Kapitel 45

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R i l e y

Die Häuser ziehen an mir vorbei aber ich starre bloß ins Leere. Meine Schultern fühlen sich schwer an und ich bin müde. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das Letzte mal so müde war.

Neben mir höre ich ein unruhiges Räuspern von meinem Dad. Wir sind auf den Weg nach Hause und kommen gerade von Mom aus dem Krankenhaus. Ich sehe im Augenwinkel wie er den Radio leiser dreht. Ich habe die Musik gar nicht wahrgenommen, aber jetzt ist es vollkommen leise im Auto. Ich sehe auf seine Finger, die krampfhaft das Lenkrad umfassen. Und dann fällt mir sein Ehering am Finger auf. Er ist Gold und ganz schlicht. Irgendwie überrascht es mich, dass er ihn trägt. Vielleicht sollte ich froh sein, den Ring am seinen Finger zu sehen.

„Wie geht es weiter, wenn sie aufwacht?", flüstere ich. Wieder habe ich das Bild von Mom vor mir. Wie sie in diesem Krankenbett liegt, wie sich ihre Brust nur ein paar Millimeter hebt und senkt, so, dass es fast nicht auffällt. Ich spüre immer noch ihre Hand, die schwer in meiner liegt und sich nicht bewegt. Fast leblos.

„Was meinst du?", fragt mein Dad und wirft mir einen kurzen Blick zu. Aber ich sehe stur geradeaus, weil ich es nicht ertragen würde sein Gesicht zu sehen.

„Wenn Mom aufwacht. Wie geht es mit euch beiden weiter? Lässt ihr euch scheiden?", wiederhole ich langsam und spüre, wie er sich neben mir anspannt.

„Riley, wie kommst du darauf? Warum sollten wir uns trennen?"

Ich kann ein widerliches Lächeln nicht unterdrücken und ich schüttle den Kopf. „Stell dich nicht dumm, Dad. Wir wissen beide, dass du mit deiner Sekretärin etwas am Laufen hast und das schon eine ganze Weile. Schon vor dem Unfall. Also frage ich dich jetzt ganz ernst, was du Mom sagen willst, wenn sie aufwacht? Mom ist nicht dumm, sie wird es bald merken.", füge ich noch hinzu. Ich wage nun doch einen Blick zu ihm, weil ich seinen Ausdruck im Gesicht sehen will. Ich will wissen ob er sich schämt oder irgendetwas wie Traurigkeit empfindet. Aber ich starre ihn an und ich sehe nichts. Er presst seine Lippen aufeinander, während er in unsere Auffahrt beigt und den Motor abstellt. Dad lässt seine Schultern hängen und blickt kurz auf seine Hände hinab. Es ist als müsste er überlegen was tun wird, als würde zum ersten mal darüber nachdenken.

„Ich habe nicht vor, mich von deiner Mutter zu trennen.", sagt er schließlich und sieht nun auf das Garagentor vor uns.

„Okay und wirst du ihr von deiner Affäre erzählen?", frage ich. Immer noch haftet mein ernster Blick auf seinem Gesicht, obwohl ich ihn nicht ansehen will. Als er nichts von sich gibt, rede ich weiter. „Wenn du es nicht tust, werde ich es machen."

Im nächsten Moment schießt sein Kopf zu mir und seine Augen funkeln mich wuterfüllt an. „Wage es ja nicht, das zu tun, Riley. Ich warne dich, du hast schon genug Unheil in diese Familie gebracht. Das würde alles nur noch verschlimmern. Es ist so schon schwierig genug, also halte deine verdammte Klappe. Ich warne dich, mein Sohn"

Wir starren uns an und ich verspüre so etwas wie einen Stich in der Brust. Als würde jemand hinter mir stehen und mir ein Messer in den Rücken rammen.

Aber nun hatte er endlich genug Mut dazu, es mir auch zu sagen. Die ganze Zeit hat er mich spüren lassen, dass ich schuld an diesem Unfall bin. Ich habe ihn gereizt und ihm ist der Kragen geplatzt, aber jetzt weiß ich es endlich. Er hat es mir gerade deutlich genug gesagt, dass ich schuld bin, das Mom um ihr Leben kämpft.

Ich presse meine Lippen aufeinander und nicke, während ich den Blick von ihm wende. Langsam greifen meine Hände neben mich und ich schnalle mich ab. Sie zittern.

„Endlich konntest du es mir ins Gesicht sagen, dass ich an dem ganzen Schwachsinn schuld bin. Aber keine Sorge, Dad. Ich verschwinde von hier. Dann musst du nicht mehr jeden Tag mein Gesicht sehen.", sage ich und steige hastig aus diesem Auto aus. Ich habe die ganze Zeit im Auto den Atem angehalten, erst jetzt schnappe ich nach Luft. Ich stürme ins Haus, laufe die Treppe hoch. Im Hintergrund höre ich noch, wie mir mein Dad nachruft. Aber ich beachte ihn nicht. Ich reiße die Türe zu meinem Zimmer auf und hole mir eine Tasche aus dem Schrank. Eilig und völlig wütend beginne ich Klamotten aus meinem Schrank zu nehmen und stopfe sie in die Tasche. Als ich kurz innehalte, merke wie sehr meine Hände immer noch zittern. Aber schnell balle ich sie zu Fäusten und mache weiter.

Im Augenwinkelt bemerke ich wie Dad im Türrahmen auftaucht. „Was machst du da?"

„Siehst du doch.", schreie ich und stopfe noch meinen Laptop in die Tasche rein. Ich habe bloß ein paar Sachen wild reingeschmissen, den Rest hole ich mir wenn er nicht zuhause ist. Jetzt im Moment, will ich nur so schnell wie möglich weg von hier.

„Pack sofort wieder aus. Du bliebst hier, Riley.", sagt er schroff. Ich halte meine Tasche in den Händen und sehe zu ihm. Erhobenen Hauptes steht er im Türrahmen, die Hände vor der Brust verschränkt und sieht mich streng an. Auf seiner Stirn haben sich tiefe Falten gebildet und seine Lippen sind zu einer schmalen harten Linie zusammengepresst.

Ich gehe auf ihn zu und halte seinem Blick stand. „Du kannst mich nicht aufhalten. Also lass mich einfach durch, bevor wir uns noch mehr Dinge an den Kopf werfen, die wir nie aussprechen sollten.", sage ich kontrolliert. Früher hatte ich Angst, wenn er wütend wurde, wenn ich Mist gebaut habe. Aber die Zeiten sind vorbei.

„Ich hoffe du weißt, was du tust, Riley.", sagt er ernst und tritt zurück. „Ich sage dir eins, diese Türe ist für die nächste Zeit für dich geschlossen."

Ich bleibe nochmal vor ihm stehen und erwidere seinen Blick. „Gut. Ich habe nicht vor so schnell wieder hier aufzukreuzen. Ich habe keine Lust mehr jeden Tag deinen Blick auf mir zu spüren, wie du mich jeden Tag ansiehst und du mich immer mehr verabscheust.", sage ich und mache einen Schritt an ihm vorbei. „Und gratuliere Dad, jetzt hast du deine beiden Kinder aus dem Haus vergrault. Ich wette, das schaffen nicht so viele hier."

„Blaire ist wegen ihrem Beruf gegangen.", schreit er mich nach, als ich mich ein paar Schritte von ihm entfernt habe. Aber ich drehe mich hastig zu ihm um.

„Nein, Dad. Sie ist deshalb gegangen, weil sie es hier hasste. Diese ganzen Leute um uns herum, die reden und sich wegen allem das Maul zerreißen. Und sie ist wegen dir gegangen, weil sich es nicht ertragen konnte wie du sie immer zu angesehen hast. Sie hat gemerkt wie enttäuscht du von ihr bist, weil sie solche Entscheidungen getroffen hat." Kurz halte ich noch seinen Blick stand, aber als er nichts mehr von sich gibt, wende ich mich ab.

Ich eile die Treppe hinab. Im Vorbeigehen schnappe ich mir meine Autoschlüssel und verlasse das Haus. Als ich das Auto starte und das Haus hinter mir lasse, atme ich tief ein und aus. Ich spüre wie die Erleichterung meinen Körper durchfährt und wie ich mich mit jeden Meter Entfernung besser fühle. Ich bereue es kein bisschen, dass ich abgehauen bin.

Zehn Minuten später hat sich mein Körper beruhigt und ich zittere fast nicht mehr. Meine Hand zieht den Autoschlüssel ab und ich steige aus. Zäh schleppe ich meine Tasche aus dem Auto, hänge sie mir um die Schultern und gehe zu der Haustüre hoch.

Ich hoffe Matt ist zuhause. 

SAVE ME (Band 1)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt