Kapitel Einunddreißig: Der Morgen danach

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Ich wurde nicht davon geweckt, dass Elliot mich wachküsste oder sein Arm mich so eng umschlungen hielt, dass mir warm wurde.
Nein, ich würde von seinem Schnarchen geweckt und konnte deswegen nicht mehr weiter schlafen. Zudem drückte meine Blase, ich versuchte also möglichst leise aus dem Bett zu kriechen, um ihn nicht zu wecken.

Nachdem ich vom Badezimmer wieder kam, legte ich mich wieder zu Elliot ins Bett und betrachtete sein schlafendes Gesicht. Er lag vollkommen ruhig da, er hätte fast kindliche Gesichtszüge. Ich empfand so viel Sympathie für diesen Jungen, dass ich nicht widerstehen konnte, ihm mit den Fingerspitzen über die Wange zu streichen. Entgegen meiner Erwartung bemerkte er es im Schlaf und schmiegte sich an meine Hand.
"Mabs" Murmelte er und kuschelte sich an mich. Wohlige Wärme durchrieselte meinen Körper und ich schloss die Augen. Diesmal lullte mich sein Schnarchen ein und ich schlief langsam wieder ein.

***

"Ich muss nach Hause, Elliot." Wir saßen beim Frühstück, das Lillian zubereitet hatte.
"Nee" Widersprach er zum wiederholten Male. Ich verdrehte die Augen und biss in mein Brötchen.
"Meine Eltern sind wahrscheinlich eh schon misstrauisch, wo ich bleibe. Außerdem haben wir nichts vor, warum sollte ich also hier bleiben?"
"Natürlich haben wir was vor. Wir packen uns 'nen Proviant, setzen uns in mein Auto und fahren irgendwohin." Elliot nahm sich mehrere Brötchen aus dem Brotkorb und begann sie zu schmieren, ohne auf meine Antwort zu warten.
"Das klingt super." Mischte sich Lillian ein. Ich funkelte sie böse an, weil sie sich auf Elliots Seite schlug.
"Fährst du mit?" Fragte ich sie und sah sie flehend an. Lillian schien zu überlegen.
"Ich würde ja gerne..." Meinte sie. Elliot, der hinter mir stand, entfuhr ein überraschter Laut. Der Blick seiner Schwester wanderte von ihm zu mir.
"...aber ich bin schon mit Jonathan verabredet. Sorry." Sie lächelte entschuldigend. Ein Seufzer entwich mir. "Na schön. Aber ich muss duschen und mir was anderes anziehen!" Zurzeit saß ich nämlich noch in Elliots T-Shirt am Tisch. 

"Ich geb dir ein T-Shirt von mir und du ziehst einfach deine Jeans nochmal an." Schlug Elliot vor. Ich nickte und stand vom Tisch auf. 

"Dann geh ich mal duschen." Verkündete ich und brachte meinen Teller in die Küche. 

 "Kann ich mitkommen?" Fragte Elliot mit einem schelmischen Grinsen. "Überrasch mich." Antwortete ich kokett und verschwand lächelnd nach oben. 

***

Der Tag war herrlich. Mit heruntergelassenen Scheiben fuhren wir der Sonne entgegen, hörten laute Musik, es war so, wie man sich den perfekten Roadtrip vorstellte. Elliot zeigte mir Orte, die ich noch nie gesehen hatte und wenn wir Hunger bekamen, aßen wir etwas von unserem Proviant. Wir redeten über Gott und die Welt, verloren aber kein Wort über den Streit von ihm und Dean. Ich dachte nicht an Ariana und ihre Probleme, vergaß meine Eltern und auch das, was gestern Abend geschehen war. Er brachte mich dazu, den Moment zu genießen. 

"Ich will nicht nach Hause." Seufzte Elliot, als wir an einem See in der Sonne lagen. Wir gingen nicht schwimmen, dazu war es viel zu kalt, obwohl er  Lust dazu hatte. Aber ich wollte nicht krank werden und wir hatten keine Sachen dabei. 

"Morgen ist Schule." Stellte ich fest.  

"Stimmungskillerin." Wir lachten. Er drehte sich auf die Seite und sah mich an. Ich öffnete nur ein Auge, um ihn zu sehen, weil die Sonne mich blendete. 

"Ich hätte nie gedacht, dass wir beide mal so viel Zeit miteinander verbringen würden." Sagte ich nachdenklich. 

"Du hast mir nie wirklich 'ne Chance gegeben." Erwiderte Elliot. Ich schnaubte. "Wie sollte ich denn? Du hängst mit meiner Ex-besten Freundin rum, und wenn wir uns gesehen haben, hast du mich beleidigt." Dass ich fett bin, eingebildet und so weiter und so fort, zum Beispiel. Aber das schien er entweder vergessen zu haben oder zu verdrängen. 

"Du warst auch nicht netter." 

"Wie gesagt, du hängst mit Pamela rum und von Typen, die öffentlich mit verschiedenen Mädchen rummachen, halte ich generell nicht so viel." 

"Du hast mich in 'ne Schublade geschoben!" Beschwerte er sich. Ich kicherte. 

"Gar nicht." Elliot rückte an mich heran und beugte sich zu mir herunter. "Lachst du mich grad aus?" 

"Neeee" Antwortete ich gedehnt, immer noch grinsend. Das war mein Untergang. 

Er begann mich zu kitzeln. Normalerweise war ich nicht sonderlich kitzelig, aber bei Elliot komischerweise schon. Ich wand mich unter seinen Händen, versuchte ihn abzuwehren, aber es funktionierte nicht. 

"Elliot, bitte!" Flehte ich atemlos und versuchte weiterhin seine Hände von mir wegzuschieben und ihn ebenfalls zu kitzeln. Natürlich war er überhaupt nicht kitzelig. Mein Glück mal wieder. 

"Nur wenn du sagst, dass ich toll bin und ich einen Kuss kriege." Elliot saß nun auf mir. Ich schnappte nach Luft und erholte mich langsam von der Attacke. 

"Hm, lass mich mal überlegen." Ich tat so, als würde ich nachdenken, dabei war mir die Antwort schon klar. Und er hatte auch nicht die Absicht, mir eine Wahl zu lassen. 

Unsere Lippen berührten sich, seine Hand strich unter meinem -eigentlich seinem- T-Shirt über meine Haut und das gewohnte Prickeln kam wieder zurück.

Damit war der Tag perfekt.

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