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Harry

»Er hasst mich, Eve«, stellte ich simpel fest, während ich in dem alten Büro herumlief. Evelyn saß an ihrem Schreibtisch und schrieb etwas, das verdächtig nach einem Brief aussah. Aber ich wusste, dass sie mir nebenbei aufmerksam zuhörte. Diese Frau war mehr als nur multitaskingfähig.

»Ach Harry, er ist sicher einfach noch nicht richtig hier angekommen. Er ist schließlich nicht ganz freiwillig hier. Ich bin mir sicher, dass er es bald akzeptiert und dann wird er nicht mehr so gereizt sein und verstehen, dass er überreagiert hat.«

Ich schüttelte den Kopf, während ich ein Bild von einer dunklen Holzkommode nahm.
»Nein, das denke ich nicht. Er ist homophob. Ende. Und das ist keine einmalige Phase, er ist abgrundtief von mir angewidert.«

Evelyn hob den Kopf und sah mich tröstend an. »Wir werden sehen, Harry. Aber wenn es nochmal so ausschreiten sollte, sag mir bitte Bescheid. Ich möchte keine Intoleranz an meiner Schule.
Guck nicht so traurig, Harry. Bestimmt entschuldigt er sich nachher gleich bei dir.«

Kurz schwiegen wir beide, bis sie mich plötzlich vielsagend anlächelte. »Außerdem findest du, dass er gut aussieht, nicht wahr?«
Betont gleichgültig stellte ich den Bilderrahmen zurück und zuckte mit den Schultern.

»Blaue Augen, braune Haare. Nichts Besonderes, oder?« Ich versuchte das hartnäckige Bild des hübschen Jungen aus London aus meinem Kopf zu vertreiben. Es klappte nur nicht so richtig.

Auch Eve ließ sich nicht täuschen. Sie grinste noch immer.
»Sag mir das nochmal, wenn du mir dabei in die Augen siehst.«, lachte sie. »Wir wissen beide, dass du noch nie lügen konntest. Also kannst du es mir auch sagen, Harry.«

Ich seufzte traurig. »Selbst wenn. Er kann so gut aussehen wie er will, das macht sein Verhalten nicht wett. Im Moment gibt es keinen einzigen Teil von mir, der ihm irgendeine Sympathie entgegenbringt. Er hasst mich und sein Charakter entspricht der Art von Menschen, die ich am wenigsten leiden kann. Ich muss wohl doch noch ein bisschen auf das Treffen mit meinem Seelenverwandten warten.«
Tröstend lächelte Eve mich an. »Das wird schon alles, Harry. Verliere niemals deinen Mut.«

Louis

»Sie sieht dich an. Schon die ganze Zeit.«
Ich runzelte die Stirn und sah Liam fragend an. »Wer?«

Der Blick seiner braunen Augen durchbohrte die meinen – ganz offensichtlich, um meinen Blick zu halten.
»Dreh dich nicht um, Louis. Sie sieht jetzt hierher. Wie schon seit ungefähr einer Stunde und auch den ganzen Rest des Tages.«

»Wer?«, fragte ich wieder. Ich drehte mich nicht um, sah weiterhin Liam an, wie der es mir gesagt hatte.
»Sie hat definitiv Interesse!«, ignorierte Liam meine Frage – und seine Stimme machte es eindeutig, welche gewisse Art von Interesse er meinte.

»Wer ist sie?«, fragte ich diesmal mit mehr Nachdruck. Wir redeten hier von einem Mädchen und ich wusste nicht einmal, wie sie aussah.
»Jetzt kannst du gucken, sie unterhält sich.«

Sofort drehte ich mich um, ließ meinen Blick über die Schüler an den Tischen der Bibliothek schweifen.
»Braune Haare, weißes Top mit viiiel Ausschnitt. Sitzt mit drei anderen Mädchen an einem Tisch.«, half Liam mir. Und ich fand sie schnell. Kurz sah ich sie mir an. Sie hatte eine gute Figur.
Ich drehte mich wieder um.

One room • l.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt