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Wir tragen schon so lange unsere Hochzeitsaugenringe, Teil 1

POV Sudden

„Warum muss ich das eigentlich immer alleine machen?", murmelte ich zu mir selber, als ich die Mietanzeigen durchforstete. Basti und ich wollten zusammen ziehen, das würde einiges einfacher machen und irgendwie musste ich ja auch mal raus aus Braunschweig und in die Hauptstadt ziehen. Ich hatte keine Ahnung, wo mein Freund gerade war, er war immer so schwer zu erreichen, dermaßen faul und drückte sich vor jeglicher Arbeit. Das war ja anfangs noch ganz ok gewesen, als ich auch nicht so drauf und dran war, eine saubere Wohnung zu haben, doch je mehr er bei mir wohnte, desto mehr nervte mich seine Faulheit und vor allem die Art, in der er dann mit mir redete wenn ich ihn um etwas bat. Er reagierte nur auf Konfliktsituationen, ich musste ganz schön böse mit ihm werden, wenn ich ein bisschen Action von ihm erwartete, und ich wollte das nicht. Klar, ich saß auch (sehr) gerne vor der Xbox oder Playstation mehrere Stunden lang, doch ich war auch erwachsen und wusste, wann es mal Schluss sein musste.

„Yo, ich bin zuhause. Gibt's was zu essen?" Basti fläzte sich auf die Couch, Füße auf dem Tisch. Ich warf ihm einen missbilligenden Blick zu.

„Mach's doch selber."

„Oh, ist da jemand zickig?" Er kam auf mich zu und drückte mir einen Kuss auf die Wange, doch ich lehnte mich nur angenervt zur Seite und schätzte seine kleine Zärtlichkeit kein bisschen.

„Nein, aber ich mach hier echt alles mit der neuen Wohnung. Kannst du dich nicht einmal hinsetzen und mir helfen? Am Ende beschwerst du dich dann noch, dass ich was Falsches ausgesucht hab."

„Jetzt komm mal wieder runter, ich hatte zu tun! Außerdem hab ich dir ja schon ein paar Wohnungen geschickt."
„Ja, zwei. Ich hab mir schon fünf Wohnungen angeschaut und zwanzig weitere angeschrieben. ZWANZIG." Jetzt wurde ich laut: ich hatte so viele Probleme in mich reingefressen, nie was gesagt, weil ich erstens etwas Angst vor Basti's Wutausbrüchen hatte und zweitens unsere Beziehung nicht kaputt machen wollte. Basti starrte mich an.

„Was ist denn eigentlich dein Problem? Jetzt sei nicht so ein Arschloch, ich hab mich auch bemüht, aber du bist ja nie mit meinen Ergebnissen zufrieden, also dachte ich, dass du es lieber selbst in die Hand nimmst." Beim letzten Satz grinste er und machte die typische Trailerpark Handbewegung, die wir immer bei den Performances von Selbstbefriedigung miteinbauten.

„Ich bin nie mit deinen Ergebnissen zufrieden weil du alles immer so halbherzig angehst. Solange der werte Herr seinen Arsch nicht bewegen muss, ist alles bestens, weil Steven ja eh alles macht." Ich war aufgestanden, war laut geworden und auch Basti stand nun auf, mich böse anfunkelnd.

„Meine Fresse, bist du schlecht drauf! Ich mach hier auch sehr viel, dass das klar ist! Ich hatte eigentlich einen guten Tag, bis du mir hier alles mit deiner Scheisslaune versauen musstest. Weißt du was? Ich brauch deine Scheisse hier echt nicht. Ich gehe jetzt und will, dass du dich beruhigt hast, wenn ich zurückkomme, sonst kannst du was erleben, Freundchen." Er stand auf und ging, ohne mich eines Blickes zu würdigen, die Tür laut zuknallend. Ich sank verzweifelt auf den Stuhl und schrie frustriert in meine Arme, damit ich nicht die Nachbarn stören würde. Man konnte nie neutral oder friedlich mit Basti diskutieren; es musste immer in Schreien und Beleidigungen enden, und darin war er sehr gut. Als ich mich wieder etwas beruhigt hatte, griff ich nach meinem Handy und rief Lukas an. Er hörte sich meine Situation geduldig an und gab mir eine für ihn typische Antwort:

„Schau mal, er ist halt immer so aufbrausend aber du musst lernen, mit ihm über eure Probleme zu reden, bevor alles zu viel wird und du ausflippst. Dann kommst du nämlich in eine Situation, wo er geht oder was wirft oder sonstiges. Könnt ihr da nicht irgendeine Eben finden, auf der ihr beide funktioniert? Wo ihr euch beide gegenseitig helft?" Ich überlegte.

„Er will ja nicht! Er sieht sich als für nichts verantwortlich. Wenn etwas nicht funktioniert, dann muss ich das ausbaden, weil er ja keine Lust hat, sich um Probleme zu kümmern. Lukas, ich will ihn nicht verlieren."

„Ich weiß, aber du sollst auch nicht immer alles akzeptieren."

„Ja, Mann...Ich will nicht, dass es darin endet, dass ich auszieh oder dass unsere Beziehung kaputtgeht."

„Steven, du musst mit ihm reden." Ich nickte, obwohl ich wusste, dass Lukas das natürlich nicht sehen konnte.

„Ich muss los, aber wenn du sonst noch was brauchst – ich bin immer für dich da." Ich schätzte Lukas sehr – er wusste immer, was er sagen sollte, was hilfreich war und was nicht. Basti kam an dem Abend nicht nachhause und ich konnte ihn wieder nicht erreichen. Ich entschloss mich, Tim anzurufen – auch wenn er oft sehr verpeilt war, gab er manchmal ganz guten Rat. Ich schilderte ihm meine Situation.

„Weißt du, ich hab da eine Idee. Ich weiß nicht, ob die helfen wird, aber vielleicht wird ja alles etwas besser."

„Ich höre." Da war ich ja mal gespannt.

„Sexshop."

„Wie bitte?"

„Geht in einen Sexshop zusammen, kauft was, probiert mal was neues aus, was vielleicht auch Vertrauen fordert."

„Und dann?" Der war doch bekloppt!

„Ja, dann schaut ihr wie's weitergeht. Hat schon vielen geholfen. Aber weißt du, du musst auch nicht in einer Beziehung sein."
„Worauf willst du hinaus?" Ich wollte es eigentlich nicht hören.

„Du musst nicht bei ihm bleiben, weil du denkst, dass du ihm was schuldest, dass er sonst richtig ausflippen wird oder vollkommen hilflos sein wird. Oder weil du Angst hast, er würde dich aus der Band werfen, weil er das nicht tun wird. Es wird vielleicht erst ein Schock sein aber schau einfach mal, ob du überhaupt mit ihm zusammen sein willst."

„Das will ich!"

„Bist du dir sicher?" Ich konnte Tim's Ungläubigkeit förmlich hören. Viele waren etwas erstaunt über unsere Beziehung, fragten, warum ich mir die Beziehung mit Basti antat (das war genau das Wort, das viele benutzten: „antun"). Ich war mir nicht sicher, was ich machen sollte - ich liebte Basti und er mich, aber irgendwo ist auch Schluss. Ich konnte nicht immer alles für ihn machen, er musste irgendwann erwachsen werden, und ich musste lernen, mit ihm umzugehen.