15. Blut

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Am späten Nachmittag kam Dawn in unser Zimmer gestürzt. Ihr schien es gut zu gehen. Kaum hatte sie den Raum betreten, sprang ich von meinem Bett auf, die Müdigkeit war wie verflogen. »Dawn! Du bist wieder da. Geht es dir wieder gut?«, bestürmte ich sie. Ein Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Alles in Ordnung. Außer, dass ich die nächsten zwei Wochen das nehmen muss.« Sie hielt ein Döschen hoch. »Was ist das?«, fragte Loura. »Entgiftungspillen.« »Also ist noch Gift in deinem Körper drinnen?«, stellte ich fest. Dawn schüttelte den Kopf »Nein, sie haben alles heraus gesaugt. Und ich hatte total viele innere Wunden, deshalb hat es so lange gedauert. Das ist nur eine Sicherheit.« Ohne auf unsere Reaktion zu warten, warf sie die Dose auf das Bett. »Was habt ihr so getrieben?«, fragte sie. »Wir mussten eine Prüfung machen«, meinte Loura. »Ja, das weiß ich. Mrs Lav hat mich erst zu dem Raum geschickt, um die Prüfung zu machen.« Ich sah sie verdutzt an. »Und?« »Was, und?« »In welcher Gruppe bist du?« Loura verdrehte die grünen Augen. »Fortgeschritten, so wie ihr, oder?«, meinte Dawn und warf sich gelangweilt aufs Bett. Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin in einer Gruppe nur für Zeitgaben. Loura in der normalen Gruppe und Clare ist ausgeschlossen.« Sie blickte verdutzt auf. »Was?! Wer ist dann in der Gruppe?« »Auf jeden Fall Tam und Sara«, meinte ich. Dawn verzog das Gesicht. »Rose, Neil, Jakob, Åmber, Zoe sind auch dabei«, schloss Loura. »Echt?« fragte ich nach. »Ja« »Und was ist mit Fanny? Sie ist doch die Beste, sagt mir nicht, dass sie im normalen Kurs ist.« Ich schüttelte wieder den Kopf »Nein, sie trainiert mit den Drittklässlern«, erklärte ich. Dawns Mund öffnete sich. »Man! Dann darf sie kämpfen«, meinte Dawn. Wie ein kleines Kind stampfte sie mit dem Fuß auf. »Wo ist eigentlich Clare?« »Sie ist weggelaufen, weil...« Ich dachte wieder an das, was sie vor uns verstecken wollte. »Weil?« Dawn strich sich durch die kurzen Haare. »Weil sie irgendetwas vor uns verstecken wollte und wir sie gefragt haben«, meinte Loura. Dawn zog die Augenbrauen zusammen. »Was genau?« »Keine Ahnung! Das wollten wir sie doch fragen«, erwiderte Loura. »Dann lasst es uns heraus finden«, schlug Dawn mit einem schelmischen Grinsen vor. Kurz wunderte ich mich, Dawn war es doch gewesen, der die Privatsphäre so wichtig gewesen war. »Und wie soll das gehen?«, fragte ich deshalb skeptisch. »Ist doch ganz einfach. Sie hat die Sache noch nicht ins Zimmer gebracht. Das heißt, sie hat sie noch bei sich. Wir müssen einfach warten, bis sie zurück kommt und sie zur Rede stellen.« Am liebsten hätte ich Dawn gefragt, ob sie dann auch so ausrasten würde, wie sie selber. »Klingt vielversprechend«, meinte Loura. »Dann können Luna und ich solange noch unser Referat weiter bearbeiten.« Ich verdrehte die Augen. »Wir haben noch drei Wochen.« »Wenn wir es jetzt machen, sind wir früher fertig mit der Quälerei«, meinte Loura. »Ihr habt halt jemand Langweiligen«, meinte Dawn grinsend. »Danke, Dawn! Das hatte ich ja noch gar nicht bemerkt«, meinte ich ironisch und warf ihr ein Buch zu. »Ihr Leben bestand daraus, im Büro zu sitzen und Spam-Mails zu verschicken. Sie hatte zwei Kinder: Luana und Julia. Sie war hochbegabt und hat deshalb bei dem Experiment mitgeholfen. Mehr weiß man nicht über sie«, erzählte ich Dawn ihr Leben. »Weiß man denn mehr über ihre Kinder?« Dawn schien es interessant zu finden. »Ja, man weiß doppelt so viel über ihre Kinder, als über sie.« Loura nahm Dawn das Buch weg und warf es auf mein Bett. »Welche Gaben hatten die beiden?« »Julia war schon drei, als Tilda ihre Gabe bekam. Luana wurde drei Jahre später geboren. Sie bekam die Gabe bildliches Gedächtnis.« Dawn zog die Augenbrauen zusammen. »Bildliches Gedächtnis? Eine Gabe aus der siebten Stufe.« Ich nickte. »Ja, ich glaube, in einem der Bücher stand, dass sich die Magie erst entwickeln musste.« »Dann bin ich froh, dass ich heute lebe«, meinte sie. »Ich bin auch froh, heute zu leben. Früher war alles bestimmt mühsamer«, stimmte Loura ihr zu. Ich war mir nicht so sicher, ob ich nicht lieber früher gelebt hätte. »Aber damals hat man noch Roboter benutzt. Heute nicht mehr«, meinte ich. »Ein Glück. Nachdem Hallakarwa alle umprogrammiert hatte, sollen sie doch ihre Herren umgebracht haben.« Dawn schüttelte sich. »Ja, kann schon sein. Ich hatte ja nur ein Jahr Technik«, antwortete ich ihr. »Tja, schlechte Wahl«, meinte sie. »Jetzt komm, Luna. Ich hab genauso wenig Lust wie du«, drängte Loura mich. »Okay.« Sie warf mir ein Buch zu. »Danke auch«, grummelte ich, setzte mich auf mein Bett und fing an zu lesen.

Chroniken der Magie - LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt