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Louis

Am nächsten Morgen frühstückten wir gemeinsam. Die einzigen beiden Menschen im großen Essenssaal. Zu dem Zeitpunkt war ich dann ziemlich froh, dass ich hier nicht alleine sitzen musste, auch wenn Harry mich pausenlos voll plapperte. Keine Ahnung, wie der Junge so viel reden konnte.
Und er benahm sich als wäre meine Anwesenheit das Beste, was ihm je passiert war. Ich nahm mir vor, ihn irgendwann nochmal zu fragen, wieso er eigentlich nicht nach Hause gefahren war. Vielleicht war er auch einfach nur ein Rebell wie ich (auch wenn das absolut nicht zu ihm passte).

Nach dem Essen ging ich duschen und die komplett leeren Waschräume waren himmlisch. Es war so still, ich konnte ganz ungestört meinen Gedanken nachgehen.
Danach putzte ich Zähne und stand an dem Fenster, das ich weit geöffnet hatte, und schaute hinaus. Es goss wie aus Eimern und der Himmel war soweit ich sehen konnte ein einziges, trübes Grau. So stark hatte es in den letzten Wochen nie geregnet – nicht mal in der Gewitternacht, in der Niall, Harry und Liam mich ausgesperrt hatten und das wollte schon etwas heißen.

In frischen Sachen und mit gerade trocken geföhnten Haaren verließ ich die Waschräume wieder.
Als ich dann unser Zimmer betrat, wäre ich vor Schreck beinahe rückwärts gegen die Wand hinter mir gesprungen. Beinahe.

Harry – er war es, das hatte ich nach ein paar Sekunden begriffen – stand mitten in unserem Zimmer, aber es war nicht die gewohnte Erscheinung des kleineren, schlanken Jungen, sondern viel eher ein gelbes Monster.
Ich brauchte noch ein paar weitere Sekunden, bis ich begriff, dass es Kleidung war.

Harry trug einen dieser quietschgelben Regenanzüge – nur dass er ungefähr fünf Nummern zu groß war. Eine weite Hose wie zwei gelbe Tunnelrutschen ließ nicht mehr im Geringsten erahnen, dass Harry schöne, schlanke Beine hatte. Die riesige Jacke im gleichen Gelbton hätte er sich noch mit einem Elefanten teilen können. Aber das Schrecklichste war der lächerliche Hut. Die schokoladenfarbenen Locken waren beinahe komplett von dem Knallgelb verdeckt. Die Krempe des Hutes hing ihm in die Augen.
Ich konnte in diesem Aufzug nicht viel mehr als Harrys Gesicht sehen, es machte ihn unglaublich jung.

»Wow«, sagte ich ungläubig und versuchte den Fakt zu verarbeiten, dass Harry wie ein gelber Ochsenfrosch aussah.

»Hey Louis!« Er lächelte breit mit seinem tiefsten Grübchenlächeln. Ich blinzelte doppelt.

»Wow. Hatte dein inneres Mutantenquietscheentchen Drang nach Aufmerksamkeit?«
Harry schüttelte den Kopf, als müsste er auf diese Frage ernsthaft antworten.

»Das ist Regenkleidung, Louis.«, erklärte er mir freundlicherweise. Ich verdrehte die Augen. Danke für die Aufklärung, Harry.

»Das sehe ich.«, sagte ich knapp. »Und was hast du damit vor?«

Das Lächeln wurde breiter. »Rausgehen!« Seine Augen strahlten vor Begeisterung, als täte es die Sonne draußen genauso.

»Ich schätze, du hast da was verpasst, Harry. Es gießt in Strömen. Vielleicht solltest du deinen kleinen Spaziergang besser verlegen.«

Er schüttelte den Kopf und das beschichtete Material seiner Kleidung raschelte. »Ich bin wetterfest angezogen.« Zum Beweis hob er die Arme und tätschelte seinen Kopf, der unter dem Hut mehr oder weniger sicher vor dem Regen war. »Regen macht Spaß, komm doch mit raus! Du wirst sehen, es ist toll! Du kriegst auch einen Anzug!«

Ich dachte darüber nach, wie ich wohl im Zitronenlook aussehen würde. Und wie widerlich es wäre, wenn das kalte Wasser mir den Nacken hinunterlaufen würde.
Aber ich hatte auch nichts Besseres zu tun, als diesem wahnsinnigen Kleinkind in sein Planschabenteuer zu folgen.

»Überzeug mich.«, sagte ich eitel, um ihm nicht gleich beizugeben. Er schien erfreut über die Chance, mich überzeugen zu können. Kurz überlegte er, dann strahlte er wieder.

One room • l.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt