Kapitel 3

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-Julie-

Ich starre sie an und kann es nicht fassen. Mom hat die ganze Zeit nie etwas zu mir gesagt, ich dachte der Kontakt zwischen ihnen, zwischen uns wäre abgebrochen aber so wie es aussieht haben sie mir etwas verheimlicht.

Ich schlucke und senke den Blick. „Okay und ... wie oft? Ich meine wie oft sprecht ihr miteinander?", frage ich und sehe wieder zu meiner Tante. Auch sie richtet ihren Blick wieder auf mich und mustert mich eingehend. Ihre Fingern umklammern ihren Oberarm und sie wirkt traurig.

„Hast du vor erstmal hier zu bleiben?", fragt sie mich, anstatt mir eine Antwort auf meine Frage zu geben. Sie weicht mir geschickt aus.

Ich nicke sehe aber an ihr vorbei. Ich muss daran denken, dass meine Mom bestimmt den Zettel von mir schon lange gefunden hat. Sie sitzt alleine in diesem Haus und keiner ist mehr für sie da. Nicht mal mehr ich, aber sie hat mich vertrieben. So wie alle anderen dort auch. „Ich wusste nicht wohin. Ich ... ich wollte einfach nur weg." Meine Stimme bricht und ich spüre die Tränen, die meine Augen füllen. Ein Kloß bildet sich in meinen Hals und es schmerzt plötzlich. Ich fühle mich schlecht, weil ich sie einfach alleine gelassen habe. Wie konnte ich ihr das nur antun, sie gerade jetzt alleine zu lassen.

Tante Rosie kommt einen Schritt auf mich zu und schlingt ihre schlanken Arne um mich. Sie drücken mich fest an sich und ich lege meine zittrigen Hände auf ihren Rücken. Sanft streichelt sie meinen. Ich beginne am ganzen Körper zu zittern, aber die wärmenden Hände von meiner Tante beruhigen mich. Ich bin nicht mehr alleine, versuche ich mir ins Gedächtnis zu rufen. 

„Ich bin froh, dass du hier bist.",höre ich ihre ruhige Stimme neben meinem Ohr. Ich schließe meine Augen und lasse die Worte auf mich wirken.

Langsam löse ich mich wieder von ihr. Ich schniefe und wische mir die Tränen von den Wangen. „War es falsch, sie alleine zu lassen?", frage ich sie und suche ihren Blick. Meine Tante seufzt und schüttelt den Kopf.

„Nein, Julie. Vielleicht ist es für sie der Auslöser, endlich ihr Leben in die Hand zu nehmen und nach vorne zu sehen. Vielleicht sieht sie jetzt ein, dass es so nicht weiter gehen kann."

Sie hat Recht. Vielleicht kapiert meine Mom endlich, was sie ihr selbst antut, und was sie mir antut. Vielleicht sieht sie es endlich ein.

Ich überkreuze meine Arme und sehe auf den Boden vor mir. „Ich will nicht zurück. Ich will diesen Ort nie mehr wieder sehen.", flüstere ich, aber meine Tante hört jedes Wort davon. Ich spüre ihre Blicke auf mir, also sehe ich sie an. Ihre Lippen sind aufeinander gepresst und ich erkenne Mitleid in Ihren Gesicht. Sie bemitleidet mich.

„Du bleibst erst mal bei mir. Du ruhst dich jetzt aus, legst dich ins Bett und versuchst zu schlafen. Danach reden wir wie es weitergehen soll.", sagt sie und kommt auf mich zu. Sie nimmt meine Tasche und verschwindet im Flur. Ich folge ihr, wische mir immer noch die Tränen weg und laufe ebenfalls in den Flur.

„Du kannst Trishs altes Zimmer haben. Es ist leer, all ihre Sachen sind weg. Du kannst dich ruhig ausbreiten, wenn du möchtest.", erklärt sie mir, während ich ihr über die Treppe hinauf folge. Plötzlich ist ihr mitleid, ihre Trauer wie weggebkasen und ich habe den Eindruck, sie freut sich. Ist sie glücklich, dass ich jetzt bei ihr bin? Sie biegt rechts ab und wir gehen einen Gang entlang. Links und rechts reihen sich weiße Türen, die vorletzte auf der linken Seite wird von Tante Rosie geöffnet. Ich trete hinter ihr in das Zimmer und lasse meinen Blick durch den Raum schweifen. Das Sonnennlicht lässt den Raum freundlich und warum wirken und viel größer als er tatsächlich ist. An der rechten Wand  steht ein Bett mit weißen Kissen in Hülle und Fülle. Links ein weißer Schrank mit silberne Griffe. Und genau vor mir ein Fenster, dass mir einen Ausblick auf das Meer gibt. Es ist gigantisch. Von der Decke bis zum Boden mit Glas und der Ausblick ist einfach nur herrlich.

SAVE ME (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt