Es war an der Zeit.
An der Zeit, Abschied zu nehmen.
Blöderweise war ich dafür so gar nicht bereit.
Von oben sandte die Sonne ihre hellen Strahlen auf mich herab, als wollte sie mich verspotten und keine verfluchte Wolke war in Sicht.
Dabei war das hier doch das Ende. An meinem Todestag hätte ich mir wenigstens ein beeindruckendes Gewitter mit schwarzgrauem Himmel und dicken Regentropfen gewünscht. Der Himmel sollte traurig und zornig sein, aber stattdessen schickte er grausamen warmen Sonnenschein, der für diese Jahrzeit eigentlich untypisch war.
Jemand stieß mich an der Schulter nach vorne und eher widerwillig gehorchte ich. Der Henker wartete und das Volk war vollkommen erhitzt und emotional bei dem Gedanken, die schlimmste Verbrecherin des Landes hängen zu lassen.
Ich hörte ihre lauten Rufe, sah ihre wütenden Gesichter und spürte den Hass in ihren Herzen.
Monster, Mörderin, Verräterin.
Ihre Worte sollten mich nicht berühren, doch es war schwer, diesen Rammbock aus Verachtung und Zorn, der vor meinen Augen auf mich zukam, zu ignorieren.
Der Henker stand schon bereit, ein grober, einfacher Mann mit einem Beil in den Händen.
Er war unwichtig, nur ein Symbol, eine Figur, der Teil dieses verfluchten Tages war.
Ich blinzelte im Sonnenlicht und versuchte, auszublenden, dass mich alle mit hungrigen Augen anstarrten.
Der Hunger nach Blut.
Mein dunkelblondes Haar war ungepflegt und hing glanzlos über meine Schultern und meine Hose sowie das graue Hemd, das ich trug, waren abgetragen, doch ich würde niemals den Kopf senken.
Ich schaute in die Menge, begegnete den hungrigen Augen und sah dahinter Verzweiflung und Frust.
Langsam schrat ich zu der Holzkiste und stieg in einer ruhigen Bewegung hinauf.
Mein Herz hämmerte in meiner Brust, mein Hals war trocken und meine Augen schmerzten allmählich angesichts der Helligkeit, an die ich nach der Zeit im Kerker nicht mehr gewöhnt war.
"Katharina Rowinth, hiermit, im Angesicht der Götter des Himmels, wirst du deine Strafe für all deine Verbrechen empfangen.", übertönte eine Stimme hinter mir den Lärm des Platzes.
Fast wäre ich zusammengezuckt.
Es war Lucas, Lucas höchstpersönlich, der die letzten Worte an mich richtete.
Seine Stimme war voll und tief und so schmerzlich vertraut, dass es ein Stich ins Herz war. Ein letztes Mal mussten sie mir noch ein Schwert in den Körper rammen, bevor man mir im großen Finale die Luft wegnahm.
Mit ein bisschen Glück wäre der Glagen sogar gut konstruiert und ich würde mir das Genick brechen, bevor ich qualvoll verrecken musste.
Meine Hände waren schwitzig und ich fühlte mich, als würde ich gleich kotzen, doch ich zwang mich, nicht zu reagieren, mich nicht zu Lucas umzudrehen.
Er war nicht länger mein Bruder, nicht seit er mich für diese Schlampe, seine angebliche große Liebe, im Stich gelassen und verraten hatte.
Ihr Leben war ihm wichtiger gewesen als das seiner Schwester und dafür würde ich nun bezahlen.
Der Henker legte mir mit seinen unsanften Händen die Schlaufe des Galgenstricks um den Hals, der zuvor unheilvoll neben mir gebaumelt hatte.
Ich schluckte. Nur die Holzkiste hielt mich in diesem Moment noch am Leben. Doch ich wusste, dass der Henker sie jeden Moment unter meinen Füßen wegkicken würde.
Die Menge tobte wie eine Horde wilder Tiere. Hungrig, schoss es mir erneut durch den Kopf.
Ich schloss die Augen und ballte die Hände zu Fäusten.
Noch immer war ich nicht annähernd bereit, doch das kümmerte sowohl den Pöbel als auch den Henker herzlich wenig.
Dann kam der Moment, der alles durcheinanderwirbelte.
Das Feuer brach aus.
Nie im Leben hätte ich erwartet, dass die Feuerfinger sich einmischen würden.
Sie wirkten immer so, als stünden sie über allen normalsterblichen Angelegenheiten.
Dennoch waren sie jetzt hier, zu meiner Hinrichtung, und setzten den gesamten Platz in Flammen.
Das hasserfüllte Gebrüll wurde zu Schmerzens- und Entsetzensschreien. Das Feuer war überall, unbarmherzig und radikal, während mir Schauder über den Rücken liefen und ich mir mit zittrigen Händen die Schlaufe wieder vom Hals entfernte.
Entsetzlich stank es nach Verbranntem und zu meinem Grauen auch nach brennendem Fleisch.
Die Feuerfinger waren rücksichtslos. Was kümmerte sie auch schon der menschliche Pöbel?
Alles was ich sah, waren goldene Flammen und die Sonnenstrahlen, die sich von oben in die sich ihnen entgegenreckenden Feuerzungen flochten.
Dann riss mich der Henker aus meinem Schockzustand.
Mit seinen starken Armen zerrte er mich von der Holzkiste und holte mit seinem Beil in der freien Hand nach mir aus.
Offensichtlich wollte er seinen Job auf die eine oder andere Art erledigen.
Obwohl ich jedoch geschwächt und empfindlich durch meine Gefangenschaft geworden war, konnte ich ausweichen.
Wozu hatte unser Vater Lucas und mir denn in unserer Kindheit beigebracht, uns zu verteidigen?
Der Henker war zwar ein Mann mit enormer Kraft und kalten Augen, aber kein ausgebildeter Kämpfer.
Ich duckte mich und landete einen Treffer in seinem breiten Gesicht, was ihn einen Schritt zurückweichen ließ.
Perfekt.
Ich entriss ihm das Beil und versuchte, ihn damit zu verletzen, doch das Teil war unhandlich und schwer, sodass ich nicht richtig damit umgehen konnte und der Henker einen kraftvollen Schlag an meinem Kiefer platzieren konnte. Es knackte unschön und Schmerzen explodierten in meinem Gesicht.
Durch die Wucht stolperte ich und fiel hin, wobei ich das Beil verlor und der Henker sich ungehindert auf mich stürzen konnte.
Seine Hiebe waren heftig und trieben mir die Träne in die Augen, während ich mich vor Schmerzen krümmte.
Mein schriller Schrei gesellte sich zu den anderen, die in diesem lichterlohen Chaos durch die Luft gellten.
Gerade als ich dachte, ich würde aufgeben und mich doch noch dem Tod ergeben, verschwanden die Fäuste des Henkers.
Stattdessen hörte ich ein ohrenbetäubendes Brüllen.
Mit brummendem Kopf und zerschundenem Körper versuchte ich, zu begreifen, was hier vorging.
Es war unglaublich.
Der Henker stand in leuchtenden Flammen und rannte schreiend herum wie eine lebendige Fackel.
Ein Stöhnen entwich meiner Kehle.
Plötzlich war jemand bei mir.
Die Welt kippte augenblicklich, als ich in zwei muskulösen Armen lag und vom Boden gehoben wurde.
Irgend ein Mensch trug mich.
Oder ich war tot und die Götter trugen mich ins Jenseits.
So oder so, mein Bewusstsein driftete von meinem Körper weg und ließ mich in einer inhaltslosen Schwärze zurück.
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Blazing - Feuriges Band
FantasyFeuer. Liebe. Schicksal. In einer Welt von Feuerbändigern, Schatten, Drachen und Geheimnissen versucht eine bis in die Seele gezeichnete Kämpferin, ihren Weg ins Licht zu finden. ~ Meine Lippen waren rissig, das Haar fettig und die Augen rot. Und w...