Alles war dunkel. Ich blinzelte, aber nichts passierte. Ich hörte eine Stimme neben mir, verwirrt drehte ich mich zur Seite, konnte allerdings immer noch nichts erkennen. »Hallo?«, rief ich in die Dunkelheit. »Hallo ... Hallo ... Hallo ...«, schallte es zurück. Vorsichtig machte ich einen Schritt vorwärts und stieß mir den Kopf. Was war nach dem Deckeneinsturz passiert? Wieder eine Stimme neben mir. Ich bückte mich und tastete den Boden ab. Überall lagen spitze Teile herum, ich schob meine Hand weiter vor und tastete weiter. Dann stieß ich wieder gegen etwas Hartes. Eine Wand! Die Stimme kam deutlich hinter der Wand hervor. »Hallo?«, fragte ich erneut. »Hallo?«, krächzte eine Stimme zurück. Ich rüttelte an der Wand und ein Schmerz zuckte durch meine Schulter. Die Wunde! »Ist da jemand?«, krächzte die Stimme. Ich nickte in die Dunkelheit, dann fiel mir auf, dass mich die Person gar nicht sehen konnte. »Können Sie da rauskommen?«, fragte eine rauere Stimme. »Äh ... glaube nicht«, murmelte ich. »Okay«, krächzte die Stimme. Ich schloss die Augen, wie soll ich hier wieder rauskommen?, fragte ich mich. »Wir holen Sie da raus«, erklärte mir eine unbekannte Stimme. »Okay«, ich schüttelte mich und versuchte, meinen Arm so ruhig wie nur möglich zu halten. Dann ertönte ein lautes Brummen, erschrocken sprang ich einen Schritt zurück und stieß mir den Kopf.
Wenige Sekunden nachdem das Bohren angefangen hatte, wurde es heller. Ich blinzelte und hielt mir eine Hand schützend über die Augen. »Geht es Ihnen gut?«, fragte mich die Stimme, ich nickte und blinzelte gegen die Helligkeit an. »Wie haben sie den Deckeneinsturz überlebt?«, fragte die krächzende Stimme. Ich blickte so gut es ging auf, vor mir standen zwei G-Männer. Die gelben Uniformen waren von Staub überdeckt und ihre Gesichter wurden von grauen Tüchern verdeckt. »Wie überlebt? Ich hatte nur Glück«, antwortete ich ängstlich. »Nun ja, Sie sind hier im direkten Zentrum vom Einsturz, wir hätten nicht gedacht, dass Sie es überleben«, erklärte der G-Mann und schob das graue Tuch beiseite. Ein kantiges Gesicht mit matten blauen Augen kam zum Vorschein. Auf der linken Wange war eine wulstige Narbe und eine Augenbraue fehlte. »Wa- ... Was?«, stammelte ich: »Heißt das, dass die anderen nicht überlebt haben?« Angst durchfloss mich in großen Wellen und ich sah schon Dawns, Louras und Neils Grab vor mir. »Nein. Waren noch andere hier?«, fragte der verhüllte G-Mann. Ich nickte entsetzt und sah mich um. »H62D, geh zu den anderen und sag ihnen Bescheid«, kommandierte der Verhüllte. »Jawohl, 7Z!«, antwortete H62D und rannte aus der Halle. »Geht es ihnen wirklich gut, Miss Williems?«, bohrte 7Z. Ich schüttelte den Kopf. »Nein, eigentlich nicht ...«, murmelte ich. »Wir holen einen Arzt«, erklärte der G-Mann, wandte sich um und verschwand. Ich saß wie erstarrt auf dem Boden und starrte den grauen Boden an. Wo sind die anderen? Zitternd stand ich auf und sah mich um. Die Halle war zerstört, überall lagen große, graue Brocken herum. Dann entdeckte ich etwas, was nicht hierher gehörte: Eine grüne Ranke lang mitten auf dem Boden, sie wand sich um einen großen Brocken. Hat Dawn versucht, einen Brocken aufzuhalten? Ist sie noch hier? Mein Herz raste und ich näherte mich dem Brocken. »Dawn?«, fragte ich.
Nichts.
Ich betrachtete die Ranke genauer. Sie fing schon an zu welken, vor meinen Augen wurde sie braun, schwarz und verschwand. Ich berührte die Stelle, wo vor wenigen Sekunden noch eine Ranke gelegen hatte. »Dawn?«, fragte ich erneut. »Bringt sie in die Notaufnahme! Sie hat eine Wunde am Arm und einen Schock!«, brüllte 7Z quer durch die Halle. Ich hörte Schritte hinter mir und drehte mich um, vier G-Männer standen mir gegenüber. Alle waren jung und wirkten unsicher, als sie mich sahen. »Worauf wartet ihr noch?!«, brüllte 7Z. Die Männer nickten sich kurz zu, dann trat einer von ihnen vor, in seinem Gesicht lag eine Mischung aus Ehrfurcht und Angst. »Miss, kommen sie bitte mit«, murmelte er und schaute auf den Boden. Ich schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht gehen. Meine Freunde sind hier noch, ich muss sie finden«, erklärte ich so ruhig wie möglich. »Es tut mir Leid, Miss, wir haben die Halle nach Leben gescannt, es gibt keins!«, erklärte mir ein anderer G-Mann. Ich starrte ihn an. »Das ... das kann nicht sein!«, rief ich wütend. »Wir haben die neueste Technologie und die älteste, beide sagen dasselbe«, erklärte er. »Nein, nein, nein, es kann nicht sein!«, rief ich aufgebracht. »Hier war bis gerade eben noch eine Ranke von Dawn. Sie müssen noch einmal suchen. Vielleicht hat die Technik auch einfach versagt.« Die Männer schüttelten die Köpfe. »Die Technik irrt sich seit zweihundert Jahren nicht mehr, Miss.« »Vielleicht ist zu viel Magie in dieser Halle ...«, versuchte ich, meine Illusion aufrecht zu halten. »Die Geräte blenden die Magie einfach aus«, antwortete der G-Mann leicht genervt. »Jetzt kommen sie, wir haben nicht ewig Zeit! Die Halle muss noch gesprengt werden!«, brüllte 7Z von der anderen Seite der Halle. Die G-Männer drehten sich um, verneigten sich und packten mich am Arm. »Nein! Sie dürfen die Halle nicht sprengen! Sie haben keine Leichen gefunden!«, kreischte ich aufgelöst. »Das stimmt ...«, murmelte einer der jüngeren Männer. »Papperlapapp! Die Technik lügt nicht, Miss. Verdauen Sie ihren Schock und spuren Sie!«, brüllte 7Z. Ich spürte, wie mir Tränen in die Augen schossen. »Sie leben noch! Ich fühle es!«, log ich schluchzend. »Ich würde dir gerne helfen ...«, murmelte der G-Mann zu meiner Linken. »Was?«, schluchzte ich. »Ich habe auch drei Freunde verloren, Miss«, antwortete er. »Ihr habt doch gar keine Gefühle!«, kreischte ich und versuchte den eisernen Griffen zu entkommen. »Legt ihr endlich Handschellen an!«, brüllte 7Z. »Die Kinder von heute sind nicht mehr auszuhalten.« Er schüttelte den Kopf und strich sich über die Uniform. »Träumen von der großen Magie; ehrenwerte Arbeit wird nicht mehr geschätzt.« Verwirrt blickte ich ihn an. »Ist gut, Sir, ich hole sie schnell«, murmelte einer der G-Männer und wich von meiner Seite. Ich erkannte meine Chance, spannte die Muskeln an und trat meinem Bewacher auf den Fuß. Anders als ich erwartete hatte, kam keine Reaktion. »Ihr werdet die Halle nicht sprengen!«, brüllte ich erneut, dann sah ich zwei weitere G-Männer in die Halle kommen, beide trugen einen großen Koffer. »Wir haben das T7N vorbereitet, Sir«, hörte ich den einen erklären. Mein Mund klappte auf, sie wollten die Halle sofort sprengen! Ohne nach Dawn, Loura und Neil zu suchen! An alldem war Clare schuld, sie hatte den Welus-Kämpfern bestimmt gesagt, wo wir ankamen. Aber warum? Was hatte sie sich davon erhofft? Wollte sie, dass wir getötet werden? Meine Trauer um den Verlust meiner Freunde schlug in Wut um. »Wissen sie überhaupt, warum die Decke eingestürzt ist?«, brüllte ich. 7Z sah auf. »Nein, aber um ehrlich zu sein: Es interessiert mich auch nicht!« »Sicher?«, schrie ich zurück, ich musste die Sprengung um jeden Preis verhindern. »Ja, da bin ich mir ziemlich sicher, Miss. Dass Schüler nach der Landung in der normalen Dimension sich gegenseitig abschlachten ist nichts Besonderes.« Er zuckte gelangweilt mit den Schultern und wandte sich ab. Ich schrie vor Wut auf: »Und was, wenn es keine Schüler waren, die sich ›gegenseitig abschlachten‹ wollten?« »Dann wäre es interessant, wenn man ihnen glauben würde! Und jetzt gehen sie mit den anderen mit. Ich hasse hysterische Kinder!«, brüllte er. In diesem Moment kam der G-Mann mit den Handschellen zurück. Sie wurden mir umgelegt und ich zuckte zusammen. Wenn ich meine Hände bewegte, floss pure Elektrizität durch meinen Körper. Die Männer führten mich stumm aus der Halle und ich weinte weiter. Ich verließ den Ort, an dem ich meine Freunde verloren hatte und auch die Hoffnung, sie wieder zu sehen. »Wir bringen Sie in die Notaufnahme und informieren von dort Ihre Familie«, erläuterte mir einer der Männer die nächsten Schritte. Ich wurde in ein Auto verfrachtet und schaute so lange es ging auf die Halle. Ich stellte mir vor, dass Loura, Dawn und Neil mir zuwinkten. »In zwanzig Minuten sind wir da!«, meinte der Fahrer, als die Halle außer Sicht war. Ich nickte. Die Schmerzen in meinem Arm waren nichts im Vergleich zu denen in meinem Herz.
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Chroniken der Magie - Luna
Fantasy∆ Teil 1 ∆ Vier Prüfungen müssen alle Kinder bestehen. Die Prüfungen sind sehr hart und gefährlich, doch durch sie bekommen die Fünfzehnjährigen eine einmalige Chance. Wer die Prüfungen besteht, darf auf eine der fünf magischen Schulen und dort die...