36. Kapitel

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"Ok, Schüler ! Hört zu!", rief Herr Klotz über das ganze Gemurmel hinweg. Damit ergriff er unsere Aufmerksamkeit.

"Ich weiß, dass es noch früh ist, aber da es heute Mittag regnen soll, machen wir es eben jetzt."

Er sah sich in unserer Runde der Schüler um, als würde er versuchen zu erkennen, ob alle da sind.

"Heute müsst ihr ein Drei-Bein-Lauf machen !"

Was ? "Sind wir Grundschulkinder?"Ihr seht, dass ich es schon oft gesagt habe. Ich fragte leise, aber laut genug dass es alle hörten.

Alle, Herr Klotz auch, starrten mich an. Was gucken sie denn alle so? Ich habe niemanden umgebracht, nur etwas ausgesprochen was alle denken.

"Entschuldigung.", sagte ich, obwohl ich es so meinte.

"Nein, es ist ok. Das war auch meine erste Reaktion, aber ich kann da leider nichts dran ändern.", erklärte unser Lehrer. Gut, dass es er war. Jeder andere Lehrer würde eine Rede halten; wieso ich es nicht hätte sagen sollen.

"Was sie nicht wissen, wird sie wohl kaum kümmern.", kommentierte ein blondes Mädchen. Wo sie recht hatte, hatte sie recht. Wenn sie es nicht erfahren, würden sie sich nicht aufregen können.

"So wenig ich den Spielverderber spielen will, ich bin immer noch ein Lehrer. ", das war wohl Antwort genug, da alle wieder ruhig wurden. Auch wenn Herr Klotz manchmal selbst noch wie ein Schüler wirkt, haben fast alle großen Respekt vor ihm.

"Nun zum Drei-Bein-Lauf. Nur falls einige nicht wissen was es ist: Euch werden jeweils eins eurer Beine mit dem eures Partners am Knöchel zusammen gebunden. Sodass ihr immer zusammenlaufen müsst. Ihr kriegt wieder Karten und müsst bestimmte Gegenstände finden. Diese Gegenstände sind auf der Karte aufgeschrieben. Sie haben nichts mit dem Lauf zu tun, sie sind nur dazu da, dass ihr wisst, dass ihr richtig lauft.Diese Strecke ist ein Stück länger als der Weg von gestern."

**

Nachdem alles erklärt wurde, haben wir meinen rechten Knöchel an Noahs linken gebunden. Wir bekamen eine Karte, die ich sofort nahm. Ich würde Noah nicht anvertrauen, wo wir lang gehen. Ich wollte den Weg nicht unnötig lang ziehen.

Aber Noah war wohl anderer Meinung. Er nahm mir die Karte aus der Hand und sah sie sich an. Als ich sie wieder wegnehmen wollte, streckte er seinen Arm nur nach oben. Da er sowieso schon einen Kopf größer war, kam ich natürlich nicht dran.

"Noah, das ist nicht witzig. Die anderen sind schon alle weg. Wir sind die letzten!", sagte ich. Alle, sogar die Aufsichtspersonen waren weg und wir standen noch hier. Ich wollte ihm wieder die Karte wegnehmen, aber er reagierte schnell und hob seinen Arm. Ich streckte mich etwas, um es nochmal zu versuchen, hatte aber irgendwie vergessen, dass wir an den Knöcheln zusammengebunden waren. Dadurch verlor ich- verloren wir- das Gleichgewicht und fielen. Man müsste jetzt eigentlich denken, dass ich auf Noah gefallen bin, aber nein! Ich bin mit dem Rücken auf den Boden gefallen und Noah halb neben, halb auf mich. Mein Rücken tat kurz weh, aber der Schmerz verschwand schnell. Noah stützte sich mit einem Ellbogen ab und sah mich an. Wir waren wirklich nah, da wir noch zusammengebunden waren. Seine grünen Augen starrten in meine blauen. Was wohl gerade in seinen Kopf vorging ? Es war so schwer zu erkennen, was er gerade dachte. Im Gegensatz zu ihm war ich wie ein offenes Buch. Leider.

Ich merkte, dass ich während des Denkens die ganze Zeit auf Noahs Lippen gesehen hatte. Seine pinken, vollen Lippen. Saphira!!

Aber dann tat er etwas unerwartetes. Er gab mir einen kleinen spielerischen Kuss auf die Wange. Gerade war mir noch kalt, aber danach wurde mir sofort warm. Ein Kribeln breitete sich in mir aus. Dieses komische, undefinierbare Gefühl hatte ich in letzter Zeit oft.

My brothers new friend ?!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt