22. Dunkelheit

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Mein Großvater lächelte mich an. »Eine traurig-schöne Geschichte«, erklärte er mir. Ich zuckte mit den Schultern. »Schön ist etwas anders«, meinte ich mit gesenkten Blick. »Luna, du musst weitermachen. Als ich auf Agrunus war, haben alle Schulen noch gut zusammengearbeitet. Jetzt hat die Gier ihre Herzen umschlungen. Ich würde dir gerne helfen, aber meine Gabe ist zu schwach, um etwas auszurichten. Aber ich bin sicher, dass du es schaffen wirst. Du musst dich von den bösen Gedanken losreißen, dann wirst du gewinnen.« Ich lächelte, Großvater schaffte es immer wieder, mir Mut zu verleihen. »Und was Clare angeht, vergiss sie, sie ist es nicht wert einen Gedanken an sie zu verschwenden.« Ich nickte, auch wenn ich wusste, dass ich mich nicht daran halten könnte, weil ich eine zu große Wut auf sie hatte. Großvater hob seinen Arm und nahm meine Hand. »Hör niemals auf, an dich zu glauben, den Glauben an sich selbst zu verlieren ist das Schlimmste, was dir passieren kann.« Ich nickte wieder und zog meine Hand aus seiner, sie war eiskalt. »Warum ist deine Hand so kalt?«, fragte ich ihn verwirrt. »Das liegt an meiner Gabe. Sie frisst mich von innen auf«, erklärte er lächelnd und strich sich über den Bart, sofort wurde dieser von einer Eisschicht umhüllt. »Ich kann sie nicht mehr kontrollieren.« Entsetzt starrte ich ihn an und sah, dass sich das ganze Bett um ihn herum blau verfärbt hatte. »Aber warum?«, fragte ich. »Ich weiß es nicht«, meinte er. »Du solltest jetzt gehen, die anderen akzeptieren mich zwar, aber sie wollen keinen Besuch. Ich denke, dass sie Angst vor einer Überführung haben.« »Sie wollen euch überführen?« Entsetzt blickte ich ihm in die dunklen Augen, welche von schneeweißer Haut umkreist waren. Bei dem Gedanken, dass der Rat Cias zwanzig alte Menschen festnehmen und in Zellen sperren wollte, wurde mir übel. »Ja, sie wollen die Maßnahmen in ganz Cerizo verschärfen, um alle Antis zu verhaften. Aber wir sind alt, wenn sie uns finden, ist es nicht so schlimm.« »Doch!«, protestierte ich, doch Großvater schüttelte den Kopf. »Geh jetzt bitte. Du kannst nächste Woche wiederkommen.« Widerwillig stand ich auf und nahm seine kalte, verschrumpelte Hand. »Ich komme wieder«, versprach ich ihm und verließ das Zimmer. Die anderen alten Menschen warfen mir abschätzige Blicke zu. »Geh!«, brüllte mir einer hinterher. Ich lächelte flüchtig. »Keine Sorge, ich bin schon dabei«, erklärte ich ihm. Dann verließ ich das Gebäude und ging wieder in Richtung Innenstadt. Ich hatte noch zwei Sachen, die ich besorgen musste. Ich hatte mir während dem Gespräch mit Großvater vorgenommen, in der öffentlichen Internet-Informationsstelle nach Hologrammkugeln zu schauen und herauszufinden, wie ich sie zurückverfolgen konnte. Außerdem wollte ich nach dem Namen Clare Neiho schauen, um herauszufinden, ob es dieses Mädchen wirklich gab. Mit meinem zweiten Vorhaben brach ich das, was mir Großvater gesagt hatte. Verbann Clare!, schrie mein Kopf, doch ich dachte gar nicht daran. Stattdessen kramte ich mein Handy aus meiner Jackentasche. Es war zwei Uhr, ich hatte nicht mehr so viel Zeit. Also stieg in den nächsten öffentlichen Jet Richtung Internet-Informationsstelle. Der Jet war voll und es roch nach Rah, einem Desinfektionsmittel. Neben mir saß eine junge Frau mit zwanzig Zentimeter langen Wimpern und fast genauso langen Nägeln. Verwundert beobachtete ich, wie ihre Wimpern bei jedem Blinzeln in den Haaren hängen blieben. Auch die Klamotten der Frau waren außergewöhnlich, sie trug eine gelbe Mütze und ein dunkelblaues Kleid. Alle im Jet schienen sie anzustarren. Als ich zehn Minuten später aussteigen musste, sagte mir die Frau etwas: »Es ist deine Schuld! Wegen dir ist der Tod gekommen.« Dann wandte sie sich ab und ich verließ mit klopfendem Herzen den Jet.

Was hat sie gemeint? Sie kann doch gar nichts von dem Vorfall wissen! Oder? Nein, sie kann nichts wissen! Ich schaute zurück zum Jet, doch dieser war bereits verschwunden. Ich lief die Straße entlang, bis zu einem schönen Haus. Die Fenster bestanden aus farbigen Spiegel, wodurch der Platz davor in hundert verschiedenen Farben glitzerte. Ich sah ein paar Kinder mit den Farben ein Spiel spielen. Ich lächelte, dann ging ich ins Gebäude. »Herzlich Willkommen in der größten Internet-Informationsstelle von Cia. Bitte füllen sie dieses Dokument aus, um hier kostenlos auf alles Wissen der Welt zuzugreifen«, begrüßte mich eine ältere Frau und drückte mir ein Dokumenten-Ausfüllungsgerät in die Hand. Ich setzte mich an einen Tisch im Eingangsbereich und fing an, das fünf Seiten lange Dokument auszufüllen. Die meisten Dinge waren mir bekannt, warum sollte ich ein Gerät von hier mitnehmen? Die IGs funktionierten nur in diesem Gebäude. Nachdem ich alles beantwortet hatte gab ich es einem jungen Mann mit auffällig heller Haut und schwarzen Haaren. »Ich wollte das abgeben«, erklärte ich ihm. Dann reichte ich ihm das Dokumenten-Ausfüllungsgerät. »Dankeschön! Sie dürfen jetzt kostenlos auf das gesamte Wissen der Menschheit zugreifen.« Ich nickte ihm kurz zu, dann ging ich in den Recherche-Bereich. Über die Hälfte der Recherchoren war besetzt, also ging ich zu einem freien.

Chroniken der Magie - LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt