82. Ein guter Mann trinkt nicht

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Pov Anouk

"Hey! Lukas ... was ... was machst du hier?" stammelte ich verunsichert.
"Zufällig wohne ich seit heute hier." antwortete er sarkastisch und wartete danach definitiv auf die Frage, was er von dem Gerede wohl mitbekommen hatte. Das hätte mich schon misstrauisch machen sollen.
Dennoch presste ich widerwillig die Worte aus meinem Mund. "Sehr witzig. Was ... hast du ... was hast du von dem eben mitbekommen?"
"Das mit Holly, dass das mit Timi nichts war und dass du Steven grad ziemlich zur Sau gemacht hast mit deiner Tür-auftreten-Aktion."
"Mehr nicht?"
"Nein. Gab es etwa noch mehr?"
"Nein." sagte ich schmerzerfüllt und kurz davor wieder zu heulen. "Und jetzt?"
"Mit Timi war wirklich nichts und das, was du davor gesagt hast, stimmt auch?"
Ich nickte während ich stumm zu Boden schaute.
"Ich weiß nicht ob ich dir glauben soll, meine Gefühle machen mich blind, deswegen kann das nicht so weitergehen. Du verheimlichst doch irgendwas vor mir, das merke ich oder denkst du ich bin dumm? Ich habe dir gesagt, dass es okay ist, wenn wir kleinere, unwichtige Geheimnisse voreinander haben und uns nicht alles erzählen - wir sind ja nicht zusammen - aber langsam habe ich das Gefühl, dass dein Geheimnis gar nicht so klein ist und dass jeder außer mir davon weiß. Einerseits kotzt mich das ziemlich an und andererseits beginnt es mir gerade egal zu werden. Genau wie das eben mit Tim. Die ersten paar Minuten hat es sich so angefühlt als würde es mich zerreißen, aber jetzt? Jetzt bin ich dem gegenüber recht gleichgültig, es wäre mir komplett egal wenn du was mit ihm oder einem anderen Kerl hättest. Und apropos Sex - gehört dir vielleicht der rosafarbene String dort drin? Und was ist eigentlich mit Basti? Ihr Weiber seid doch eh alle gleich! Wenn man euch lässt, dann fickt ihr euch durch die ganze Band. Und ich bin echt drauf reingefallen! Warum liebe ich immer die falschen Frauen? Hörst du das? ICH LIEBE DICH VERDAMMT! Und du?" Je mehr er redete, desto mehr konnte man seine Alkoholfahne riechen. Sie war wirklich extrem stark, trotzdem taten seine Worte weh. Unbeschreiblich weh. Aber wie viel hatte er bitte getrunken? Es stank echt erbärmlich und erst jetzt bemerkte ich die fast leere Wodkaflasche in seiner linken Hand. "Du liebst mich doch nie im Leben. Kannst du überhaupt noch lieben?"

Dann brach es aus mir heraus und die mir so bekannten Tränen begannen zu fließen. "Was redest du da Lukas? Ich würde niemals ... bist du bescheuert? Wie viel hast du in der kurzen Zeit in dich hineingekippt?!"
"Zu wenig, um das hier ertragen zu können."
"Ach ja? Was denn ertragen? HM?! Sind etwa deine Eltern im Auto elendig verreckt, ist deine Schwester etwa ebenfalls nicht mal eine Stunde, nachdem du sie alleine gelassen hast, gestorben? Hast du jemals mit Depressionen und Selbstverletzung und einem scheiß Arschloch zu kämpfen gehabt, das immer nur an sich selbst und seine noch viel beschissenere Ex-Freundin denkt, die er auch noch geschwängert hat?! Ja. Respekt. Du hast ja so viel zu ertragen!"

Während wir uns so anschrien fragte ich mich warum das auf einmal so eskaliert war. Ich hatte ihm doch versichert, dass nichts war - oder hatte er etwa doch mitbekommen, dass ich schwanger war und regte sich nun darüber auf?

Dann tat er etwas, was man als Racheakt für vorvorgestern hätte sehen könne. "Du solltest gehen." Er schickte mich weg.
"Ja das sollte ich - und zwar für immer. Ruf mich nicht an, schreib mich nicht an, denk nicht mal an mich. Aber danke, dass du endlich mal ehrlich zu mir warst und deine eklig-kitschige-Romanzen-Maske abgelegt hast und mir dein hässliches, ehrliches Gesicht gezeigt hast. Arschloch."
Kopfschüttelnd stieß ich ihn weg und lief los.
"Nein, warte! ANOUK!" hörte ich ihn noch schreien und daraufhin eine Flasche auf dem Boden zerbrechen, doch es war zu spät. Ich rannte so schnell ich konnte aus dem Haus und nahm dabei keine Rücksicht auf Verluste. Was auch immer meinen Weg kreuzte wurde gnadenlos zur Seite gestoßen oder umgeworfen. Ich hasste mich. Ich hasste ihn. Ich hasste Holly und alle anderen Menschen, die mit ihm zu tun hatten.

Doch schließlich kam es, wie es kommen musste. Kurz bevor ich an dem Auto meiner Schwester ankam, stolperte ich und sah den Boden auf mich zurasen. Ich kniff meine Augen zusammen und wartete auf den jeden Moment eintretenden Schmerz, auf den unangenehm blutende Wunden auf meinem Körper folgen würden. Aber der Schmerz blieb aus, denn jemand packte mich an den Schultern und riss mich hoch. Ich klammerte mich an meinen Retter und wimmerte weinend seine Schulter voll: "W..was ... ha..hab ... ich ... i...ihm ... geta...getan?"
Er seufzte tief und gestand mir:"Ich glaube, das ist meine Schuld."

Save meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt