Zuhause

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Ich trat auf die Wiese vor Agrunus. Die Sonne glitzerte auf meinen zerschrammten Händen. Die beiden G- Männer verteilten die Portpillen. »Schluckt sie und denkt an eure Mutter«, erklärte 33Y immer noch im ruhigen Ton. Ich nahm die pastellgrüne Pillen in meine linke Hand und drehte sie zwischen meinen Fingern. Es sind nur zwei Wochen. Einfach mehr Ferien. Ist doch toll. Alles wird genauso sein wie vorher... versuchte ich mir einzureden. Aber ich wusste, dass nichts mehr wie vorher sein würde. »Wurden unsere Familien eigentlich informiert?«, fragte Emma plötzlich und riss mich aus meinen Gedanken. I8U antwortete: »Ja, eure Familien wurden benachrichtigt, dass ihr heute nach hause kommt. Allerdings wurde ihnen nicht gesagte warum ihr kommt.« Emma nickte und steckte sich die Portpille in den Mund. Auch Rose und Donald stecken sie sich in den Mund, eine Sekunde später waren alle drei verschwunden. Ich warf einen Blick auf die Tür mitten im Nichts. Hier hatte mein Abenteuer angefangen. Ich erinnerte mich noch an den ersten Tag, als ob es gestern gewesen wäre. »Der Held soll der Held sein«. »Und der 'Held' mag gerne Luftballons?« Neil... Dawn... Blu... Fanny... Loura... Janik. Sie alle würde ich nie wieder sehen. Donald und ich waren als einzigen noch richtig am Leben. Fannys Dasein konnte ich kaum als Leben beschreiben. 

Dann schluckte ich die Portpille und die Welt um mich herum verschwand in bunten Farbwirbeln. Der Boden wurde unter meinen Füßen weggerissen und ich schloss automatisch die Augen. Eine Sekunde später setzten meine Füße wieder auf festem Grund auf. Meine Hände zitterten und der Rucksack mit den wenigen Sachen, die den Angriff überlebt hatten fühlte sich schwere an als vorher. Ich schlug die Augen wieder auf. Ich stand auf einer Wiese, die Wolken am Himmel waren dunkelgrau und kein Sonnenstrahl durchdrang sie. Ein paar Meter von mir entfernt stand ein hellgrauer Jet. Vor ihm standen die anderen. »Luna... da bist du ja endlich!«, rief Rose und ich ging mit schnellen Schritten zu ihnen. Die G-Männer guckten mich erwartungsvoll an, doch ehe ich ein Wort sagen konnte verschwanden sie im Jet. Donald und Rose kletterten hinter den Beiden in das große Gefährt. Ich machte einen Schritt auf die Leiter zu, doch Emma hielt mich am Arm fest. Wieder waren ihre Augen silbern. »Luna«, flüsterte sie. »Ich bin die Botin einer Freundin. Ich muss dich warnen. Alte Freunde können zu Feinden werden. Vertraue nur dir selbst.«, ihre Stimme hallte in meinem Kopf wieder, ehe Emma lächelnd einstieg. Benommen folgte ich ihr und ließ mich auf einen der schwarzen Sessel im inneren Fallen.

»Wir fliegen gut drei Stunden, bis zum ersten Stopp. Bitte seid leise und steht nicht so viel auf.«, erklärte einer der G-Männer ehe er in der Fahrerkabine verschwand. Ich schloss den Gurt von meinem Sessel und legte den Kopf in das gemütliche Polster. Auch die anderen machten es sich bequem. Die dunklen Ringe unter ihren Augen waren mir gar nicht aufgefallen und augenblicklich fragte ich mich ob ich auch so mitgenommen aussah. Rose reichte eine Box mit Banschips durch und ich griff mir eine Hand voll. Dann tippte ich auf meiner Lehne herum, bis ein Bildschirm erschien, der die neusten Nachrichten beinhaltete. Mit zusammengekniffenen Augen las ich:

James Rugon verkündet Schließung von 25 Unterschulen. Er erklärt, dass es notwendig sei um...

In der ganzen Stadt wurden Menschen tot aufgefunden. Alle hatten sie ein Blatt auf die Stirn geritzt bekommen...

Mir stockte der Atem. Ein Blatt war das Zeichen der Hexoristischen, das Zeichen von Joshs neuer Familie. Meine Gedanken drehten sich nur noch um meinen Bruder. Kann ich es Mum und Dad überhaupt sagen. Vielleicht ist es besser für sie wenn sie glauben, dass Josh verschwunden oder Tod ist... aber sie haben das Recht zu erfahren, was mit ihrem Sohn passiert ist. Sie müssen es erfahren. Sonst werden sie ihn für immer suchen. Vielleicht werden sie in irgendwann finden und dann...

Ich wollte nicht weiterdenken, was passieren würde wenn Mum und Das auf Josh stoßen würden, sich freuen würden und er ihnen dann von hinten ein Messer in den Rücken rammen würde. Ich konnte nicht zulassen, dass sie immer nach ihrem lieben Sohn Ausschau hielten. Denn der liebe Josh existierte nicht mehr. Verzweifelt versuchte ich die Tränen zurück zuhalten. Ich spürte sie und wusste nicht um wen ich als erstes trauern sollte. In diesem halben Jahr hatte ich so viele Freunde verloren. Mehr als in den fünfzehn Jahren davor. Eine Träne sickerte aus meinem Auge und lief meine Wange hinunter. Eine weitere folgte und der Schmerz wurde mit jeder Sekunde, in der ich ihm freien Lauf ließ schlimmer. Es war als würde ich mir selber Elektroschocks verpassen. »Luna, ist alles in Ordnung?«, fragte Donald und ich kniff die Lippen zusammen. »Ja, alles bestens«, presste ich hervor, ehe ich aufschluchzte und mir die Hände vors Gesicht schlug. Ich spürte die Blicke der andere auf mir ruhen und versuchte ein erneutes aufschluchzen zu unterdrücken. Eine warme Hand legte sich auf meine linke Schulter und ich warf einen Blick durch meine Finger hindurch. Einer der G-Männer blickte mich an. »Es tut mir Leid.«, flüsterte er und seine Stimme klang fast menschlich. »Ich weiß, dass ihr alle schlimme Dinge erlebt und gesehen habt. Die Schule bietet jedem von euch eine Therapie an.«, ratterte er herunter und alles menschliche Verschwand wieder aus seinem Gesicht. Ich schluckte schwer, dann lächelte ich ihn an und nickte. Als er wieder verschwunden war zischte Rose: »Niemand wird diese Therapie machen. Alle werden ihren Schmerz in sich hinein fressen. Auch du Luna... hab ich Recht?« Ich zuckte die Schultern. Ich würde ganz bestimmt nicht zu den G-Männern gehen und sie bitten mich bei einem viel zu freundlichen Therapeuten anzumelden. Ich wischte mir die Tränen aus den Augenwinkeln und schüttelte dann den Kopf. »Es geht schon«, erklärte ich und lächelte. Ich wusste, dass sie es mir nicht abkauften aber es war besser, als wenn sie vor Sorge starben. Ich hatte schon genug Menschen verloren. »Wie wäre es wenn wir alle zusammen einen Film gucken?«, schlug Emma vor. Rose nickte und schlug vor: »Querius« »Bloß nicht. Der Film ist sterbenslangweilig.«, stöhnte Donald. »Aber da spielt Gwen Trius mit«, protestierte Rose und funkelte Donald an. »Ich bin für Nebenan mit Mariy«, meinte Donald.« Ich musste schlucken. Den Film hatte ich mit Mara geguckt. »Bitte nicht. Ich habe genug Blut für mein Leben gesehen.«, bat ich. »Ja, ein Horrorfilm ist wirklich nicht das richtige«, lachte Emma. »Ich bin für Aktion. Wie wäre es mit Zeros letzter Sprung« Ich nickte. »Das klingt gut.« Auch Rose und Donald schienen mit Emmas Vorschlag einverstanden. Also tippte Donald auf seinem Sessel umher, bis eine Fläche an der Wand vor uns erschien. Eine Minute später tauchten wir in das komische Leben von Zero und seinen Freunden ab.

Chroniken der Magie - LunaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt