Kapitel 18

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Am Morgen wurde ich vom zögerlichen Sonnenlicht geweckt, das wie ein schüchternes Mädchen seine Strahlen in mein Zimmer sandte.
In meinem Kopf hämmerte es und ich konnte zunächst kaum einen klaren Gedanken fassen.
Wie typisch für die Götter, die sich mal wieder als äußerst zynisch erwiesen und in einer meiner düsteren Stunden die Sonne auf die Welt strahlen ließ.
Heute würde die Schwelende Stadt zumindest ihrem Namen gerecht werden.
Ich rollte mich mit einem unterdrückten Stöhnen aus den Laken, die sich um meine Beine gewickelt hatten.
Erst dann fiel mir auf, dass ich nicht alleine war.
Neben mir, noch in die Laken gewickelt, schlummerte Drake, den das Tageslicht nicht geweckt hatte. Mein Herz setzte aus.
Sein trainierter Oberkörper hob und senkte sich leicht und das von den entsetzlichen Narben gezeichnete Gesicht war mir zugewandt, die Augen geschlossen.
Mit Drakes Anblick kam auch die Erinnerung an letzte Nacht. Die emotionale Achterbahnfahrt, seine Lippen auf meinen.
Gestochen scharf sah ich vor meinen inneren Auge, wie wir im Dunklen aufs Bett gesunken waren, seine Hand in meinen Haaren, meine Hände an seinem Gesicht, seine Narben streichelnd.
Dann all die Küsse und schließlich ...
Scheiße.
Vor Panik schnürte sich meine Kehle zu.
Was hatte ich nur getan?
Ich hatte nicht nachgedacht, mich von meiner Wut, dem Schatten und meinen aufgewühlten Gefühlen leiten lassen.
Ein Fehler. Ein verdammter, riesengroßer Fehler.
Scheiße, mit einem Feuerfinger schlafen? War ich jetzt vollkommen verrückt geworden?
Hastig stolperte ich aus dem zerwühlten Bett und versuchte, den Erinnerungen zu entkommen.
Ich streifte mir schnell eine Unterhose und ein langes Shirt über, bevor ich vollkommen außer mir ins Bad stürzte.
Ich fühlte mich schrecklich, wollte nur weg. Mein gesamter Körper zitterte.
Die Geschichte von dieser beschissenen Prägung drängte sich zu all den anderen Gedanken, die in meinem Kopf herumschwirrten.
Gladions Verrat, diese Prophezeihung, mich zu töten. Das war zu viel.
Ich musste hier raus.
Keuchend eilte ich wieder ins Schlafzimmer, zog mir eine Hose an und stieß schließlich meine Zimmertür auf, um nach draußen zu gelangen und wieder frei atmen zu können.
Auf dem Gang begann ich zu rennen, sprintete barfuß durch die Wohnanlage und lauschte dem Geräusch meiner auf den Boden klatschenden Füße und meines schweren Atems.
Es kam mir vor wie eine halbe Ewigkeit, als ich endlich die Anlage verließ und kühle Morgenluft meine Lunge füllte.
Die Götter fuhren mit ihrem Spott fort und blendeten mich mit dem Licht der Sonne. Ich fuhr mir durch mein hoffnungslos wirres Haar und schlug dann den Weg zum Wald ein.
Wer weiß, vielleicht begegnete ich der freundlichen Alten wieder, die mich schon einmal aus der Schwärze gehievt hatte.
Steinchen, Zweige und anderes Zeugs unter meinen Füßen ließ jene schmerzen, doch ich biss die Zähne zusammen und beschleunigte mein Tempo noch.
Erst als die Trainingsanlage hinter mir verschunden war und mich nur noch Bäume umgaben, machte ich Halt.
Ich keuchte stoßartig, meine Füße waren blutig und brannten und es war Schweiß an meine bandagierten Unterarme gelaufen, wo das Salz der Flüssigkeit nun in den noch recht frischen Wunden, verursacht durch die Klauen des Schattens, juckten.
Am schlimmsten waren jedoch nicht meine körperlichen Beschwerden, sondern das Geschwür in meiner Seele, das sich von meinem Schmerz nährte und mich von innen heraus zerstörte.
Ich legte den Kopf in den Nacken und stieß einen schrillen, gequälten Schrei aus.
Wie das Todeskreischen eines Tieres hallte es zwischen den knorrigen, aber dennoch hochgewachsenen Bäumen tief in den Wald hinein.
Ich wollte weinen.
Was würde mein Vater jetzt sagen? Oder meine Mutter?
Ich würde es nie erfahren, denn die Schatten hatten sie mir genommen. Genauso, wie ihr Prinz sich nun mich holte. Stück für Stück.
Wie aus dem Nichts füllte sich plötzlich mein Mund mit Wasser.
Erschrocken riss ich die Augen auf, als das Wasser sich nach meinem Mund auch in meine Nase drängte, mir den Zugang zur Luft verwährte.
Was zur Hölle ging hier vor?
Würgend und spuckend wand ich mich und fiel auf die Knie, doch das Wasser ließ nicht nach und drückte sich gnadenlos in mich hinein, ließ mich, umgeben von Luft, ertrinken.
Ein schwaches Gurgeln entwich mir.
Ich wollte nicht ertrinken, wollte nicht sterben - aber vielleicht war es das Beste.
Sterne tanzten in meinem Gesichtsfeld. Gladions blaue Augen starrten mich an und dazu gesellten sich Drakes Grüne.
War es das? Würde ich so abtreten?
Die Antwort auf diese Fragen sollte nein lauten.
Im letzten Augenblick gab mich das Wasser frei und erlaubte mir, einen befreienden Atemzug zu tun.
Nach Luft schnappend blickte ich mich um.
Die Person, die sich schlussendlich zeigte und hinter einem Baum hervortrat, war die Letzte, die ich erwartet hätte.
"Jenna?"
Jenna, die Geliebte meines Bruders, für die er mich dem Henker ausgeliefert hatte, kam vor mir zum Stehen und musterte mich finster.
"Katharina."
Ihre Haut hatte eine olivbraune Färbung und das schlecht gelaunt wirkende Gesicht war von wilden dunklen Locken umrahmt.
Die dunklen, mandelförmigen Augen wanderten an meiner wahrscheinlich erbärmlichen Erscheinung hinab und sie rümpfte verächtlich die Nase.
Jenna, eigensinnig und oft missgelaunt, war einzig und allein von Lucas zum Lächeln gebracht worden. Für diese Schlampe hatte mein Bruder mir den Rücken gekehrt.
Nachdem mein Zorn etwas verraucht war, realisierte ich, was sie soeben getan hatte.
Das Wasser in meinem Mund, das mich fast ertränkt hatte ...
Nein, das konnte nicht sein. Oder?
"Du hast ... Du bist eine Piratin.", schlussfolgerte ich ungläubig.
"Wasserbändigerin", korrigierte Jenna mich; "Abgestellt von meiner Königin zum Beobachten der Schatten und Menschen."
Eine Spionin.
Das musste ich erst einmal verdauen. Sie hatte Lucas und mich also insgeheim nur ausgehorcht und benutzt?
Ein Funke von Triumph flammte in mir auf. Ich hatte es doch gewusst, mit ihr stimmte etwas nicht - Aber eine Wasserbändigerin?
Sie war die erste und einzige ihrer Art, die ich je zu Gesicht bekommen hatte. Aber ja, mit ihrer unerzogenen Art und dieser Manierenlosigkeit, die ich von ihr kannte, passte sie zum Bild einer typischen barbarischen Piratin.
"Du hast uns an der Nase herumgeführt? Und was um der Götter willen hast du hier zu suchen?", sprudelte es aus mir heraus.
Jenna verdrehte, respektlos wie ich sie kannte, die Augen.
"Weißt du, ich bekomme immer mehr Lust, dich doch mit meinem Wasser zu ertränken.", drohte sie mir.
Sie wickelte eine eigenwillige Locke um den Zeigefinger, ohne mich aus den feindseligen Augen zu lassen.
"Was soll der Scheiß?", wollte ich genervt wissen; "Ist Lucas hier?"
Jenna schnaubte nur und bewegte ihre Hand langsam in einer kreisförmigen Bewegung.
Wasser, in Form eines glitzernden Bandes, kam aus ihren Fingern hervor und wand sich um uns beide.
Fließend schloss es einen Kreis um uns. Ich musste zugeben, dass es wunderschön war, wie es so im Sonnenlicht funkelte.
Jenna kniff befriedigt die Augen zusammen. Natürlich musste sie primitiv protzen und wollte mich mit ihrer Kraft beeindrucken.
"Wir sind stark.", erklärte sie mir mit erhobenem Kinn und ließ ein paar Tropfen auf mich spritzen.
Bei den Göttern, wie sehr ich sie doch hasste.
Aber sie war, wie ich wusste, nicht übermäßig intelligent.
Mir kam eine simple Idee, wie ich mich aus dieser Situation befreien konnte.
Konzentriert beobachtete ich die Wasserbändigerin, wie sie mit ihrem Element herumspielte, bis ich den geeigneten Augenblick fand.
Flink und geräuschlos wie eine Schlange schoss ich vorwärts und riss die nervige Angeberin von den Füßen.
Bevor sie mich dann mit ihren Fähigkeiten triezen konnte, schlug ich ihr, so stark ich konnte, mit der Faust gegen den Kopf. Und dann noch einmal.
Als ich sicher war, dass Jenna nicht mehr bei Bewusstsein war, rappelte ich mich wieder auf meine geschundenen Füße und schaute auf das Mädchen herab, das ich gehofft hatte, nie wieder sehen zu müssen.
"Vielleicht seid ihr stark, aber so wird das nichts, du Miststück."




Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt