Kapitel 2

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"So, jetzt wäre alles erledigt", sagte die Sekretärin. Sie hatte für eine Arbeit von fünf Minuten beinahe eine ganze Stunde gebraucht. "So und hier ist dein Stundenplan. Deine erste Stunde ist im Bio-Saal. Der befindet sich unten. Gehe die Treppen runter und dann gleich links."

Sie lächelte mich an.

"Ähh.. Danke", sagte ich und nahm den Zettel entgegen, den sie mir hinstreckte. Ich drehte mich um und verließ das Sekretariat. Raum 00 078. Das würde ich doch hoffentlich finden.

Ich ging im Schneckentempo die Treppen herunter. Ich wollte nicht in diese Klasse gehen. Ich wollte nicht der Neue sein.

Und da musste ich an meine Mutter denken. Ich machte es für sie. Ich würde mich anstrengen und einen gutbezahlten Job finden und mich um sie sorgen. Außerdem würde sie sich freuen, wenn ich ihr mitteilen würde, dass mein erster Schultag gut verlaufen würde.

Ende der Treppe. Dann links.

Ein offener Raum mit sechs Türen - zwei an jeder Wand - befand sich nun für mich. Ich ging zur ersten und betrachtete das Schild. Raum 00 075. Ich ging drei Türen weiter und dort befand sich der Raum. Dort befand sich die Klasse. Meine Klasse.

Ich atmete einmal tief aus und öffnete die Tür. Wie erwartet starrten mich alle an. Selbst die Lehrkraft.

"Wie kann ich dir helfen", fragte die ältere Frau, die vor der Klasse gerade etwas präsentierte.

"Ich bin der neue Schüler", sagte ich und warf einen Blick auf den Stundenplan von der Sekretärin. Zu meinem Glück stand der Name der Frau und der Gegenstand auf dem Zettel. Biologie - wie erwartet - mit Frau Knosp.

"Ah, ja genau", sagte sie und lächelte mich an. "Dann stelle dich bitte einmal der Klasse vor."

Ich trat in den Raum und schloss die Tür hinter mir. Meinen Blick ließ ich durch die Klasse schweifen und überzeugte mich, dass noch immer alle Blicke auf mich gerichtet waren.

"Ähm, hi."

Das fing ja gut an. Ja, mach dich am ersten Tag zum Deppen.

"Freut mich euch kennen zu lernen."

Schleimer.

"Mein Name ist Seunghyun."

Getuschel.

Alle fingen an sich miteinander zu unterhalten. Im Flüsterton. Nicht gut. Sie lästerten höchstwahrscheinlich. Ich hasste es jetzt schon hier.

"Gut, Seunghyun, setz dich bitte", sagte Frau Knosp und wies mich zu einem Tisch. Der wahrlich einzige leere Platz... neben einem Mädchen! Das konnte nur Glück sein. Wenigstens versuchten gerade allmächtige Kräfte oben im Himmel meinen Tag zu verschönern.

Aber von einem schöneren Tag blieb keine Spur. Das Mädchen, Kiko, wie sich herausstellte, würdigte mich keinen Blickes und versuchte mich auch nicht zu helfen, als ich sie fragte was das derzeitige Thema war oder was die Aufgabenstellung bedeutete.

Jetzt war es offiziell. Ich hasste diesen Tag.

Es läutete und Kiko sprang regelrecht von ihrem Platz auf und war schon aus der Klasse gestürmt, als ich aufstand und meine Sachen zusammenpackte. Ich warf einen Blick auf den Stundenplan. Nächste Stunde: Geografie.

"Hey, das war wohl ein Pech mit Kiko", sagte jemand und ich drehte mich um. Vor mir stand ein zirka gleichgroßer Junge, wie ich. Er hatte eine komische Frisur, die seine Augen verdeckte, sah aber sehr freundlich und offen aus.

"Was meinst du?", fragte ich misstrauisch.

"Oh", sagte er und hielt seine Hände vor seinen Oberkörper. Er sah aus, als wäre er in ein Fettnäpfchen getreten. "Ich meine nicht das Abblitzen deiner Anmachversuche", er lachte, "sondern, dass du neben ihr gesessen bist. Sie redet nicht viel und wenn, dann nur mit ihren Freunden... und Freund."

War es so offensichtlich, dass ich sie hübsch gefunden hatte? Hübsch, aber unsympathisch. Das hatte ich in den ersten zehn Minuten festgestellt.

"Ähm-", setzte ich an, doch ich wurde von ihm unterbrochen.

"Oh!", sagte er wieder, hielt seine Hände erneut ergebend vor seinen Oberkörper und hatte sein Fettnäpfchen-Gesicht aufgesetzt. "Ich habe mich noch garnicht vorgestellt", sagte er und klopfte sich auf den Kopf. "Ich bin Daesung."


Der FalscheWo Geschichten leben. Entdecke jetzt