Igitt, war das eine Spinne?
Ich schreckte hoch und meine Augen rollten alarmiert hin und her, um das krabbelige Insekt zu lokalisieren.
Erst nach einer Sekunde ging mir auf, dass mich bloß eine lose Haarsträhne im Gesicht gekitzelt hatte.
Tief ausatmend lehnte ich mich zurück an die kalte, graue Wand meiner Zelle und schloss die Augen.
Wie einen Film ließ ich die letzten Tage an mir vorbeiziehen.
Hana, die ich wahrscheinlich nie wiedersehen würde.
Die Beziehung mit Gladion, die sich von der heißesten Flamme mit einem Schlag in die finsterste Hölle gewandelt hatte.
Meine Albträume über Lucas, Liliane, den toten Drachen und die Schatten.
Und all das hatte mich hierher gebracht.
Hierher, in diese eintönige, erdrückende Zelle mit ihren grauen Gittern und dem kalten Boden, in der ich allein war mit meinen dunklen Gedanken und meiner verseuchten Seele.
Nun ja, fast allein.
Mit der Faust klopfte ich an die massive Wand, die Jenna und mich trennte.
Diese Wand umgab mich von drei Seiten, nur frontal war ich durch metallische Gitterstäbe von der Außenwelt abgeschnitten, wodurch wenigstens Licht in das Loch fiel, in dem ich womöglich verharren musste, bis sich jemand dazu herabließ, sich mit mir zu befassen.
Würde Gladion mich eigenhändig foltern?
Oder würden die Feuerfinger mich schlicht aushungern, so wie sie Jenna durch das Austrocknen ihrer Kräfte beraubten?
Auf mein Klopfen hörte ich ein unwilliges Brummen aus Jennas Zelle und ich fragte mich zum tausendsten Mal, was sie hier in der letzten Zeit durchgemacht hatte.
"Alles okay?", wollte ich also wissen.
Sobald ich es aussprach, wusste ich, wie dämlich die Frage war.
"Ja, perfekt", schoss Jenna zurück; "Könnte mir keinen besseren Ort vorstellen. Und keine bessere Gesellschaft."
Genervt fuhr ich mir durchs Gesicht.
Ich war müde von den Gestalten, die mich in meinen Träumen jagten, und schon jetzt kam mir mein Körper schwach und ausgezehrt vor.
"Können wir uns den Sarkasmus bitte sparen?", stöhnte ich; "Ich wollte nur wissen, ob du verletzt bist."
"Selbst wenn, könntest du mir wohl kaum helfen.", gab Jenna trocken zu bedenken.
Nach einem Moment der Stille fügte sie jedoch hinzu: "Ein paar Prellungen und Hämatome an Armen und Beinen. Schnitte, aber nicht tief.
Brandwunden an Rücken und an der rechten Schulter. Gebrochene Nase, zwei ausgeschlagene Zähne. Nicht zu vergessen, hungrig und verdammt durstig."
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Schuldgefühle und Angst rangen in mir um die Vorherrschaft, und ich konnte an nichts anderes denken, als daran, was meine Verbündeten, meine Freunde, mit einem gefesselten, ihrer Magie beraubten Mädchen angetan hatten.
"Sie sind nicht gerade sanft mit mir umgesprungen.", bestätigte Jenna schnaubend; "Besonders dein Freund, der hübsche Flammenprinz, hat mir gleich mehrere Besuche abgestattet. Unter anderen Umständen hätte ich mich geehrt gefühlt."
Ein übler Geschmack war in meinem Mund, als ich an Dante dachte, den verletzten Prinzen, den ich als einzigen - neben Ace vielleicht - noch als meinen Freund bezeichnet hätte.
Oh bei den Göttern, was sie inzwischen nur von mir denken mussten!?
Aber andererseits hatte sich auch soeben mein Bild von ihnen drastisch verändert.
Hatte ich vorher noch gehofft, Dante könnte meine Rettung sein - wegen seiner Wir- müssen- aufeinander- aufpassen- Ansprache - konnte ich dies jetzt wieder verwerfen.
Und Kiano, der andere Prinz, würde mich sicherlich mit Vergnügen loswerden.
"Und die Pira- ich meine Wasserbändiger?", überlegte ich; "Wird dich von deinen Leuten keiner retten kommen?"
"Die Aufgabe", atwortete Jenna mit einem verbitterten Unterton; "geht vor. Einzelne sind ersetzlich. Ich bin ersetzlich."
Harte Worte. Allerdings war Jenna wohl in einer harten Welt mit harten Bedingungen aufgewachsen.
"Wie ist es so?", hakte ich nach; "Wasserbändigerin zu sein. Mit seiner Art vertrieben auf einer Insel zu leben."
"Küstendörfer zu plündern? Unter Barbaren aufzuwachsen?", führte Jenna die Aufzählung heiser fort; "Es gibt schlimmeres. Viel Schlimmeres. Und vor allen Dingen wird das nicht für immer so weitergehen.
Wir werden wieder frei sein und die Dörfer an der Küste werden von unseren Familien bewohnt sein. Das Feuer wird vom Wasser gelöscht.
Zumindest sagt Elaina das immer."
Ich runzelte die Stirn.
Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Name mir etwas sagen sollte.
"Elaina?"
Jenna antwortete zuerst nicht und ich dachte schon, dass sie mir, einer Person, die sie nach wie vor nicht unbedingt leiden konnte, nicht mehr von sich selbst preisgeben wollte.
"Unsere Königin", erläuterte die Wasserbändigerin dann mit derart rauer Stimme, dass ich befürchte, sie würde gezwungenermaßen sofort wieder verstummen; "Und meine ältere Schwester. Elaina ist erst zwanzig, aber sie ist ... etwas besonderes. Es ist schwer zu beschreiben. Sie ist begabt, aber nicht nur mit dem Wasser, auch mit dem Worten. Da ist ein Charisma, eine Ausstrahlung, und sie redet, als wäre sie siebzig Jahre weiser. Wir Wasserbändiger sind einander treu und eine eingeschweißte Gemeinschaft, aber durch Elaina sind wir eins geworden. Sie wird uns in eine neue Ära führen. Das Feuer wird vom Wasser gelöscht. Das sagt sie immer."
In ihren Worten hörte ich Jennas Bewunderung für ihre ältere Schwester, diese mysteriöse, machtvolle Königin, von der ich noch nie gehört hatte.
Zugegeben, Elaina musste eine faszinierende Persönlichkeit sein, doch der Gedanke an solch eine Piratenkönigin machte mir auch Sorgen.
Das verbitterte Volk mit Herzen aus Stein zu einen, war beeindruckend.
Doch es bedeutete Gefahr.
Eine neue Macht im bevorstehenden Krieg der Arten.
"Du liebst sie.", stellte ich fest.
"Mehr als alles andere", ereiferte Jenna sich; "Elaina ist ein Stern und ihr alle werdet sie beim Aufsteigen beobachten können."
"Wir zwei wohl eher nicht", bemerkte ich mit Referenz auf unsere prekäre Lage.
Da konnte Jenna mir nicht widersprechen.
Ich seufzte und legte den Kopf in den Nacken, um ihn an der harten Wand in meinem Rücken anlehnen zu können.
Vielleicht war es meine Bestimmung, hier zu sterben.
Doch irgendwie fühlte es sich nicht danach an.
Wie als Antwort auf meine Gedanken ertönten plötzlich Schritte und ich hörte, wid jemand auf uns zuhielt.
Mein Herz schlug schneller.
Von Jenna war kein Mucks zu vernehmen.
Ich hatte keine andere Wahl als mich wie ein ausgeliefertes Tier an die hintere Wand zu drängen und nervös darauf zu warten, was als nächstes geschah.
Die Person, die schließlich auf der anderen Seite der Gitter auftauchte, überraschte mich.
Wachsame Augen musterten mich von obeb und lange Finger legten sich um die Gitterstäbe, wie, um mir näher zu sein.
"Kate", sagte Drake.
Verdattert blickte ich dem Feuerfinger entgegen.
Sein von Narben durchzogenes und verstümmeltes Gesicht war in einem Ausdruck von Schmerz verzogen und da war etwas in seinen drachengrünen Augen, das mich dazu bewegte, mich auf die Beine zu rappeln.
Etwas unsicher und versteift trat ich einen Schritt näher.
"Drake...", setzte ich an; "Du weißt es."
Es verwirrte mich, dass da weder Hass noch Abscheu in seinem Blick zu finden waren.
Dennoch war mir klar, dass der gezeichnete Krieger es wissen musste.
Er streckte eine Hand durch die Gitterstäbe in die Zelle und ich wich unwillkürlich ein Stück zurück.
"Bitte", sagte er mit belegter Stimme; "Ich weiß, wie das ist. Die Leute halten mich für abstoßend, äußerlich und wegen meiner Taten. Ich will dir nichts tun."
"Weshalb bist du hier?", fragte ich und konnte nicht verhindern, dass ich misstrauisch klang.
"Es gibt eine Übereinkunft.", erzählte Drake ernst; "Kiano handelt sie gerade mit deiner Mutter aus. Es geht darum, dich den Menschen zu überantworten, damit sie über dich richten und die Verurteilung diesmal auch zu Ende führen können. Im Gegenzug gibt es eine Allianz zwischen Menschen und Feuerbändigern. Ich möchte dich retten, wirklich, Kate."
Erschrocken schnappte ich nach Luft.
Drake sah mich jedoch unbeirrt aus seinen glühenden Augen an.
"Ich bin dein Freund. Vertrau mir."
Vertrauen?
Wusste er, mit wem er redete?
Ungläubig schüttelte ich den Kopf.
Ein verzweifelter Ausdruck trat in Drakes Blick.
Seine Hand in der Zelle war noch immer in meine Richtung gestreckt und ich wusste, ich brauchte sie nur zu ergreifen und Drake wäre mein Verbündeter, mein Freund.
Der Feuerfinger durchbohrte mich fast schon mit diesem intensiven Blick.
"Bitte, Kate."
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Blazing - Feuriges Band
FantasyFeuer. Liebe. Schicksal. In einer Welt von Feuerbändigern, Schatten, Drachen und Geheimnissen versucht eine bis in die Seele gezeichnete Kämpferin, ihren Weg ins Licht zu finden. ~ Meine Lippen waren rissig, das Haar fettig und die Augen rot. Und w...