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Louis

Ein Geräusch weckte mich. Ich öffnete die Augen, allerdings änderte das nichts. Es war stockdunkel. Mitten in der Nacht.

Mit offenen Augen lag ich einige Sekunden unbewegt in meinem Bett und konzentrierte mich auf die Geräuschkulisse. Doch bis auf das leise Rauschen des Windes draußen in den Baumkronen – wir hatten das Fenster offen – konnte ich nichts hören.
Ich begriff, dass mich wahrscheinlich nur eine starke Windböe geweckt hatte.
Beiläufig drückte ich noch auf die Leuchte-Taste meines Weckers und warf einen flüchtigen Blick auf die beleuchteten Zahlen. 2:56 Uhr. Zeit, weiterzuschlafen.

Ich entspannte mich und schloss die Augen, während ich zurück in die Matratze sank.

Keine Sekunde später saß ich aufrecht im Bett, als ich das Geräusch urplötzlich und deutlich lauter als erwartet wieder hörte. Nur war ich diesmal wach und konnte es sofort identifizieren.

Es war Harry. Es hatte sich angehört wie ein heiseres Röcheln. Laut und panisch.

Ich blinzelte ein paar Mal, damit meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Schnell konnte ich die Umrisse im Zimmer erkennen und Harrys Silhouette in seinem Bett ausmachen.

Ich zuckte zusammen, als Harry wieder begann, zu...was auch immer es war. Röcheln, nach Luft schnappen, husten, keuchen. Es hörte sich jedenfalls nicht gesund an.
Das Problem war, dass es dieses Mal nicht einmalig blieb. Es wiederholte sich nach einigen Sekunden und schnell begriff ich, dass es jetzt Harrys normalen Atem ersetzt hatte.

Ich dachte kurz darüber nach, ob es wohl so etwas wie eine Asthmaattacke war. Doch dann verstand ich, was es war und ließ mich mit einem strapaziertem Stöhnen wieder in die Decken fallen.

Harry hatte keinen Asthmaanfall – so weit ich wusste, hatte er ja nicht mal Asthma. Harry hatte gar nichts. Nur einen sturen und offensichtlich cleveren Kopf. Es war geschauspielert. Es war seine Rache für meinen Tee. Er wollte mich erschrecken und gleichzeitig noch vom Schlafen abhalten. Ich musste zugeben, dass die Idee gut war.

Um ihm also nicht zu geben, was er wollte, versuchte ich mich wieder aufs Einschlafen zu konzentrieren. Das war nur nicht so einfach wie gedacht. Harry hörte sich mittlerweile immer mehr nach Sterben an und wurde dabei auch nicht leiser. Meiner Meinung nach übertrieb er es etwas mit seinem Schauspiel. Er überstrapazierte die Glaubwürdigkeit. Ich müsste schon ziemlich dämlich sein, um ihm das abzukaufen. Harry wäre ein sehr pathetischer Schauspieler.
Nicht dass das etwas Gutes wäre.

Je länger ich dort so lag und krampfhaft versuchte wieder einzuschlafen, desto mehr Zeit hatte ich, Harrys Hechel-Keuch-Röcheln zu analysieren. Es klang, als wäre er irgendwo anders. Irgendwo, wo es keinen Sauerstoff gab oder die Luft dick und zäh wie Honig war. Irgendwo, wo er nicht mehr weit entfernt vom Tod war. Wie gesagt, er übertrieb es. Offensichtlich wollte er nicht aufhören, bevor er seine Rache bekam und ich doch noch nachgab, weil ich mir wirklich Sorgen machte.
Aber ich blieb ebenso stur wie er.

Keine Ahnung, wie lange ich dort so lag. Vermutlich nicht mal lange, es kam mir aber vor wie Ewigkeiten. Das Problem war, dass die Müdigkeit mir langsam Kopfschmerzen bereitete und ich mich einfach nicht von Harrys gespieltem Erstickungsanfall ablenken konnte.

Also beschloss ich schließlich, dem Ganzen ein Ende zu setzen.

»Harry Styles!«, zischte ich entnervt in die Dunkelheit. »Sei leise und lass mich schlafen!«
Es brachte nichts. Es war als hätte er mich nicht mal gehört. Harry rang einfach weiter panisch nach Luft.
Wut stieg in mir auf. Dieser sture, irre, kleine Junge!

Am Ende meiner Geduld angekommen warf ich zornig meine Decke zurück und stand auf. Ich betätigte den Lichtschalter und brauchte nur wenige Sekunden, mich an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen. Ich sah noch schnell auf meinen Wecker.
2:59 Uhr. Drei Minuten?! Nur drei verdammte Minuten?! In meinem Kopf waren es Jahre der Qual gewesen!

One room • l.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt