77. Ein schräger Zufall

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PoV Anouk

"Tut mir leid, dass ich so lange nicht hier war, aber ich hab versucht mein Leben in den Griff zu bekommen. - Bin leider größtenteils gescheitert. Aber weißt du, dass ich wirklich, wirklich, wirklich schwanger bin und dass es dem kleinen Ding in mir gut geht? Ich bin schon irgendwie froh, dass es lebt und ich mich so entschieden habe.
Hoffentlich wird es ein Mädchen, dann bekommt es nämlich deinen Namen als Zweitnamen und dann kann ich ihr immer erzählen, was für ein wundervoller Mensch du warst. Natürlich werde ich euch alle nicht vergessen - Mama, Papa, Dich. Niemals werdet ihr drei vergessen, dafür werde ich sorgen, denn egal was es wird, es wird sich ein Leben lang Geschichten über euch anhören können und müssen. Ich vermisse euch.
Mit Lukas scheint es nichts zu werden, zu mindestens habe ich ihn gestern rausgeworfen ... auf Zeit. Ich weiß nicht wie ich reagieren soll, wenn er wiederkommt. Du fehlst hier so sehr. Du wüsstest garantiert was ich tun soll. Hier läuft alles noch weniger grade, seitdem du weg bist." Ein tiefer Seufzer entfuhr mir und ich drückte meine Beine noch mehr an meinen Körper und rückte noch ein Stück näher an das Grab. "Nicht mal mit Basti kann ich mehr darüber reden. Er würde nur ausrasten und mir - im Gegensatz zum letzten Mal - sein geliebtes 'Ich hab's dir doch gesagt' um die Ohren klatschen. Aber du weißt sicherlich, dass ich mit wem reden muss, der nichts mit Campsite oder Lukas zu tun hat. Und ich kann doch nicht für immer mit einem Grab reden. Was soll ich tun? Mich mit jemand anderem ablenken? Raphaels Nummer im Internet heraussuchen? Aber Ex bleibt Ex richtig?
Und wäre das nicht etwas unfair?
Ich sollte mir, glaube ich, eine Arbeit suchen, die meinen ganzen Tag in Anspruch nimmt und ich somit keine Zeit mehr habe nachzudenken oder irgendwen zu treffen. Oder würde das dem Baby schaden, wenn ich dann dort zu viel Stress habe? Nimmt mich überhaupt jemand, wenn ich schwanger bin?
HILF MIR!
Bitte ... wenn du da oben im Himmel bist und mich hören kannst ... sag doch mal Gott, dass er mir mal ein verdammtes Zeichen schicken soll, das mir zeigt was ich..." Just in dem Moment vibrierte mein Handy. Ich zuckte vor Schreck zusammen und zwar richtig.

Costa: Hallo schöne Frau! Geht es dir gut? Mache mich Sorgen, du hast dich gar nicht mehr gemeldet. Geht es dir nicht gut? Oder willst du einfach nichts mit mir zu tun haben?

"Costa? Ist das dein Ernst, Gott? COSTA? Da hatte ich aber etwas theatralischeres erwartet. Eine brennende Ziege oder sowas." Seine Nachricht pushte meine Laune ziemlich in die Höhe und ich kicherte sogar kurz über meinen eigenen schlechten und blasphemischen Witz.

Ich: Hey Costa. Mir geht es im Moment tatsächlich nicht so gut und nein, ich will dich nicht loswerden oder sowas. Hatte einfach nur viel um die Ohren die letzte Zeit und viel Stress.

Costa: Habe noch ein paar Tage Urlaub. Wenn du möchtest, kann ich mal vorbei kommen oder ich hole dich her. Dann kannst du mir alles in Ruhe erzählen und vielleicht kann ich dir ja helfen. Dass ich für dich da bin habe ich damals ernst gemeint.

Das war jetzt echt gruselig. Ich bat um Hilfe und Rat von außen und bekam sie offensichtlich sofort. Grinsend, aber dennoch über alle Maßen verwirrt und sogar verängstigt, starrte ich den Chat an.
Obwohl Costa eine gute Lösung war, war es weder möglich, dass ich zu ihm kam, noch dass er zu mir kam. Zwar nur für die nächsten drei oder vier Tage, aber ich brauchte eben jetzt wen zum Reden - denn auf die Dauer nur mit den Grab meiner Schwester und Eltern zu sprechen war selbst mir auf die Dauer etwas zu psycho.

Ich: Habe noch die nächsten paar Tage lang Besuch bei mir Zuhause und ich glaube es ist ein wenig eigenartig, wenn andauernd Herrenbesuch bei mir ist.

Costa: Oh das wusste ich nicht. Aber kann dir dein Freund dann nicht helfen?

Ich: Er ist nicht mein Freund. Er ist vielleicht nunmehr EIN Freund, der nur vorübergehend bei mir wohnt bis er in seine Wohnung einziehen kann.

Costa: Dann sehe ich da eigentlich kein Problem, solange du ein Sofa für mich hast.

Ich: Ich müsste mit ihm reden, weil es da so gewisse Umstände gibt, was seinen Beruf angeht. Am besten kommst du erst, wenn er weg ist. Ich will auch nicht, dass ihr euch wegen irgendwas an die Gurgel geht.

Costa: Alles klar :) also in drei Tagen?

Ich: In drei Tagen ;)

Nun kam ich mir wie eine länger zu buchende Nutte vor. Eine kostenlose, schwangere, länger zu buchende Wohnungs-Nutte.

Mit knacksenden Gliedern erhob ich mich aus dem Kies, der als Weg für die Gräber diente, und machte mich auf den Heimweg.

Es war wie ein schlechtes Déjà-vu als Lukas - wieder mit aufgezogener Kapuze - vor meiner Haustür saß und auf mich wartete.

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