Louis
Die Tür stieß innen auf einen Widerstand und ich kapierte erst, dass es ein anderer Junge war, als dieser einen Schritt zurückstolperte, weil er gerade in die Tür gerannt war, die ich versucht hatte zu öffnen.
»Oops«, sagte er mehr zu sich selbst. Dann sah er auf und als sein Blick mich traf, hellte sich sein Gesicht schlagartig auf. »Hi!«
Skeptisch betrachtete ich seine begeistert leuchtenden, grünen Augen und dann die wilden, braunen Locken.
Was war das denn für Einer?»Du bist mein neuer Mitbewohner, nicht wahr?«, begann er aufgeregt und zog mich am Handgelenk in das Zimmer. Sofort schüttelte ich seinen Griff ab, während er weiter redete. »Ich freue mich so, dass du da bist! Weißt du, ich habe mir immer so sehr einen Mitbewohner gewünscht und jetzt bist du da! Wow, wir werden uns wunderbar verstehen!« Tiefe Grübchen schmiegten sich in seine Wangen.
Ich befürchtete, dass er mir gleich um den Hals fallen würde und trat sicherheitshalber einen Schritt zurück.
Plötzlich riss er die Augen auf.»Ich bin Harry!« Er schien erst jetzt zu bemerken, dass ich zurückgetreten war und sah kurz verwirrt aus. Anscheinend hätte er mich jetzt wirklich umarmt. Weil ich aber Abstand gewonnen hatte, überlegte er kurz und hielt mir dann stattdessen lächelnd eine Hand hin.
Ich konnte ihn jetzt schon nicht leiden. Und das war mein Mitbewohner. Na toll.Ich nahm seine Hand nicht, sondern drehte mich einfach um. Stattdessen griff ich nach meinem Koffer, der neben der Tür stand, und betrachtete jetzt das Zimmer genauer.
Es sah ziemlich normal aus. An der Wand gegenüber der Tür war ein großes Fenster eingelassen, das leicht geöffnet war. In der hinteren linken Ecke stand ein Schreibtisch, der an die Ecke der Wand angepasst waren. Er war außergewöhnlich lang, zwei Stühle standen davor. Es war also ein großer Schreibtisch für zwei Leute. Hinten rechts und vorne rechts neben der Tür stand je ein Bett. Sie waren aus dem gleichen hellen Holz wie die Tür. Das hintere Bett am Fenster war offensichtlich schon genutzt. Das vordere würde also meins sein.
Zwischen den beiden Betten stand ohne Platzmangel ein runder Holztisch mit vier Stühlen herum.
In der Wand links von mir befand sich noch eine Tür. Sicherlich ein Bad.
Das Mobiliar war soweit okay. Ein wenig skeptisch betrachtete ich allerdings Harrys persönliche Einrichtung. Auf dem Schreibtisch standen zwei Vasen mit Blumen, eine frisch aussehende Kette aus bunten Blüten war wie eine Girlande an die Wand über dem Schreibtisch gehängt worden. Überall lagen Bücher, Stifte und Pinsel herum – auf dem runden Tisch, dem Schreib- und seinem Nachttisch. Auf eine seltsame Weise war das nicht unordentlich.
An den Wänden hingen vereinzelt Zeichnungen, das meiste sah aus wie irgendwelche Naturmotive – kein Wunder, wenn man hier lebte.Ich sah wieder zu Harry. Er stand noch immer perplex da, eine Hand zur Begrüßung ausgestreckt, aber nicht angenommen. Mein Blick schien ihn allerdings wieder aus seiner Starre zu reißen und er nahm die Hand runter und eine blasse Röte legte sich auf seine Wangen.
»Entschuldige, ich wollte nicht zu stürmisch sein. Tut mir leid.«, sagte er mit leiser Stimme und ging mit schüchternen Schritten zu seinem Bett. Er ließ sich darauf fallen und griff nach ein paar Sekunden nach einem Buch, das darauf lag.
Ich schüttelte genervt den Kopf und hob meinen Koffer auf mein Bett. Ich hatte ja eh nichts besseres zu tun, als meine Sachen auszupacken. Außerdem hatte ich Hunger, aber dagegen hätte ich im Moment nicht mehr tun können, als Harrys alberne Blümchen von der Wand zu knabbern. Und darauf war ich nicht allzu scharf.
Ich öffnete den Koffer und betrachtete die Kleiderstapel darin. Eindeutig von meiner Mutter gepackt. Hoffentlich hatte sie nicht nur hässliches, altes Zeug mitgenommen. Oder diese Spießerkleidung, die ich immer auf Geschäftsessen und so tragen musste - Hemden, Hosen mit Bügelfalten und dieser Kram.
Auf den ersten Blick sah der Kofferinhalt allerdings akzeptabel aus und ich nahm zwei Stapel heraus und drehte mich um.Erst jetzt fiel mir auf, dass es hier keinen Schrank gab. Ich stöhnte leise und drehte mich widerwillig zu Harry, der gegen die Wand gelehnt auf seinem Bett saß und las. Er sah irgendwie nicht ganz entspannt aus.
»Gibt es hier auch einen Schrank?«, fragte ich frustriert von Allem. Harry schmiss sofort das Buch weg und setzte sich begeistert gerade hin, als hätte er nur darauf gewartet, dass ich mit ihm rede.
»Ja, klar, dort!«, er zeigte auf die Tür in der Wand, die ich für eine Badtür gehalten hatte. Aber jetzt, wo er es sagte; die Tür hatte keine Klinke, nur einen kleinen Holzknauf und war auch etwas breiter als eine normale Tür.
Ich zog sie auf – wobei sie leise knarzte – und sah in einen in die Wand eingelassenen Kleiderschrank. In der Mitte verlief senkrecht eine Strebe, die ihn einmal teilte. Auf beiden Seiten waren mehrere Holzfächer und eine Bügelstange. Die linke Seite war komplett leer, die Rechte mit vielfältiger Kleidung gefüllt.»Wir teilen uns einen Kleiderschrank?!«
Gequält bemühte er sich, das Lächeln aufrecht zu erhalten. Er nickte.
»Ja, das ist doch nicht schli-«
Ich unterbrach ihn, indem ich wütend die beiden Kleiderstapel in meine Seite des Kleiderschranks schmiss. Er zog erschrocken die Luft ein, ich drehte mich genervt zu ihm.
»Was?!«, fuhr ich ihn an.Sein Lächeln fiel und zum ersten Mal wurde sein Gesichtsausdruck härter. Das war also die Kehrseite zu dem hypermotivierten Sonnenschein.
»Weißt du was, ich war nur nett zu dir und wollte wirklich, dass wir uns gut verstehen! Aber du – du hast mir noch nicht mal gesagt, wie du heißt! Die ganze Zeit bist du so genervt und blaffst mich einfach nur an! Ich brauche wirklich niemanden, der einfach nur seine schlechte Laune an mir auslässt!« Wut funkelte in seinen grünen Augen und er sah mich durchdringend an. Wahrscheinlich erwartete er jetzt eine Entschuldigung. Aber ganz ehrlich, die konnte er sich sonstwohin stecken.»Du bist einfach nur anstrengend, weißt du das? Und wenn ich dich so nerve, dann rede doch einfach nicht mit mir! Freak.«, zickte ich zurück und er drehte sich wortlos um und schmiss sich wütend auf sein Bett.
»Ich heiße übrigens Louis. Louis Tomlinson.«, fügte ich verächtlich hinzu und äffte seine begeisterte Art nach. Er ignorierte mich und ich drehte mich gereizt wieder zu meinem Koffer um, um ihn vollständig auszuräumen.Als ich alles in den Schrank eingeräumt hatte, schob ich den leeren Koffer unter mein Bett. Immer noch verärgert murmelte ich irgendetwas vor mich hin und trat mit dem Fuß gegen mein Bett.
»Könntest du damit aufhören? Ich versuche zu lesen.«, sagte Harry gereizt.
»Dann geh doch woanders hin mit deinem dämlichen Buch!«
»Nein, das hier ist nämlich auch mein Zimmer! Wenn du hier alles so schrecklich findest, dann geh doch wieder dahin zurück, wo du hergekommen bist!« Dieser Harry machte mich wirklich rasend.Ich warf hitzig die Arme in die Luft. »Glaub mir, das würde ich verdammt gerne tun! In London habe ich nämlich ein scheiß großes Zimmer und einen Kleiderschrank für mich alleine! Aber vor allem habe ich da keinen idiotischen Mitbewohner, der sich irgendwelche hässlichen Blumen an die Wand hängt! Ich würde wirklich viel dafür geben, wieder zurückzudürfen, aber meine verflucht reichen Eltern halten das hier für eine gute Erziehungsmaßnahme! Die wollen nämlich, dass ich am Ende dieses Jahres genau so ein weichgewaschenes Blumenmädchen bin wie du!«
Es war schwer zu sagen, wer den anderen wutentbrannter ansah. Vermutlich ich ihn.
Er wollte etwas erwidern, aber ich ging einfach ein paar Schritte zur Tür.
»Diese Evelyn-Schulleiter-Frau hat mir gesagt, dass du mir alles zeigen würdest und mir alles erklärst! Aber weißt du, ich verzichte auf deine Hilfe! Ich werde mich schon sehr gut alleine zurechtfinden!« Ich stürmte aus der Tür und in den Gang hinein.»Wenn du auf meine Hilfe verzichten würdest, wüsstest du nicht, dass es um sieben Abendessen gibt und du pünktlich sein solltest!«, rief er mir hinterher. »Hier wird dir das Essen nämlich nicht auf dein riesiges, teures Zimmer gebracht wie bei dir zuhause!«
»Ich brauche nirgendwo pünktlich zu sein, du hast mir den beschissenen Appetit verdorben!«, brüllte ich, ohne stehenzubleiben.
Na super. Ich war gerade mal eine halbe Stunde hier und dieser Ort war schon jetzt die reinste Hölle für mich.
DU LIEST GERADE
One room • l.s
RomanceLouis' Eltern sind reich. Doch vermag es auch das Geld nicht, ihrem Sohn das schlechte Verhalten und die Kriminalität auszutreiben. So kommt es, dass sie beschließen, ihn auf ein Internat zu schicken. Louis hält nichts von dieser Maßnahme. Und als...