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Louis

Am nächsten Morgen frühstückten Niall, Liam und ich zusammen. Das gesamte Frühstück war alles nur sehr provisorisch, nachdem gestern schon der Ferienzustand hergestellt worden war.

Ich hatte Niall natürlich schon ein paar Mal gefragt, ob er wusste, wo Harry war, aber er zuckte jedes Mal nur mit den Schultern. Allerdings ließen mich nicht nur seine Unbesorgtheit darauf schließen, dass Niall es genau wusste. Er wollte es mir ganz einfach nicht sagen.

Endgültig verraten hatte er sich, als er mir die Frage beantwortet hatte, wann Harry denn wiederkommen würde. ›Im Laufe des Tages‹, hatte Niall wie die unwichtigste Information gesagt, die es je gegeben hatte.

Seitdem war ich unheimlich angespannt. Ich wollte diese eine Sache unbedingt noch tun. Vor den Ferien, ich wusste nicht, ob es hinterher vielleicht zu spät wäre. Aber wenn Harry nicht zurück war, bevor ich abgeholt werden würde, dann sah es für mich schlecht aus.

Gerade sah ich dabei zu, wie Liam noch ein letztes Mal checkte, ob er nichts vergessen hatte, was er noch mit nach Liverpool nehmen wollte.

»Louis!«, fuhr er mich dann plötzlich an. »Hör auf, wie ein Irrer im Kreis zu rennen! Was ist los? Bist du paranoid? Erwartest du, dass deine Eltern einen Axtmörder anstelle eines Chauffeurs schicken? Komm runter! Du machst mich verrückt.«

Ich biss mir auf die Innenseite der Wangen und konzentrierte mich auf eine sehr ruhige Atmung. Die plötzlich stabile Sauerstoffzufuhr funktionierte besser, als ich dachte. Ich nickte und setzte mich auf Liams Schreibtischstuhl.

»Wann kommen deine Eltern?«, fragte ich, mehr um mich selbst abzulenken. Ich stieß eine weiteres stummes Stoßgebet aus, dass meine Eltern hoffentlich in einer Schneewehe steckenbleiben würden und – was immer auch dafür nötig wäre — später als Harry sein würden. Ich warf einen weiteren Blick durch die offene Zimmertür auf den Flur in der Hoffnung, dass dort in diesem Moment ein ganz bestimmter, gelockter Haarschopf auftauchen würde. Natürlich tat er das nicht.

»Keine Ahnung.«, antwortete Liam und gewann meine Aufmerksamkeit damit wieder für sich. »Der Schnee ist unberechenbar. Aber ich rechne trotzdem damit, dass sie sehr bald kommen werden; Mum sorgt gerne dafür, dass sie nicht länger von mir getrennt ist als notwendig.«

Ich seufzte leise und stand auf, um aus dem Fenster auf die Vorfahrt zu sehen. Mit geübtem System musterte ich die Autos, die dort standen und atmete erleichtert aus, als ich keines meiner Eltern sehen konnte. Zwölf Autos standen unten im Schnee und einige Schüler und Eltern in kleinen Grüppchen daneben. Es hatte aufgehört zu schneien.

Bei dem Anblick wurde mir neben der Harry-Spannung auch wieder bewusst, dass ich immer noch nicht wusste, wie ich mit meinen Eltern umgehen sollte. Verdammtes Weihnachten. Seit mir mein Vater an meinem fünften Geburtstag erklärt hatte, dass es den Weihnachtsmann nicht gab und das Ganze von der Wirtschaft nur noch als Kommerzmasche aufgezogen wurde (die Glaubensaspekte ließ er aus), hatte dieses dämliche Fest für mich allen Zauber verloren. An dem selben Tag wurden auch der Osterhase und die Zahnfee aus meiner phantastischen Vorstellung gestrichen, ich hatte schon immer früh über Wirtschaft und Geld lernen müssen. Kindliche Träume hatten da manchmal im Hintergrund gestanden.

»Du wirst die Ferien schon überleben, Louis. Kommst du mit runter? Ich will meine Sachen schon nach unten bringen.«
Ich nickte, weil ich sowieso nichts Besseres zu tun hatte. Niall war schon vor fast einer Stunde von seinem Bruder zum Flughafen abgeholt worden.

Wir ließen uns Zeit und ich scannte jeden einzelnen Gang und Raum danach ab, ob Harry darin war. Denn das wäre ja noch das Allerschlimmste; wenn Harry rechtzeitig zurück wäre, aber ich ihn einfach nicht entdecken würde. Doch ich sah ihn nicht. Wieso musste ich so ein Pech haben? Es hatte doch schon lange genug gedauert, dass ich überhaupt soweit war, und jetzt war Harry nicht da. Na super. Mein Timing war mal wieder super. Als wäre ich so nicht schon nervös genug, musste Harry mich auch noch so lange warten lassen. Ich konnte nur hoffen, dass er noch rechtzeitig hier sein würde.

One room • l.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt