Löcher

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Ich lag auf meinem Bett. Vor mir lag mein Notizbuch, der Zettel auf dem ich im Moment einen Schriftzug lesen konnte und die Perle. Morgen war Dawns Beerdigung und ich konnte an nichts anderes denken. Ein Blick auf die Wand sagte mir, dass es bereits vier Uhr war. In fünf Stunden hatte mich Mum bei einem Friseur angemeldet. Ich rieb mir die Augen während ich die Zusammenhänge zwischen den Dingen zu verstehen versuchte. Als ich die Perle wieder auf den Zettel legte begann dieser leicht zu glimmen. Es war ein freundliches Glimmen, trotzdem schob ich die Perle so schnell es ging zurück auf meine Decke. »Was hat es mit euch auf sich?«, murmelte ich leise und strich verwirrt über den Zettel. Als keine Antwort kam legte ich die Dinge zur Seite und versuchte einzuschlafen. Wenige Momente nachdem ich die Augen geschlossen hatte tauchte ein Mädchen vor mir auf. Sie steckte mir eine silberne Hand entgegen und lächelte. Verunsichert wollte ich ihre Hand fassen, doch ich griff durch sie hindurch. Ein keuchen entfuhr mir und ich riss die Augen auf. Das Mädchen war verschwunden aber ich fühlte ihre Hand auf meiner Schulter. »Nua Trius a lu tra.«, flüsterte sie mir ins Ohr. Meine Schulter zitterte und dann war sie verschwunden. Nua Trius a lu tra? Was soll das jetzt schon wieder bedeuten? Warum spricht keiner in Cio? Wie soll ich es denn verstehen, wenn ich nicht einmal die Sprache kenne? Trotzdem wischte ich mit drei Fingern über die Wand. Zwei warme Lichter gingen an und ich griff zu dem Notizbuch. Dann schrieb ich unter den Eintrag für den letzten Tag: Nua Trius a lu tra. Ich starrte noch lange auf die fünf Wörter und überlegte, was es mit ihnen auf sich haben könnte. Dann hörte ich ein rumpeln. Ich schreckte hoch und stieß mit dem Kopf gegen die Wand. Ich biss mir auf die Zunge. »Autsch.«, grummelte ich und schaute auf die Uhr.

Sechs Uhr! Verdammt, ich muss schon fast wieder aufstehen! Mein Körper war Müde und schrie nach Schlaf, aber mein Gehirn arbeitete weiter, ließ mich nicht abschalten. Es führte mirdreißig verschiedene Möglichkeiten vor, was mit Josh war. Es zeigte mir, wie ich Schuld an dem Tod meiner Freunde war. Es zeichte mir meine Mutter, als sie ausrastete. Seit dem Ausraster hatten wir kaum ein Wort gewechselt. Auch Dad war in den letzten Tagen sehr ruhig gewesen. Ich wusste, dass er an Josh dachte. Er zeigte seine Gefühle nicht. Er hatte es noch nie gekonnt. Ruby verstand die Welt nicht mehr. Sie begriff nicht warum Mum und ich kein Wort mehr wechselten. »Wir sind eine Familie und auch Josh kommt wieder.«, sagte sie jeden Abend beim essen. Die Essen waren die Schlimmsten. Ich fühlte immer eine angespannte Atmosphäre, Mum und Ruby unterhielten sich nur manchmal über belanglose Dinge. Josh hätte es verstanden uns wieder zusammen zu bringen. Er hatte immer allen geholfen. Er war stehst offen gewesen. Doch dann musste ich an sein Verhalten nach „dem Sprung" denken. Er war entsetzt, gar ängstlich gewesen. Alles war so kompliziert geworden. Einen Moment wünschte ich mir ein ganz normales, langweiliges, aber normales Mädchen zu sein. Ohne Magie im Blut. Ohne die Lasten auf meinen Schultern ohne den Schmerz in meinem Herz.

Ich hörte wieder ein rumpeln und dieses Mal war ich mir sicher mich nicht verhört zu haben. Ich spitzte die Ohren, es war jemand in unserem Apartment! Mein Herz begann zu rasen. Bitte lass es Josh sein!, schrie mein Herz. Ichstand so leise wie möglich auf und schlich zur Tür. Alle Müdigkeit war verschwunden. Ich hörte ein weiteres Rumpeln, dann einen knall und eine unnatürliche Stille trat ein. Wer auch immer hier gewesen war, da war ich mir sicher, war wieder verschwunden. Die Müdigkeit kehrte schlagartig zurück. Im Halbschlaf trotte ich zurück in mein Bett und schlief fast augenblicklich ein.

»Luna! Du musst jetzt aufstehen. Sonst kommst du zu spät zum Friseur!«, brüllte mir jemand ins Ohr. Ich erkannte Rubys Stimme. Ich öffnete langsam die Augen und brummelte etwas. Ruby packte meine Hand und versuchte mich aus dem Bett zu ziehen. »Du willst doch nicht so zu Dawns Beerdigung gehen, oder?«, fragte sie. Mein Herz pochte voller Schmerz, ich wollte ihren Namen nicht mehr hören. »Schon gut.« Ich griff in meine Kleiderschublade und zog das erstbeste heraus. Kaum hatte ich das blaue T-Shirt angeschaut schleuderte ich es durch den Raum. »Warum hab ich das noch?«, kreischte ich und tippte auf die Wand. Ein Müllschlucker öffnete sich. Dann zog ich mich an und beeilte mich still zu Mum in den Jet zu klettern.

Chroniken der Magie - LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt