46. Vom Drecks-Freund zum Ex-Freund

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PoV Anouk

"Doch. Ich kann das sonst nicht verantworten. Noch einmal will ich dich nicht verlieren, Nouki." Beharrte der Mann, in dessen Armen ich immer noch lag. Nouki ? Kann es sein? Es gab nur einen Menschen, der mich jemals so genannt hatte ...

"Ra...Raphael?" stammelte ich ungläubig. Konnte das wirklich sein? Nach all den Jahren? Um genau zu sein: 9 Jahren?
"Schön dass du meinen Namen noch kennst."
"Niemand außer dir hat mich jemals Noukie genannt, da war die Trefferquote recht hoch." So langsam wurde ich klarer im Kopf und konnte auch wieder einigermaßen sehen.
Raphael war immer noch so gut aussehend, wenn nicht sogar noch hübscher, wie damals. Seine braunen Haare waren perfekt gestylt und natürlich war es ein - wie es ja gerade angesagt war - Sidecut. Er trug außerdem jetzt einen Drei-Tage-Bart, der ihm äußerst gut stand.
"Ach ja, dann hab ich nichts gesagt. Ah - da kommen auch schon die Sanitäter."
"Ich brauch die nicht, mir geht's schon viel besser. Hab mich eben nur überanstrengt."

Sowohl meine Proteste, als auch mein Flehen und mein Betteln brachten nichts - diese fremden Männer in Sanitätskleidung untersuchten mich, stellten - wie zu erwarten gewesen war - nichts lebensbedrohliches fest und schwirrten dann wieder ab.
Natürlich wurden meine Tattoos, Narben und restlichen Wunden noch kritisch beäugt, aber das war mir dann auch egal.
Die ganze Situation war mir sowieso viel zu befremdlich, als das ich mir über so etwas banales hätte Gedanken machen können.

"Gehst du jetzt wieder Heim oder kann ich dich noch irgendwohin begleiten?" fragte Raphael und setzte sich zu mir auf die Bank, wo ich von den Männern aus dem Krankenwagen zurück gelassen wurde. Er berührte mich und sofort rutschte ich zum Ende der Bank hin. Nein - Berührungen waren immer noch nicht mein Ding.
"Weiß nicht. Eigentlich nicht. Will eigentlich allein sein." antwortete ich wahrheitsgemäß.
"Na gut, dann gebe ich dir noch meine Karte mit, da steht meine Nummer und so etwas drauf. Ruf einfach an, wenn du etwas brauchst." Obwohl ich gehofft hatte, dass mein Wegrücken ein klares Zeichen gewesen war, gab er mir noch einen Kuss auf die Wange, zwinkerte und ging dann, natürlich nicht ohne sich noch einmal zu mir umzudrehen. Leicht angewidert schüttelte ich mich.
Auch jetzt bereute ich es nicht damals mit Basti, anstatt mit ihm geschlafen zu haben.

Wie gesagt - Raphael war zwar attraktiv und mittlerweile ein recht adretter Mann geworden, jedoch war er einfach nicht der Richtige. Er kam nicht ansatzweise an Lukas heran, noch war ich bereit erneut irgendwelche Gefühle an diesen Kerl zu verschwenden mit dem Risiko, dass ich vermutlich wieder mit Basti im Bett - oder im Schlafsack - landen würde oder so etwas. Zudem war die Wunde, die Lukas hinterlassen hatte noch viel, viel zu frisch.
Sowieso wunderte es mich gerade, das mein Ex, obwohl ich ihn vor etwa 9 Jahren mit meinem besten Freund betrogen hatte, noch mit mir redete - und vor allem - mir half, wenn ich mitten auf der Straße zusammenbrach.

Nun starrte ich die Karte in meiner Hand an. Eine typische Visitenkarte. Wenig liebevoll gestaltet, um es genau zu sagen eher spießig gemacht.

Raphael Beck
Immobilienmakler
Telefon: ....
Handy: ....
E-Mail: ....
Fax: ....

Interessant. Ich verdrehte die Augen. Der Job passte wirklich zu ihm - schon früher konnte er Menschen Dinge schön reden und aufschwätzen, die sie weder brauchten, noch haben wollten.
Zuhälter oder Banker hätte bestimmt auch gepasst.
Ich erschrak vor mir selbst - Was war nur mit mir geschehen?

Ich hatte mich gänzlich verändert, war nicht mehr die, die ich während oder gar vor dem Beginn meiner Depressionen gewesen war.
Lukas hatte einen neuen Menschen aus mir gemacht. Ob das nun positiv zu sehen war, wagte ich zu bezweifeln. Oh Gott, Lukas...
Ich musste dringend nach Hause zu Anissa. Weinen.

Ich: Kannst du mich bitte abholen? Lukas ist Geschichte.

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