmm? Komm such, Heisenberg, such!" Der Hund sprang auf und lief zur Gartentür, wo er auf mich wartete, dass ich sie öffnete. Er schaute zu mir hoch, als ich die Tür öffnete und ich ging auf die Terrasse.

„Ja, fein machst du das! Na komm!" Dann rannte er nach draußen, immer schneller, durch das Feld.

„Warte!" Ich wusste, dass es eigentlich nichts brachte, mit dem Hund zu reden, und doch hoffte ich, dass er mir helfen würde, Tim zu finden. Heisenberg rannte auf den Wald zu und ich ahnte Schlimmstes. Es gab eigentlich nur zwei Optionen: entweder, Tim war auf einem Drogentrip und wollte mehr naturverbunden sein; oder es war ihm etwas passiert. Als ich auf den Wald zulief, kam mir noch eine dritte Option: vielleicht hatte er sich entschieden, Pilze zu sammeln, warum auch immer. Ich lief durch die Bäume, Heisenberg immer im Auge behaltend. Der Wald kam mir auf einmal sehr dunkel vor und ich begann mir Sorgen zu machen. Ich versuchte mir selber zu sagen, er sei ein erwachsener Mann, könnte auf sich selbst aufpassen und doch hatte ich ständig ein Bild vor Augen, wie er irgendwo lag, sich wehgetan hatte, jemanden wehgetan hatte, dass jemand ihm wehgetan hatte. Die Gedanken wurden immer schlimmer, bis ich Tim auf einmal auf einem Baumstamm sitzen sah, er trug nur einen Bademantel und Boxershorts, wie im New Kids on the Blech-Video, und war ähnlich drauf.

„Tim." Er reagierte nicht. Heisenberg sprang an ihm hoch, doch auch er konnte keine Reaktion erreichen.

„Tim!" Ich ging auf ihn zu, bis ich direkt vor ihm stand. Dann hob er endlich den Kopf. Er hatte geweitete Pupillen, war anscheinend wieder auf LSD. Er starrte mich nur an.

„Ach, Schatz, was machst du denn?" Ich hockte mich vor ihn und legte meine Hände auf seine Knie.

„Hallo. Hast du was zu trinken da?" Ich wusste nicht, was er sah, ich hatte noch nie LSD ausprobiert und hatte absolut keine Ahnung, was mit einem passierte, sobald die Droge ihre Effekte ausführte. Einer dieser Effekte war anscheinend Durst und Schwitzen. Tim hatte mir mal erzählt, dass er viele Farben sah, es manchmal glitzerte, Räume sich bewegten und generell nichts normal aussah. Ich legte meine Hände an seine Wangen und schaute ihn an. Er schien auch mich anzuschauen und doch schaute er an mir vorbei. Ich legte eine Hand unter sein Kinn und fragte ihn:

„Kannst du mich sehen, auch wenn alles schimmert, auch wenn tausend Farben sich um uns drehen, als wär diese Welt ein Kaleidoskop?" Klar, es war ein Zitat, und doch fiel mir nichts passenderes zu dieser Situation ein. Er nickte langsam.

„Komm, gehen wir nachhause." Ich stand auf und hielt ihm meine Hand hin, die er zögerlich nahm. Er schaute sich auf dem Nachhauseweg immer wieder unsicher um, fast ängstlich, also redete ich beruhigend auf ihn ein, hielt seine Hand immer fester. Warum muss ich immer der Erwachsene in dieser Beziehung sein? Zuhause gab ich Tim was zu trinken und brachte ihn ins Bett, wo er dann auch erstaunlicherweise sofort einschlief, ich setzte mich vor den Fernseher mit einem Glas Wein, in der Hoffnung etwas entspannen zu können. Doch auf Dauer so alleine dazusitzen fiel mir schwer. Ich schaltete den Fernseher aus und machte mich auf den Weg zum Schlafzimmer, wo Tim friedlich schlummerte. Ich stellte mich vor ihn und beobachtete ihn. Er schlief mit dem Mund halb offen und schnarchte leise.

„Du hast einen ganz schön langen Tag hinter dir, stimmt's?" Ich strich ihm über die Wange.

„Ich auch." Dann legte ich mich neben ihn und legtemeinen Arm um ihn. 



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