7. Gerüchte

5.4K 340 14
                                    

»Froggy? Wir sind wieder da! Willst du mit zum Abendessen kommen?«, kam es von der Tür. Ich drehte mich um, ganz in unsere zweite Runde von Mensch ärgre dich nicht vertieft. »Hey, Neil!«, rief Loura ihrem Bruder zu. »Oh, nein! Meine Schwester«, stöhnte dieser sichtbar genervt. »Ich freue mich auch, dich zu sehen«, erwiderte diese. »Froggy, wie kannst du es nur mit ihr aushalten?«, fragte Neil. Der Kleine blickte hoch. »Warum sollte ich es nicht mit ihr aushalten?«, fragte er. Gute Frage! Aber wahrscheinlich Geschwisterkrieg!, dachte ich. »Gibt es schon Abendessen?«, fragte Clare. Sie war aufgestanden und hatte sich neben Loura gestellt. Auch diese war bereits aufgestanden. »Es ist sieben«, antwortete Donald. »Echt?« Ich erschrak. Zara wollte um halb sieben mit uns zum Abendessen. »Zara...«, fing ich an. »Scheiße!«, Dawn, die einzige, die noch gesessen hatte, sprang auf, lief in Richtung Tür. »Es ist eh schon zu spät!« Loura zuckte mit den Schultern. Sie kam mit Zara nicht so gut zurecht. »Ich hab eine Idee«, rief Froggy. Er grinste über beide Ohren. »Sie können mit uns essen!« Er lachte. Der dritte Junge, der neben Neil und Donald stand, verzog das Gesicht. »Ne, Froggy«, sagte er. »Ach, komm schon, Vincent!« Froggy sah ihn bettelnd an. Doch Vincent schüttelte den Kopf. »Dann kriegst du einen Keks.« Der Kleine hielt Vincent die halbleere Packung hin. »Du weißt, dass ich keine Kekse mag!« Vincent fuhr sich mit einer Hand durch seine schwarzen Haare. »Vincent, lass sie doch ein einziges Mal mitessen, du kennst sie doch gar nicht!« Donald hatte sich an ihn gewandt. Der Junge seufzte. »Mein Gott, die scheinen euch ja richtig wichtig zu sein! Meinetwegen können die Tussis mitessen!« »Wir sind keine Tussis«, rief Dawn und funkelte ihn an. »Sicher?« Doch Dawn war bereits an ihm vorbei gelaufen. »Kommt ihr jetzt mit oder nicht?« fragte Neil. Ich nickte zögernd, eigentlich hatte ich keine Lust mit denen Abendbrot zu essen, aber ich war Loura noch einen Gefallen schuldig. Auch Clare schien keine Lust zu haben. Loura nickte. »Ich komme mit, was ist mit euch?« Sie schaute erst mich, dann Clare und Dawn an. Ich nickte wieder. Auch Clare nickte, doch Dawn schüttelte den Kopf und funkelte Vincent böse an. Was hat er gemacht, dass Dawn wütend wird?, fragte ich mich. Dawn war die einzige von uns, die bislang immer fröhlich gewesen war. »Dann kommt.« Donald winkte uns zur Tür. Wir gingen schnell zu ihm und den anderen beiden Jungs. Froggy hüpfte uns hinterher, einen weiteren Keks essend. »Wie kommt man von hier aus zur Cafeteria?«, fragte Clare. »Das ist gar nicht so schwer, wir müssen nur den Grundgängen folgen«, erklärte Donald ihr. »Grundgänge?«, fragte ich stirnrunzelnd. »Frag besser Vincent, er hat es uns erklärt.« Donald zuckt mit den Schultern. »Also?« Ich sah Vincent an. »Weiß das denn wirklich keiner? Also, die Grundgänge sind die Gänge in den Grundfarben.« »Aber es gibt doch so viele rote und blaue Gänge.« Auch Clare schien es nicht zu verstehen. »Ja, aber die meisten haben noch ein Muster.« Er deutete auf die Wand, an der sich eine grüne Schlange entlang zog. »Die Grundgänge sind ganz einfach rot, gelb oder blau. Von ihnen kommt man in den Schlaftrakt, zu den Unterrichts Räumen und zur Cafeteria.« Er endete. »Ach so!« Ich lächelte ihn an, doch sein Gesicht war so freundlich wie die Straßen in den Armutsvierteln. Vincent scheint ja ein total freundlicher Mensch zu sein, dachte ich bitter. Doch ich wollte nicht aufgeben. »In welchem Jahr bist du eigentlich?«, bohrte ich nach. Doch er reagierte erst gar nicht. Dawn warf mir einen Blick zu, der Bände sprach: Was für eine Arsch!

Endlich kamen wir zur Cafeteria, der Weg war mir ewig vorgekommen. Die Cafeteria war so voll, wie ich es noch nie gesehen hatte. Will die ganze Schule jetzt was essen? »Da hinten ist ein Tisch frei!«, rief Froggy und quetschte sich an zwei großen Jungs vorbei. »Kommt«, rief er und wäre fast in Sara reingelaufen. »Verzieh dich, Zwerg! Du bist doch noch viel zu jung, um hier zu sein«, fuhr sie ihn an. Wieder einmal hatte ich das Bedürfnis, ihr ins Gesicht zu schlagen. Doch ich nahm mich zusammen. »Lass ihn in Ruhe, Sara«, rief Clare. »Ach, ist das dein kleiner Bruder oder kann er nicht sprechen? Ach, ne, er muss mit dir verwandt sein, sonst sähe er nicht so dumm aus.« Tam hatte sich, wie Saras Schatten, ins Gespräch geschlichen, doch Froggy schien es egal zu sein, dass er gerade von zwei Mädchen beleidigt wurde. Er schlüpfte unter Saras Arm durch und lief weiter in Richtung Tisch. »Er hat wohl Angst! Er ist genauso ein Schisser wie ihr.« Ich wusste genau, was Sara wollte, sie wollte, dass wir uns aufregten und im besten Fall etwas Verbotenes tun würden, doch diese Genugtuung wollte ich ihr nicht geben, also packte ich Clare und Dawn am Arm und zog sie mit mir. Ich lief auf die andere Seite der Cafeteria, ehe ich sie wieder losließ. »Luna, was soll das?«, fragte Dawn wütend. »Uns bringt es nichts, wenn wir ihnen weh tun, dann kriegen wir nur noch mehr Ärger und die beiden freuen sich«, zischte ich. Loura kam angelaufen, dicht gefolgte von Neil und Donald. Nur Vincent konnte ich nirgends entdecken. »Wo ist Vincent?«, fragte Dawn. »Er unterhält sich mit seiner Schwester!« Angeekelt deutete Loura auf Tam. „Was? Er ist Tams Bruder?« Bestürzt beobachtet ich wie er Tam gegen den Arm boxte und laut zu lachen schien. »Anscheinend«, grummelte Loura, in ihren Augen lag Hass.

Chroniken der Magie - LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt