Kapitel Neunundzwanzig: Rechnung, Quittung, Spielzug

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Es war Samstagabend und ich hatte nichts vor. Irgendwie ungewöhnlich seit der Sache mit dem Wettbewerb. Aber nach dem Streit zwischen Dean und Elliot war es klar, dass die Treffen an den Wochenenden nicht mehr stattfinden würden. Nun saß ich also alleine auf der Couch im Wohnzimmer mit einer Schüssel Obstsalat auf dem Schoß und guckte Fernsehen. Ich genoss die Ruhe und freute mich auf einen ruhigen Abend.
Mein Handy piepste und zeigte mir seinen niedrigen Akkustatus an. Es war mir egal. Den ganzen Tag über hatte sich niemand gemeldet und ich ging nicht davon aus, dass es noch jemand tun würde.
Zumindest dachte ich das, bis mein Handy erneut klingelte. Diesmal war es eine eingehende Nachricht.

Gameboy:
Hi Mabs, Bock gleich mit uns was trinken zu gehen?

Ich sah auf die Uhr und schrieb ihm dann eine Antwort.

Mabel:
Wann denn und wo?

Gameboy:
Ich komm dich in 'ner Stunde abholen, wir gehen ins Papertown.

Mabel:
Ok, bis gleich.

Jetzt war Eile geboten. Ich musste duschen, entscheiden, was ich anzog, und mich schminken.

Unter der Dusche tauchte eine Frage in meinem Kopf auf.

Seit wann wollte Elliot freiwillig etwas mit mir unternehmen?

Diese Frage ließ mich nicht mehr los. Während ich mich fertig machte, dachte ich darüber nach, wie ich Elliot am besten danach fragte.
In Gedanken versunken stand ich in Unterwäsche vor meinem Kleiderschrank und wählte einzelne Kleidungsstücke aus.
Ein Klingeln riss mich aus meinen Gedanken. Es kam von der Haustür. Vollkommen überfordert und gehetzt riss ich meinen Bademantel von seinem Haken und zog ihn über. Damit rannte ich in den Flur nach unten und öffnete die Haustüre.

"Heiß." Elliot musterte mich von oben bis unten.

"Du hast gesagt in einer Stunde, das war keine Stunde!" Schnauzte ich ihn an. Er drängte sich an mir vorbei und schloss die Haustür.

"Ich wusste, dass ich dich nur nochmal in Unterwäsche sehen würde, wenn ich ein wenig früher käme." Ein wenig. Er war mindestens eine halbe Stunde zu früh!
Jetzt war mir auch klar, dass das ein weiterer Schachzug seinerseits war. Und er war echt gut.

"Du bleibst hier unten." Bestimmte ich und verschwand nach oben.

In meinem Zimmer entschied ich mich schnell für ein Outfit und öffnete den Bademantel, um ihn wieder auszuziehen. Ich ließ ihn achtlos auf den Boden fallen und griff nach dem Oberteil, was ich ausgesucht hatte.

"Oah, Mabel, warum musste es unbedingt diese Unterwäsche sein?" Stöhnte jemand hinter mir. Ich ließ einen kurzen Schrei verlauten und drehte mich zur Tür, wo Elliot stand und den Blick auf meinen Körper geheftet hatte.

"Was an 》du bleibst hier unten《 hast du nicht verstanden?!" Fauchte ich, immer noch ein bisschen verschreckt.

"Ach komm schon, Mabs, da gibt es nichts, was ich nicht schon gesehen hab." Ich sah ihn finster an und musste mich schwer zurückhalten ihn nicht zu beschimpfen.
Blöder Penner.
Elliot kam mit einem anzüglichen Grinsen im Gesicht auf mich zu und zog mich an sich.

"Wollen wir nicht erst noch etwas hier bleiben?" Seine Stimme hatte einen heiseren Ton angenommen. Ich genoss seine Hände auf meiner Haut und die Wärme, die er ausstrahlte. Seine Finger malten kleine Kreise auf meinem Rücken und lösten damit eine leichte Gänsehaut auf meinen Armen aus. Elliot beugte sich zu mir und schien mich küssen zu wollen, aber ich machte ihm einen Strich durch die Rechnung.

Ich stieß ihn von mir. "Du spinnst ja wohl. Wir haben keine Zeit! Glaub nicht, dass ich deine Freunde warten lasse." Elliot setzte sich mit genervtem Gesichtsausdruck auf mein Bett.

"Na schön" Ich grinste und begann mich anzuziehen. Jetzt war es mir egal, dass er mir dabei zusah. Ich hatte Elliot den Rücken zugedreht, aber ich wusste trotzdem, wo er hinsah.

"Die Teile stehen dir" Kam es zufrieden von ihm und bestätigte so meinen Verdacht. Um ihn zu ärgern, bückte ich mich und hob das heruntergefallene Oberteil auf.

"Ich weiß, was du vor hast." Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn unschuldig an.

"Was denn?"

"Du versuchst das Spiel so zu gewinnen. Aber das funktioniert nicht. Viel zu einfach." Elliot grinste triumphierend, während ich mich verärgert weiter anzog. Diesmal ohne weitere geplante Unterbrechungen.

Fertig angezogen und geschminkt, fischte ich eine Kette von meinem Schreibtisch und ließ sie in meine Tasche gleiten. Elliot war schon unten und wartete dort auf mich, sodass er nichts davon mitbekam. Diesmal würde mein Spielzug seinen quittieren.

Vor dem Papertown wartete bereits eine Gruppe von fünf Leuten auf uns. Sie bestand aus drei Mädchen und zwei Jungs, die ich alle nicht kannte.
Elliot zog eines der Mädchen aus der Gruppe. Sie lächelte mich freundlich an.

"Mabs, das ist meine Schwester Lillian." Stellte er sie vor.
"Hi, ich bin Mabel."

"Freut mich."

Der Rest der Truppe stellte sich ebenfalls vor und dann gingen wir ins Papertown. Als wir am Tisch saßen holte ich die Kette hervor und bat Elliot sie mir anzulegen. Sie bestand aus einem zarten goldenen Band und einem kleinen diamantenen Stein. Allerdings war dieser Stein aus Plastik und die Kette aus irgendeinem Laden.
"Seit wann hast du denn diese Kette?" Fragte er, während er mir besagtes Schmuckstück um den Hals legte.

"Och, die hab ich mal geschenkt bekommen." Antwortete ich daraufhin.

"Von wem?"

Das war mein Stichwort. "Von einem Freund, kennst du nicht." Erklärte ich und strich meine Haare nach vorne, als er fertig war. Elliots Miene verfinsterte sich.

"Wer ist der Typ und wieso schenkt er dir so teure Ketten?" Fragte er grimmig. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen.

"Bist du etwa eifersüchtig?" Elliot sah ertappt aus.
Nun schaltete sich auch Lillian ein.

"Elliot, die Kette ist Modeschmuck und kostet vielleicht vier Euro."

"Wieso schenkt dir ein Typ eine Kette?" Bohrte Elliot ungerührt nach und ignorierte somit die Aussage seiner Schwester.

"Was interessiert es dich? Mir kann doch wohl jeder etwas schenken, der will." Antwortete ich achselzuckend.

"Nicht, wenn es sich um einen Typen und um eine Kette und um dich handelt!" Das war mein Sieg.
Ich schlang meine Arme um ihn und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

"Ich hab sie mir selbst gekauft. Diese Runde geht an mich."

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