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Louis

Ich hatte fast eine Stunde gebraucht, um meine verdammte Wäsche aus der Waschmaschine zu holen und herauszufinden, wie der Wäschetrockner funktionierte. Ich hatte noch nie in meinem Leben Wäsche gewaschen. Zuhause hatte ich das nie gemusst und auch hier wurde einmal wöchentlich für uns gewaschen, ein bisschen wie in einem Hotel die Handtücher. Aber nicht in den Ferien.

Harry hatte mich gestern haltlos ausgelacht, als ich es ihm erzählt habe. Ich hatte geglaubt, dass er nie wieder aufhören würde zu lachen. Dann hatte er mir gezeigt, wie ich eine der vielen Waschmaschinen im Keller bedienen musste. Nur mit dem Trocknen hatte er mich im Dunkeln gelassen (Ehrlich gesagt war das meine Schuld, weil ich gar nicht daran gedacht hatte. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass ich einmal die Waschmaschine anstellen muss und dann ist alles erledigt. Oops.)

Und eben während meiner langwierigen Wäschetrockner-Qual hatte ich zwischendurch schon entschieden, die Wäsche einfach aufzuhängen, musste dann aber feststellen, dass es hier nur eine Serie Trockner, aber keine Wäscheleine gab. Vielen Dank auch. Ich hätte wirklich Harry fragen sollen. Dann hätte ich mir ungefähr fünfzig Minuten erspart.

Wie auch immer – jetzt verließ ich jedenfalls endlich wieder die Kellerräume. Freiheit. Kein Geruch von Waschmittel mehr oder das nervtötende Geräusch von schleudernder Wäsche (Harry hatte mir gestern versichert, dass er beides liebte und es sogar beruhigend fand. Der war doch komplett verrückt.)

Auf dem Weg nach oben machte ich noch einen Zwischenstopp im Gemeinschaftsraum und holte das Backgammon-Spiel. Harry und ich hatten uns vorgenommen, in diesen Ferien alle Spiele durchzuspielen, die wir hier hatten. Heute war schon Mittwoch und wir hatten noch eine Menge Spiele vor uns. Ich hatte schon zehnmal versucht, Harry endlich zu Schach zu überreden, aber bisher hatte er sich immer geweigert. Schach war das einzige Spiel, das ich je mit meinem Vater gespielt habe. Wir haben es immer gespielt, regelmäßig. Harry sagte, er fände es langweilig und sei davon überzeugt, dass er nie im Leben eine Gewinnchance habe. Ich musste ihn noch irgendwie dazu zwingen, es mit mir zu spielen. Mussten wir schließlich auch, wenn wir unseren Plan verwirklichen wollten.

Ich beeilte mich, als ich in der zweiten Etage angekommen war. Mit schnellen Schritten lief ich den Gang entlang und steuerte unser Zimmer an. So kam es, dass ich beinahe mit Jemandem zusammenstieß, als sich plötzlich unsere Zimmertür öffnete.

»Sorry Harr- Oh.« Es war nicht Harry. Es war Evelyn. Sie hatte überrascht die Augen geweitet, aber lächelte.

»Hey, Louis. Dir bin ich diese Ferien ja noch gar nicht über den Weg gelaufen.« Sie hielt das freundliche Lächeln und ich war einfach nur ein wenig überfordert.

»Tut mir leid, ich war wohl ein bisschen...stürmisch.«, versuchte ich mich halbwegs zu entschuldigen, aber Evelyn schien das alles total locker zu nehmen.

»Ist doch kein Problem, Louis. Du wolltest wahrscheinlich schnell zu Harry, das kann ich dir nicht vorwerfen. Dann will ich dich mal nicht weiter aufhalten. Oh, und viel Spaß beim Spielen. Ich liebe Backgammon!«, sagte sie begeistert, als sie das Spiel in meinen Händen sah. Dann drehte sich sich noch immer lächelnd um und ging den Gang entlang zur Treppe. Leicht perplex schaute ich ihrem französisch geflochtenen Zopf noch nach, bis sie um die Ecke verschwunden war.
Dann schüttelte ich den Kopf, um wieder komplett bei voller Konzentration auf die Realität zu sein und öffnete die Tür unseres Zimmers jetzt richtig.

Harry stand summend in der Mitte des Raumes und hatte einige seiner Kleidungsstücke vor sich auf dem Tisch ausgebreitet und betrachtete sie verträumt. Zur Ergänzung dieses Bildes muss ich erwähnen, dass er nur ein Handtuch locker um die Hüften gebunden hatte und ansonsten nackt war. Auf seinem oberen Rücken glänzten noch einige Wassertropfen, was mich die kürzliche Dusche erahnen ließ.

Ich war wohl noch nicht genug zum klaren Denken zurückgekehrt, denn sonst hätte ich mir wahrscheinlich Fragen über die Tatsache gestellt, dass Evelyn gerade hier drin gewesen war und Harry halbnackt vollkommen unbeschwert schien. Aber wie gesagt, zu solchen Gedanken war ich in diesem Moment wohl nicht fähig.

»Harry«, sagte ich und meine Stimme war passend zu meinen Gedanken noch etwas langsam. »Ich habe Backgammon mitgebracht.« Ich wusste nicht, was ich sonst sagen sollte. Harry drehte den Kopf zu mir, lächelte und nickte dann. Ich legte das Spiel auf meinem Bett ab.

»Warst du draußen?«, fragte Harry mich, während er wieder auf den Tisch sah und einen lavendelfarbenen Pullover anders hinlegte.

Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. »Draußen? Nein. Wieso?«

»Du warst so lange weg.«, erklärte er. Kurz überlegte ich zu lügen. Aber eigentlich war es auch egal.

»Ich habe diesen verdammten Wäschetrockner nicht angekriegt.«

»Und dafür hast du eine Stunde gebraucht?«, fragte er amüsiert.

»Ach, sei leise, Harry. Nicht jeder kann Mary Poppins sein.« Ich ging an ihm vorbei und setzte mich auf einen der hölzernen, drehbaren Schreibtischstühle. »Und zieh dir was an, Harry. Wir sind hier nicht in einem Wellnesshotel.«

Harry lachte. »Man sollte zu seinem Körper stehen, nicht wahr?« Mit einem kurzen Leuchten der Erkenntnis auf dem Gesicht sortierte er ein letztes Mal seine Sachen um. Dann nahm er sich nacheinander die offensichtlich abgewählten Klamotten, legte sie geschickt mehr oder weniger einhändig zusammen und stapelte sie ordentlich auf seinem anderen Arm. Er ging zum Schrank und sortierte die Kleidung wieder hinein.

Ich drehte mich weg, als er sich umzog. Das war ich schon gewöhnt.
Wir waren zwar selten beide im Zimmer, wenn der Andere sich umzog, aber wenn, dann sahen wir ganz einfach nicht hin. Keine große Sache, eines der Dinge, die man lernte, wenn man sich sein Zimmer teilen musste. Vielleicht sollte ich ein Buch schreiben. Ratgeber: Tipps und Tricks für Internatsschüler
Vielleicht könnte ich damit reich werden. Dann wäre ich nicht mehr auf meine Eltern angewiesen.

»Schwarz oder Weiß, Louis?« Ich hörte, dass er sich beim Reden einen Pullover über den Kopf zog.

»Was?«, fragte ich verständnislos. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich mich jetzt umdrehen konnte. Das tat ich auch.

»Schwarz oder Weiß. Backgammon.« Harry saß auf einem der Stühle am runden Tisch und zog sich knallbunte Ringelsocken über die Füße. Der Rest seines Körpers – bis auf Kopf und Hände natürlich – steckte schon in seiner sorgfältig überlegten Kleiderauswahl, die aus einer schwarzen, engen Stoffhose und einem dunkelblauen Pulli mit zahllosen, goldenen Sternen darauf bestand.

»Oh, ach so. Schwarz.« Nach kurzer Suche kramte ich unter den vielen ungeordneten Zetteln auf meiner Hälfte des Schreibtisches den Wertungszettel unser Spielolympiade heraus, auf dem eine Sieg- und Niederlagen-Tabelle aller Spiele war. Ich stand auf und ließ mich mit dem Zettel in der Hand auf den Stuhl neben Harry fallen. Ich hatte gar keine Ahnung, wie Backgammon ging. »Also, Harry Styles. Mach dich bereit für eine Niederlage!«

Ab dann konzentrierte ich mich zu sehr auf das Gewinnen und vergaß, dass ich Harry eigentlich hatte fragen wollen, was Evelyn mit ihm besprochen hatte.

One room • l.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt