Kapitel 38

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Die Hochzeit fing genauso an wie ich es erwartet hatte: alle verspäteten sich. Selbst der Priester kam wegen der blockierten Straße zu spät.

Obwohl die Hochzeit nur eine Show war, da mein Vater weder kirchlich veranlagt war, noch das seine erste Hochzeit war, hatte seine Verlobte darauf bestanden. Sie träumte seit ihrer Kindheit von so einer Hochzeit, und mein Vater konnte ihr ja diesen Traum kaum ausschlagen.

Also verschob sich das ganze Spektakel um eine ganze Stunde. Mit jeder Minute wurde ich nervöser. Heute war nämlich auch der Tag, an dem wir bei YG Entertainment unsere Single aufnehmen durften. Und das durfte ich auf gar keinen Fall verpassen. Jiyong hatte das sogar so arrangiert, dass es der späteste Termin war, den das Tonstudio hergeben konnte. Aus Rücksicht vor meinem Vater.

Je länger ich wartete, desto länger wurden die Minuten.

"Wann fängt das endlich an?", flüsterte ich Jihoo neben mir zu. Er trug einen weißen Anzug, der perfekt geschneidert war, aber Jihoo hatte schon früher sehr viele solcher Anzüge getragen. Als erster Sohn von unseren in der Öffentlichkeit anerkannten Vater, hat er als Kind oft in der Öffentlichkeit gestanden. Er und seine Mutter waren bei Eröffnungen von neuen Gebäuden, spezielle Kunstausstellungen und weiteres von solchen Schnösel-Zeug dabei gewesen. Was ich von Jihoo wusste, war, dass es damals ein Skandal gewesen war, dass er und Jihoo's Mutter sich getrennt hatten und dass er kurz darauf eine Neue und Jüngere hatte; nämlich meine Mutter. Jihoo und seine Mutter konnten trotz der Scheidung der beiden weiterhin in der Villa wohnen, aber das "Luxus-Leben" mit Champagner in der Öffentlichkeit und in der Society zu sein, war für Jihoo aus. Ob mein Leben sich auch so entwickelt hatte? Mein Vater hat zwar meine Mutter des öfteren zu Veranstaltungen mitgenommen, aber ich blieb zuhause. Wie ich später erfahren hatte, wäre das ein noch größerer Skandal gewesen, wenn herausgekommen wäre, dass er noch ein Kind von diesem jungen Ding aka. meine Mutter bekommen hätte.

"Relax. Es wird sich nur noch um Tage handeln", sagte er und lächelte hämisch. Das machte er absichtlich. Er wusste, dass ich unter Zeitdruck stand. "Oh, so nebenbei; ich mag deinen Anzug. Du siehst plötzlich so... elegant aus."

"Ach, sei doch leise", sagte ich, aber er hatte Recht. Ich sah sehr elegant und vor allem sehr gut aus. Mein Anzug war auch weiß und die Umrandungen, die bei Jihoo silber waren, waren auf meinem Anzug gold.

"Er ist da!", rief jemand. Ich glaube das war der Fotograf. Und er musste den Priester meinen. Jetzt konnte das alles endlich anfangen. Ich spürte eine kleine Erleichterung in mir.

Jihoo und ich standen bereits auf der Seite des Altares, neben unseren Vater, bereit die Rollen der Trauzeugen zu übernehmen.

Obwohl ich mir das alles länger vorgestellt hatte, dauerte die gesamte Trauung eine halbe Stunde.

Es gab Kuchen und Sekt und alles, was man sich vorstellen konnte. Es war wahrhaftig eine Traumhochzeit.

Plötzlich räusperte sich eine Frau neben mir. Ich drehte mich um und erkannte meine Großmutter. Sie war auch hier?

"Hallo, Großmutter", sagte ich und verbeugte mich.

"Seunghyun, dass du wirklich gekommen bist, wundert mich", gab sie von sich. Ihr Blick war urteilend und sie wirkte eingebildet.

"Es ist immerhin die Hochzeit von Vater", sagte ich und versuchte trotzdem zu lächeln.

Ich hasste diese Frau. Mein Vater war gegen sie ein Engel. Sie liebte Jihoo von Herzen, aber so sehr sie ihn liebte, umso mehr hasste sie mich. In ihren Augen war Jihoo der würdige Enkelsohn, der "die ganze Familie in neuen Glanz erscheinen ließ". Zumindest hatte ich das einmal von ihren Lippen gehört. Und ich war das schwarze Schaf.

"Ich verstehe sowieso nicht, warum dich mein Sohn so mag. Du bist doch nichts weiter als ein Nichtsnutz!", sagte sie und trank von ihrem Sektglas.

Ohne ein weiteres Wort ging ich weg. Sie krächzte etwas hinter mir her, wie "Bleib stehen, Bengel!" oder "Ich rede mit dir!", aber das war mir egal.

"Ah, verstehst du dich wieder gut mit Großmutter?", fragte mich Jihoo, als ich mich zu ihm stand.

"Ja, ich habe sie sehr vermisst", sagte ich sarkastisch.

Nach ein paar Minuten ging ich zu dem frisch vermählten Brautpaar.

"Herzlichen Glückwunsch euch zwei!", sagte ich und wünschte es von Herzen.

"Danke, Seunghyun! Musst du schon gehen?", fragte meine neue Stiefmutter.

Ich nickte. Es war Zeit.

Mein Vater gab ihr einen Kuss und brachte mich zu meinem Motorrad.

"Danke für alles", sagte er.

"Hab ich doch gerne gemacht", sagte ich und in diesem Moment konnte ich nicht anders als ihn zu umarmen. Obwohl er ein alter Stinkstiefel war, war er dennoch mein Vater.

"So, hast du denn auch alles, was du brauchst? Möchtest du dich noch schnell umziehen?", fragte er als ich noch in meinem Anzug auf dem Motorrad saß und mir den Helm aufsetzte.

"Mach dir keine Sorgen", sagte ich schließlich.

"Okay", machte er. "Wenn du Torte oder etwas anders willst, melde dich und ich lass es dir zukommen."

"Dad, es geht mir gut und ich habe alles was ich brauche. Versprochen. Aber ich melde mich", sagte ich und war kurz davor loszufahren, aber eine griesgrämige, ältere Dame kam gerade.

"Du verlässt einfach die Hochzeit deines eigenen Vaters?!", kreischte meine Großmutter.

Ich verdrehte die Augen. Auch das noch.

"Lass ihn in Ruhe, Mutter", sagte mein Vater sanft und versuchte sie zu beruhigen.

"Nein! Er ist so ein verzogener Bengel und hat keinen Respekt vor dir! Dass du ihn eingeladen hast, war sowieso verwunderlich!"

"Weißt du was, Oma?", sagte ich und startete den Motor. "Leck. Mich."

Damit fuhr ich weg. Auf dem Weg nach draußen, sah ich kurz noch Jihoo, der mir applaudierte und einen Daumen hoch zeigte. Hatte er unsere Konversation etwa gehört?

Auf der Fahrt vergaß ich diese Sorgen und spürte den Wind, die Geschwindigkeit. Doch plötzlich kam das Stechen im Arm zurück. Ich konnte nur hoffen, dass die Naht von gestern nicht aufplatzte.

Nach einer guten Stunde war ich endlich dort. Ich sprintete zur Eingangstür und wurde auch reingelassen. Ein Mann von dem Tonstudio zeigte mir, wo sich der Aufnahmeraum befand.

Vollkommen glücklich und voller Adrenalin stürmte ich in den besagten Raum. In den leeren Raum.

Ich war zu spät.

Der FalscheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt