92. Geschichte wiederholt sich

257 18 15
                                    

Pov Lukas

Ich hatte eine Nacht drüber geschlafen und war genauso unschlüssig über die Sache wie gestern schon.
Ein Teil von mir hatte sich wieder in Holly verliebt - oder nie wirklich die Gefühle verloren - und ihr für das was sie getan hatte verziehen, ein anderer Teil liebte jedoch Anouk, hasste Holly für ihre Taten und wollte das hübsche Mädchen auf keinen Fall aus meinem Herzen ausschließen.

Verzweifelt seufzte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
"Du musst dich noch nicht heute entscheiden. Ich sehe ja, dass es nicht geholfen hat eine Nacht drüber zu schlafen." sagte Holly verständnisvoll, dachte aber keineswegs darüber nach von mir wegzurücken, im Gegenteil, sie rückte noch näher zu mir und legte sogar einen Arm um mich. Aus Verzweiflung lehnte ich mich in ihren Arm und legte meinen Kopf, statt in meine Hände, auf ihrer Schulter nieder. Nur mit Mühe schaffte ich es, nicht anzufangen ein paar Tränen zu vergießen. So hätte ich ihr nur ein Argument gegen die Versöhnung mit Anouk gegeben und die Genugtuung gönnte ich Holly nicht.

"Wir müssten von vorne beginnen. Da hilft einfach kein Schlaf." meinte ich etwas giftig, nachdem ich mich gefangen hatte.
Sie stammelte:"J-Ja ich weiß."
"Gut, denn was du getan hast, lässt sich auch nicht so schnell vergessen. Wir haben auch noch nicht darüber geredet warum du mir, warum du uns das angetan hast. War ich dir nicht gut genug? Du hast doch immer so gern mit mir angegeben! Hast du das bei ihm auch gemacht? Oh ja Baby wusstest du, dass ich gerade den großen Krokodeal hintergehe und er es nicht checkt? Gott verdammt, Holly, was war nur los mit dir? Oder was ist los mit dir? Wenn wir es noch einmal versuchen, kann ich mir überhaupt sicher sein, dass es nicht noch einmal passiert? Ich glaube dir auch nicht ganz, dass das Kind nur von mir sein kann. Ich will, wenn es da ist, einen Vaterschaftstest! Das mit uns ist sowieso endgültig vergessen, wenn es nicht..."
"ICH HABE ES VERLOREN, LUKAS!" schrie sie mich plötzlich an. "Ich war gestern beim Arzt, so wie du es von mir verlangt hast und er hat gesagt, dass ich es gestern verloren habe, als meine Blutung ohne Grund auf einmal eingesetzt hat. Also mach dir keine Gedanken ob es deins war oder nicht. Es ist tot. Zufrieden?"
Ich musste schwer schlucken und mein Magen verkrampfte sich.
"Holly, ich ... es." Planlos stammelte ich einzelne Wörter und kam mir dabei so schlecht vor, schlechter als bei unserer Trennung. "D-Das wusste ... das wusste ich ja nicht. T-t-tut mir leid, ich hätte nicht so..."
Wieder unterbrach sie mich. "Schon okay. Wirklich. Vielleicht sollten wir das doch lassen, es hat einfach keinen Sinn. Du wirst mich nie wieder so ansehen wie früher und irgendwann werde ich damit klarkommen. Jetzt geh besser und komm nie wieder." Sie fing an bitterlich zu weinen. Verständlich.
"Nein! Das kannst du doch gar nicht wissen! Ich war eben etwas unsensibel, aber das musste ich mal sein, immerhin hast du mir damals sehr weh getan. Aber jetzt schick mich nicht weg - probieren wir lieber in kleinen Schritten den Neuanfang."
Holly hob ihren Kopf und schniefte. "Wirklich?"
"Ja. Ich bin für dich da, vor allem jetzt. Es wäre unverantwortlich dich allein zu lassen mit all' den nun kommenden Problemen."
"Danke."
"Ich denke das beste wäre es, wenn du ein paar Therapiestunden hinter dich bringst."
"Denke ich auch, hilfst du mir auch dabei?"
"Natürlich."
"Ich ... bin dir so unendlich dankbar." Sie lehnte sich noch näher an mich, presste sich schon förmlich an mich und ich ließ es zu.

Auf einmal wurde es still im Raum. Totenstill. Man hörte uns nicht einmal atmen. Ich spürte nur meinen Herzschlag, der immer schneller zu werden schien, denn die Stille machte einer Spannung Platz, die wie elektrisierend wirkte.
Mein Atem wurde flacher und ich bemerkte im Augenwinkel, dass Holly mich eindringlich ansah. Langsam drehte ich meinen Kopf zu ihr und lehnte mich leicht vor. Auch sie kam mir näher, so nah, dass sich unsere Lippen fast berührten.
Zögerlich legte sich ihre Hand in meinen Nacken und da schaltete sich mein Verstand wieder ein.

"Stopp. Wir sind beide total aufgewühlt. Du hast gerade dein Baby verloren und es wäre falsch das jetzt zu tun."
Stille und Spannung zerbrachen augenblicklich und ich war erleichtert, im Gegensatz zu Holly.
"Du gehst jetzt schon wieder oder?" fragte sie mit bebender Stimme.
"Nein, ich werde heute hier schlafen, aber auf dem Sofa. Wenn was ist kannst du mich gerne aufwecken."
Sie verstand den Wink und stand auf. Nachdem wir Gute Nacht gesagt hatten, schaltete ich das Licht aus und schaute auf mein Handy.

Ich entsperrte meinen Bildschirm und öffnete meine Galerie, wo ich mir Fotos von Anouk ansah. Beziehungsweise ein Foto. Es war nur ein einziges. Sie hatte es mir geschickt, als ich tagelang durch das Land gereist und sie sehr vermisst hatte. Sie lächelte darauf und augenblicklich wurde mir kotzübel. Nicht wegen ihrem Lächeln, es war unbeschreiblich magisch wie immer, sondern, weil mir klar wurde, dass es falsch war. Es war künstlich. Nicht echt. Das nur, weil sie allein war.
Das war wohl das erste Mal, dass ich meinen Beruf und das, was aus mir geworden war, hasste.

Ich schloss meine Augen und stellte mir vor bei ihr zu sein. Nicht hier. Niemals wieder hier.

Save meWo Geschichten leben. Entdecke jetzt