»Den Rest der Geschichte kennst du.«, flüsterte Fanny und sah mich ausdruckslos an. Ich sagte kein Wort, meine Zunge schien sich nicht mehr bewegen zu wollen. »W... warum?«, stieß ich stotternd hervor. »Doktor Mon wollte alles über dich wissen Luna, warum sie dich als Opfer hat weiß ich nicht. Aber« Fanny drehte sich wieder zur Wand und ein seidener Umhang entstand um ihre Schultern. »Sie glaubt, dass du so etwas wie eine Auserwählte bist.« Ich blickte Fanny fassungslos an. Sie hatte mir gerade erzählt wie Doktor Mon sie gefoltert, gequält und ihre Schwester ermordet hatte und das einzige was sie zu interessieren schien war, warum Doktor Mon hinter mir her war. »Ich bin nicht auserwählt.«, erklärte ich. »Doktor Mon ist verrückt, bestimmt bildet sie sich alles mit dem Artefakten nur ein.« »Nein«, erklärte Fanny ohne mich anzuschauen, obwohl sie nach der Geschichte wieder menschlicher wirkte. »Ich glaube nicht, das sie sich das nur ausgedacht hat. Sie ist verrückt und eine Mörderin und überhaupt die Ekelhafteste Person auf dieser Welt, aber in der Angelegenheit sagt sie wahrscheinlich die Wahrheit. Ich glaube zwar auch nicht, dass es „Auserwählte" gibt aber das es die Artefakte - warum auch immer - gibt glaube ich schon.« »Fanny, warum ist Doktor Mon hinter mir her, will sie mich umbringen?«, flüsterte ich. »Wahrscheinlich schon, sie sieht auf jeden Fall eine große Bedrohung in dir.« Ich musste schlucken und vermied es in Fannys milchige Augen zu sehen. »Was soll ich Blu über deinen Verbleib sagen?«, fragte ich schließlich um nicht mehr an Doktor Mon zu denken, sie machte mir so viel Angst, das ich am Liebsten sofort das Schulgelände verlassen hätte und mit meiner Familie ans andere Ende der Welt gezogen wäre. Dann erstarrte ich und mein Herz begann zu rasen. »Glaubst du, dass Doktor Mon meine Familie auch gefangen genommen hat?«, stieß ich erstickt hervor. »Nein, sie kann schließlich nicht überall G- Männer hinschicken und Familien festnehmen. Meine konnte sie festnehmen weil wir eh im heruntergekommensten Teil leben. Bei uns schaut niemand komisch wenn jemand abgeführt wird. Es ist eher normal.« Ich schluckte ängstlich und wünschte mir noch mehr, dass meine Familie in Sicherheit war. »Ich hoffe du hast recht.«, murmelte ich angespannt. »Aber Fanny, was bedeutet das für uns... na ja das es diese Artefakte gibt?«
»Wahrscheinlich müssen wir Angst haben, dass es noch mehr von solch irren Beschenkten gibt und dass sie sich mit Doktor Mon zusammengeschlossen haben. Wahrscheinlich suchen in diesem Moment hunderte Beschenkte nach den Artefakten.«
»Sicher, dass es so viele Leute gibt die darüber bescheid wissen?« Fanny zuckte die Schultern und blickte mir mit ihren milchigen Augen an. Sofort sah ich weg, immer noch zu entsetzt um zu begreifen was passiert war. »Hör zu Luna, du solltest niemandem etwas von der Folter oder von den Artefakten erzählen. Auch nicht, dass ich noch lebe. Es ist besser wenn alle denken ich wäre gestorben und abgehauen. Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen an dem wir beide Doktor Mon schlagen können. Bis dahin ist es besser wenn niemand etwas von ihrem wahren Gesicht weiß.« Ich starrte auf meine dreckigen Schuhe und wagte es nicht Fanny in die Augen zu blicken. »Ich habe Blu davon erzählt.«, murmelte ich und sofort stand Fanny direkt vor mir. »Warum?«, zischte sie. »Sie verdient die Wahrheit findest du nicht...«, stammelte ich. »Ja, genauso wie alle anderen Schüler und Lehrer aber es bringt nichts solange Doktor Mon hier die größte Macht hat. Es wäre besser wenn niemand etwas davon wüsste.« »Aber sie war so verzweifelt Fanny, sie hatte richtig große Angst um dich« »Kann ich mir vorstellen, aber es war trotzdem nicht richtig Luna.« Ich blickte wieder auf den Boden und meinte dann kleinlaut. »Ja, wahrscheinlich hast du Recht« Erst nachdem Fanny wieder von mir weggetreten war wagte ich es meinen Kopf wieder zu heben. Fanny sah in ihrem Umhang aus wie ein magisches Geschöpf und nicht mehr wie ein Mensch. Sie stand mit verschränkten Armen mitten im Raum, die Augen starrten ins nichts und ihre blauen Haare lagen wie ein Teppich um sie herum. »Wie hast du eigentlich bemerkt, dass Clare mich hier töten wollte?«, fragte ich und dachte mit schrecken an den ungleichen Kampf. »Ich wusste es nicht.«, meinte Fanny und schüttelte den Kopf. »Aber etwas hat mich dazu gebracht zu diesem Raum zu gehen, ich glaube es war das Wasser...« »Das Wasser?« »Ja, seit Doktor Mon mich gefoltert hat ist das Wasser mein einziger Freund, mein Retter und Beschützer. Es ist so als wäre es eine undurchdringliche Schutzmauer die um mich herum ist...« Ich starrte sie verwundert an. Wenn hier jemand auserwählt ist, dann Fanny dachte ich. »Glaubst du, dass Doktor Mon mich auch foltern wird?«, fragte ich und blickte Fanny an. Kaum hatte ich es gesagt verschwand die Freundliche Körperhaltung die sie mit der Zeit angenommen hatte. Sie durchbohrte mich mit ihrem blinden Blick und ihre Gesichtszüge verhärteten sich. »Das wird sie nicht wagen«, sagte sie ausdruckslos und ging wie ein Panther im Raum auf und ab. »Du solltest gehen Luna, lass mich in Ruhe. Du kannst mir nicht helfen und ich dir nicht. Was passiert ist, ist passiert. Was passieren wird passieren. Doktor Mon ist mächtiger als wir dachten, vielleicht hat sie schon ein Artefakt...«Ich kniff die Lippen zusammen und blieb stumm stehen. »Nein Fanny, Blu wurde von den G- Männern verschleppt, du musst mir helfen sie zu finden und zu retten.« Fanny drehte sich auf dem Absatz um und ihre Fingerknöchel knackten gefährlich, dann spürte ich wie die Luft um mich herum immer kälter wurde, bis ich eine Gänsehaut bekam. »Warum hast du das nicht gesagt?«, fauchte Fanny und ihr Kopf zuckte hin und her. »Warum hast du mir nicht gesagt dass Blu verschleppt wurde?«, brüllte Fanny und packte plötzlich meinen Kragen. »Das deine Freunde tot sind kannst du vielleicht verkraften, aber Blu und ich kennen uns schon so lange das wir fast Geschwister sind. Wenn ihr etwas passiert werde ich nicht mehr weiter leben können. Ich habe sie schon immer beschützt.«, keuchend hörte Fanny auf zu schreien. Dann hob sie die Arme in die Luft und Wassertropfen sammelten sich auf ihren Handflächen. »Sucht sie«, flüsterte Fanny und die Wassertropfen verflüchteten sich. Voller Bewunderung starrte ich Fanny an. »Was kannst du noch alles?«, fragte ich ehrfürchtig. Fanny drehte ich um und kurz umspielte ein Lächeln ihre Lippen, doch es erstarb so schnell wie es gekommen war. »Seit ich blind bin lerne ich jeden Stunde neue Sachen über meine Gabe. »Vielleicht bist du auch die auserwählte...«, schlug ich vor und biss mir sofort auf die Lippe als Fanny ihre Lippen zusammenkniff und ich die Wut um sie herum fast spüren konnte. »Nein, ich bin nichts Besonderes. Hör auf mich zu bewundern Luna. Bewundere dich selbst.« Ich konnte ein Lachen nicht unterdrücken. »Fanny...«, begann ich, doch in diesem Moment schienen wieder von überall aus der Luft Wassertropfen zu Fanny zu fliegen. »Antwortet«, zischte das Mädchen und schloss die Augen. Ich beobachtete wie sich ihr Gesicht veränderte. Erst wurde es ausdruckslos, dann zog sie die Stirn zusammen und ich konnte die Wut fühlen und schließlich sank sie auf die Knie, ihre Gesicht voller Wut und Trauer. »Wo ist sie?«, fragte ich zögerlich. Fanny stand wieder auf. »Im verbotenen Track.« Ich wusste, dass sie mir nicht alles gesagt hatte nickte aber. »Hilfst du mir sie zu befreien?« Fanny zog die Augenbrauen hoch. »Das glaubst du doch wohl selber nicht.« Ein Kloß bildete sich in meinem Herz. »Ich werde dich nur mitnehmen, weil du sonst nur Dummheiten tust. Also komm« Fanny reichte mir ihre Hand und ich nahm sie vorsichtig. Ihre Finger waren so kalt, dass ich Angst hatte sie würde mich erfrieren lassen, wie sie es bei Clare gemacht hatte. Dann meinte Fanny »Wir werden Blu retten« und rannte mit mir durch die Wand.
Zitternd vor Kälte Stand ich vor dem verbotenen Track, wie Fanny ihn genannt hatte. Ich schlang mir die Arme um den Körper, Fannys Hände waren anscheinend kälter gewesen, als sie gedacht hatte. »Na los«, zischte sie während sie den Code für die Tür eingab. Sobald sie aufschwang stürzte sie durch den Gang, ich folgte ihr widerwillig. Die Gänge durch die mich Fanny führte waren exakt so wie sie mir sie beschreiben hatte. Ich kniff die Lippen zusammen und versuchte mit ihr schritt zuhalten. Fanny sauste durch die Gänge wie eine Welle und zog mich hinter sich her. Keuchend blieb ich stehen, als Fanny um eine Ecke bog und legte kurz die Hände auf die Knie um durch zu atmen, Fanny hatte es viel zu eilig, als das es Blu noch gut gingen würde. Also rappelte ich mich wieder auf und sprintete so gut es ging hinter Fanny her.
Fanny war vor einer schwarzen Tür ohne Schloss stehen geblieben. »Dahinter ist Blu?«, fragte ich. Fanny schüttelte den Kopf und lief den weiter den Gang entlang. Ich folgte ihr und die Kälte welche Fanny ausstrahlte wurde mit jeder Sekunde schlimmer, was auch immer mit Fannys Gabe passierte, es schien fast so als würde sie besitz von ihr ergreifen. Dann drehte sich Fanny mitten im Gang zu mir um und ich erschrak wieder beim Anblick ihrer Augen, ich wusste nicht ob ich mich jemals an sie gewöhnen würde. »Jetzt müssen wir leise sein, sonst hören uns vielleicht die G- Männer.« erklärte sie, ehe sie sich wieder umdrehte und weiter lief, doch nun so leise, dass ich nicht geglaubt hätte das Fanny noch da war hätte ich sie nicht gesehen. Ich konnte nicht so schnell wie Fanny laufen und schon gar nicht so leise, also beschloss ich etwas Heikles in meiner Lage zu tun. Meine Kraft war aufgebraucht und es war riskant die Zeit zu kontrollieren aber ich tat es trotzdem.
Alles um mich herum erstarrte und ich sah mich kurz um ehe ich Fanny hinterher ging. Ich verspürte den Drang zu laufen, doch ich wusste, dass es egal war ob ich schleichen, kriechen oder sprinten würde. Zeit spielte jetzt keine Rolle mehr. Also ging ich gemütlich zu Fanny und nach weiter bis ich am Ende des Ganges war. Erst dann ließ ich die Zeit weiter laufen.
Kurze Zeit später sauste Fanny an mir vorbei und ich folgte ich wieder außerhalb der Zeit. So war die Chance das wir erwischt wurden geringer.
Nach weiteren zehn Minuten blieb Fanny stehen. Sie keuchte leise auf und schloss die Augen. Ich blieb regungslos neben ihr stehen, als zwei G-Männer um die Ecke marschiert kamen. Bevor sie auch nur einen Laut von sich geben konnten hob Fanny die hand und die G-Männer fielen nach hinten und zerbrachen in tausende Eisstücken. »Was für eine grausame Weise Menschen zu töten«, flüsterte ich bevor ich es mir verkneifen konnte.
Fanny drehte sich um und gab mir eine schallende Ohrfeige, die sich so anfühlte als hätte sie mir das komplette Gesicht weggeschlagen. Ich sah Fanny an »Was sollte das?« »Wir haben keine Zeit für unnötige Sachen«, fauchte Fanny panisch und ich fragte mich ob sie wusste, wie es um Blu stand.
Fanny rannte weiter und ich folgte ihr nun in der Zeit. »Wir... wenn wir uns beeilen dann...«, begann Fanny doch sie schaffte es nicht einen Satz zuende zu bringen. »Wenn wir uns beeilen können wir Blu vielleicht noch retten...«, keuchte sie dann und lief weiter. Ich starrte sie an ehe ich weiterlief, meine Seiten schmerzten und ich brauchte dringent frische Luft aber Fanny lief immer weiter in den verbotenen Track.
»Wohin müssen wir eigentlich?«, traute ich mich zu Fragen. Fanny deutete auf eine weiße Tür am Ende des Ganges auf der linken Seite. An der Tür waren Fünf rote Striche, wie die Wunden in Fannys Nacken. Ich musste Schlucken und schüttelte dann angewidert den Kopf.
Fanny rüttelte an der Türklinke, doch sie war verschlossen. Ich blieb keuchend neben dem Mädchen stehen und starrte auf die roten Striemen. Es war Blut; frisches Blut. Angst durchfloss mich und ich wünschte mir nicht mitgekommen zu sein. Fanny schlug mit voller Wucht gegen die Tür doch nichts passierte. Dann hob sie die Hand und langsam bildete sich eine Eisschicht um die Tür. Dann zerbrach sie mit einem schrecklichen Geräusch. Fanny rannte in den Raum und ich folgte ihr direkt auf den Versen.
Blu lag auf einem silberen Tisch, die Augen geschlossen. Ihr gelbes Hemd war dunkelrot. Fanny schrie auf und stürze auf ihre Freundin zu. Voller entsetzten ging ich langsam zu dem Tisch. Eine unfassbare Angst machte sich in mir Breit. Fanny hob Blus Kopf hoch, dass Mädchen rührte sich nicht. »Ich werde dich retten«, flüsterte Fanny und ich sah Tränen auf ihren Wangen glitzern. Ich trat nun neben sie, wagte es aber nicht Blu zu berühren. »Ich... ich«, flüsterte Fanny und strich Blu die blonden Haare aus dem Gesicht. Tränen sammelten sich in meinem Augen als ich begriff was los war: Blu war tot.
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Chroniken der Magie - Luna
Fantasy∆ Teil 1 ∆ Vier Prüfungen müssen alle Kinder bestehen. Die Prüfungen sind sehr hart und gefährlich, doch durch sie bekommen die Fünfzehnjährigen eine einmalige Chance. Wer die Prüfungen besteht, darf auf eine der fünf magischen Schulen und dort die...