61. Gezwungenes Zusammentreffen

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Pov Lukas

Als Basti mir die Nachricht schrieb, dass Anissa schon seit einer Woche tot sei und er nun zu Anouk fahre, blieb mir fast mein Herz stehen. Wie konnten wir es nur eine Woche nicht mitbekommen, dass sie allein war und somit jeden Tag die Möglichkeit hatte, diesen zu ihrem Letzten zu machen.
Was, wenn sie schon seit einer Woche tot in der Wohnung lag? Was, wenn sie es gar nicht nach Berlin geschafft hatte?
Ich versuchte so schnell es ging diese schrecklichen Vorstellungen zu verdrängen, doch das bewirkte nur, dass sich andere quälende Bilder in meinen Kopf schoben. Es waren die schönen Erinnerungen an sie. Unsere erste Begegnung, die erste Berührung, der erste Kuss, die weiteren Begegnungen, die weiteren Berührungen, die weiteren Küsse. Was, wenn ich das alles nie wieder erleben könnte?
Ich merkte jetzt, mehr als jemals zuvor, wie sehr ich sie brauchte und vor allem ... liebte. Ja - ich liebte sie. Ich liebte sie bedingungslos und über alle Maßen und ich wäre am Boden zerstört, wenn ich beide Schwestern zu Grabe tragen müsste.

Nervös zitternd saß ich auf meinem Bett und starrte auf den Fußboden vor mir. Plötzlich traten zwei Füße ins Bild, die niemand anderem als Timi gehörten. Er bewegt sich immer weiter auf mich zu und setzte sich schließlich neben mich.
"Alles okay, Luki?"
"Nein." sagte ich kopfschüttelnd.
"Brauchst du irgendwie so etwas, wie eine Schulter zum ausheulen?"
"Warum ging es Anouk so schlecht, als sie dich - ähm - mich angerufen hat?"
"Wenn es dir schon so schlecht geht, willst du dann nicht gleich noch über Holly reden?"
"Sag verdammt nochmal über was ihr geredet habt!" Ich packte ihn an den Schultern und schaute ihm energisch in die Augen.
"Sie meinte, sie hat Angst um ihre Schwester und dann haben wir über dich, Holly und eure eine Nacht geredet."
"Was?!"
"Ja und ich glaube du solltest da etwas wissen ..."
Auf einmal klingelte mein Handy. Es war Basti. "Wir reden später weiter! Hallo Basti?"
"Jo Lukas. Ich kann nicht lange reden, sonst fällt auf, dass ich nicht nur die Tankfüllung bezahle. Bin auf dem Weg zu dir. Mach bitte, dass du nicht allzu abschreckend aussiehst." Und schon legte er wieder auf.
Was war das jetzt? Hieß das, dass Anouk noch lebte? Mein Handy glitt mir aus der Hand und klatschte unsanft auf den Boden.
Timi hob es auf und reichte es mir. "Ich denke mal, dass es besser ist, wenn ich nun ein bisschen verschwinde oder?"
"Keine Ahnung." antwortete ich nur, wobei ich nur laut JA schreien wollte.
Timi verstand mich jedoch, nickte, boxte mir freundschaftlich auf die Schulter und ließ mich allein.
Panisch begann ich den Brief zu suchen.

Kurz nachdem ich ihn zwischen zwei dicken Lexika fand, die ihn vor dem Zerknicken schützen sollten, klopfte es schon an der Tür. Wobei Klopfen ein wenig untertrieben war, denn es schien so, als würde die Tür jeden Moment aus ihren Angeln gerissen oder entzwei brechen.
Mit bebender Stimme rief ich ein "Ist offen" , da ich es einfach nicht schaffte selbst zu öffnen, um die Gute oder Schlechte Nachricht in Empfang zu nehmen.

So öffnete Basti die Tür, blieb ihm Türrahmen stehen, schubste Anouk förmlich in den Raum, schnappte sich den Schlüssel, der noch innen steckte, ging wieder in den Flur und schloss ab. "Ihr kommt da erst wieder raus, wenn alles ... geklärt ist ... oder sowas." rief er durch die Tür und stapfte laut davon.

Wir standen uns eine Weile gegenüber, ohne dass jemand etwas sagte oder es wagte den anderen richtig anzusehen. Bis ich es dann doch schaffte das Wort zu ergreifen und ihr schließlich den hoffentlich lebensrettenden Brief zu reichen.
Kurz berührten sich unsere Hände und es war so, als würde anstelle meines Herzens ein ganzes Feuerwerk in die Luft gehen. Erschrocken trafen sich unsere Blicke und erst dann erschrak ich wirklich...

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