94. Close your eyes

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Pov Anouk

"Costa?", rief ich, "Costa, wo bist du?" Wie eine Irre lief ich durch jedes Zimmer und versuchte dabei nicht wieder gleich anzufangen zu weinen.
Wo war er bloß? Meine Angst, dass er zurück zu sich nach Hause gefahren war, wuchs von Schritt zu Schritt immer mehr.
Aus Verzweiflung schaute ich sogar in die Vorratskammer, schämte mich jedoch für mich selbst, dass ich ihn darin überhaupt vermutet hatte.

Nach der Vorratskammer gab ich auf. Meine Hände zitternden und es pochte schmerzhaft gegen meine Schläfen. Ich brauchte frische Luft.
Etwas hoffnungsvoll, dass sein Wagen vielleicht noch auf der Straße stand, schlurfte ich zur Haustür und öffnete sie.

Mein Herz machte einen Satz, als ich Costa, auf der untersten Stufe stehend und angespannt eine Zigarette rauchend, sah. Auch wenn ich fror, ging ich leise die Treppe zu ihm hinab und legte vorsichtig eine Hand auf seine Schulter.
Er zuckte zusammen und ließ dabei fast seine Zigarette fallen. Schnell nahm ich meine Hand zurück und schaute schuldbewusst zu Boden.

In Schweigen gehüllt rauchte er weiter und schaute mich dabei nicht ein einziges mal an. Ich hatte es verdient, denn ich hatte ihn belogen und das nicht nur einmal.
Ich fühlte mich so schlecht, dass ich nun hoffte, er würde einfach seine Zigarette wegwerfen und verschwinden.

Mit beiden Händen über meinen Bauch fahrend, schloss ich meine Augen und betete er würde weg sein, wenn ich sie wieder öffnete.

"Warum hast du es mir nicht einfach verraten?"
Als ich seine Stimme hörte, zuckte ich zusammen.
Ohne die Augen zu öffnen, antwortete ich.
Vielleicht war ja doch alles nur ein schlechter Traum und ich war Lukas nie begegnet, oder hatte nie meine Schwester verloren und dadurch Costa kennen gelernt, oder war nie schwanger geworden. "Ich weiß nicht. Ich hatte Angst."
"Ach Quatsch, du weißt es ganz genau."
"Nicht mal er weiß von dem Kind, wieso hätte ich es also dir sagen sollen?" sagte ich weiterhin monoton.
"Nicht mal er weiß es? Wie bitte? Wieso nicht? Kannst du es mir nicht einfach erklären? Hör auf zu schweigen und öffne deine Augen! Du machst mir nämlich jetzt Angst."
Ruckartig tat ich das worum er mich gebeten hatte und starrte ihn direkt an. "Nein, er weiß es nicht, weil ich feige bin und er geblendet ist von seiner Exfreundin. Verlässt du mich jetzt?"
"Liebst du ihn?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Ich weiß es nicht, ich glaube nicht mehr."
"Liebst du mich?"
Zaghaft nickte ich, obwohl ich mir da noch unsicherer war, als eben bei der Frage über meine Gefühle gegenüber Lukas.
"Wenn du dir sicher bist, dass du mich und nicht ihn willst, dann bleibe ich. Sonst packe ich meine Sachen und gehe jetzt."
Mit brüchiger Stimme bat ich ihn: "Geh nicht."

Zwei Stunden später lagen wir gemeinsam auf dem Sofa und redeten über das, was bis heute noch geheim geblieben war.
Hätte ich mich nicht übergeben müssen, hätten wir uns auch schon gleich nachdem wir rein gegangen waren unterhalten, doch das wurde eben nichts.

Meine Laune war nicht mehr ganz so schlecht und ich hoffte auch nicht mehr, dass er ging, also forderte ich ihn mit einem zaghaften, fast schon schüchternen Lächeln auf: "Na los, dann frag was du wissen willst. Ich werde so viel beantworten, wie es geht und die Bewahrung ihrer Privatsphäre zulässt."
"Na gut."
Schweigen.
"Costa?"
"Ja, lass mich überlegen."
"Okay."
"Kennst du sie alle?"
"Ja."
"Wie bist du an sie ran gekommen?"
"Sebastian ist seit Jahren ein Freund von mir. Wir haben uns in der Schule kennen gelernt."
"Und Lukas?"
"Zufall."
"Hmm."
"Noch was?"
"Wie lange wart ihr zusammen?"
"Nie. Zumindest nicht offiziell."
"Oh."
"Ja."
"Kennst du noch andere Rapper?"
"Bestimmt. Aber ich mache mir aus ihrem Beruf nichts. Für mich sind es Menschen, wie alle anderen auch."
"Okay. Kannst du mir sie mal vorstellen?"
"Sie werden nicht begeistert sein, aber ich kann gucken, was ich machen kann."

So ging das Gespräch immer weiter. Gebannt hing er an meinen Lippen und lauschte jedem Wort über mich und seine Lieblingsband und schien von Minute zu Minute begeisterter, dass ausgerechnet ich so viel mit ihnen zu tun hatte und von einem von ihnen auch noch ein Kind erwartete.
Er versprach mir den Mund zu halten, egal was passierte und egal bei wem er war. Außerdem versicherte er mir auch die Sache mit Lukas zu überstehen und keine allzu große Sache aus seinem Beruf zu machen.
Dass ich niemals vor hatte Lukas jetzt noch etwas zu erzählen, sagte ich ihm nicht.
Ich war mir vorerst sicher, war das Kind erstmal da, würde Lukas nie wieder im privaten Bereich ein Thema sein.
Dieser utopische Gedanke hielt jedoch solange an, bis Costa einen Satz vor sich hin murmelte, der mich aufhorchen ließ.
"Am besten wäre es doch, wenn sie es ihm kurz nach seinem Geburtstag sagt, der ja in ein paar Tagen ist. Ich kann nicht zulassen, dass das Kind ohne leiblichen Vater aufwächst..."

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