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Louis

Es sollte also keine gute Idee sein, die Freesie zu pflücken. Natürlich war es von Anfang an ein wenig überflüssig gewesen, aber ich war mir sicher, dass Harry es lieben würde. Natürlich war es etwas kitschig, aber es war schließlich Harry, um den es hier ging.

Doch ich würde sie ihm niemals geben. Sie fiel wie in Zeitlupe auf das Holzparkett unseres Zimmers, als ich vor dem Bild stand, dass ich niemals hatte sehen wollen. Einem Bild, von dem ich mir sicher gewesen war, es niemals zu sehen. Denn ich hatte Harry vertraut.

Aber Menschen in meinem Leben hatten schon immer ein Talent dafür gehabt, innerhalb eines einzigen Augenblickes ihre Masken für immer fallen zu lassen. Als ich Harrys nackten Oberkörper gegen Zayns flache Brust gedrückt sah, ihre Lippen wie zusammengeschweißt, schaffte selbst ich nicht mehr, den Glauben aufrecht zu erhalten, dass Harry anders war.

Ich konnte sein Gesicht kaum sehen, aber ich sah genug. Mein Gehirn setzte aus. Meine Finger begannen zu zittern. Die Blume fiel zu Boden. Der Unglaube betäubte mich und betäubte die Zeit, die verstrich.

Als meine Lungen ihre Funktion ein wenig zu überambitioniert wieder aufnahmen, war es wohl das laute Geräusch meines Einatmens, das mich so wie alle anderen aus ihrer Trance rissen. Harry wirbelte herum, aber ich sah sein Gesicht nicht mehr. Denn die Tür knallte hinter mir zu. Meine Augen begannen zu brennen und vielleicht war das das Schlimmste an all dem. Ich hasste es, zu weinen.

Aber ich war nicht dämlich, ich kümmerte mich nicht um meine Tränen. Ich lief los, marschierte verzweifelt auf das Ende des Ganges zu. Noch immer zitterten meine Finger, aber jetzt kam auch meine Unterlippe dazu. Natürlich wusste ich, was das bedeutete. Meine Wangen waren nur wenige Sekunden später nass. Ich presste meine Lippen zusammen und versuchte mit all meiner Kraft das Bild aus meinen Gedanken zu löschen.

Harry hatte Zayn geküsst. Natürlich hatte er das, war das nicht gleich meine erste Intention mit Zayn gewesen?! Dass er mir meinen Freund ausspannen würde? Ich spürte, wie Wut sich in meinem Inneren anstaute und den Schmerz übertönte, den Harrys Lippen auf den Lippen eines anderen auslösten.

Auf Höhe der Waschräume flog unsere Zimmertür wieder auf. Ich drehte mich nicht um, ich lief mit schnellem Schritt weiter. Mit all meiner Kraft versuchte ich ein Schluchzen zu unterdrücken. Wie ich Weinen hasste! Ich ballte meine Hände zu Fäusten und versuchte zu ignorieren, dass mit jedem Blinzeln mehr Tränen meine Wangen hinunterrannen.

»Louis!« Mein Name aus Harrys Mund war durchsogen von Angst. So hatte ich ihn noch nie gehört. »Louis, bitte, bleib stehen!« Ich hörte, dass seine Schritte schneller waren als meine. Er wollte mich einholen. Und brauchte auch nicht lange, um das zu schaffen.

»Louis«, er griff nach meiner Hand aber ich entzog sie ihm. Abrupt blieb ich stehen. Meine Tränen verschwammen den Weg vor mir. »Louis, bitte sieh mich an«, Harry klang fast so verzweifelt, wie ich mich fühlte. Ich drehte mich um zu ihm, langsam.

Meine nassen Wangen ließen Harrys Augen groß werden. Natürlich, er hatte mich erst einmal zuvor weinen gesehen, und da hatte ich es selbst nicht mal realisiert. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte das auch so bleiben können. Wieso war es der Junge, der hinter meinem Rücken Andere küsste, für den ich endlich weinte?

»Du verstehst alles falsch, Lou, bitte, hör mir zu!« Wieder wollte er nach meiner Hand greifen, aber ich entzog sie ihm abermals. Jetzt konnte ich sehen, wie auch seine Wange eine Träne hinunterkullerte. »Er hat mich geküsst, Louis, Zayn hat mich geküsst! Er ist einfach reingekommen und hat mich ohne zu fragen geküsst! Worüber wir uns vorhin gestritten haben, Louis, warst du! Und Liebe! Er hat mich geküsst, Louis, es war das erste Mal, ich habe nicht erwidert, ich hab es nicht gewollt, ich habe nur auf dich gewartet!«

One room • l.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt