Liliane scheuchte mich ganz schön umher. Runde um Runde musste ich drehen, danach Sit-ups und Liegestützen absolvieren, bevor ich Messer werfen musste und dann wieder auf der Laufbahn hin- und hergescheucht wurde.
Anscheinend war Liliane nun meine neue Trainingspartnerin Schrägstrich Folterknechtin.
Nun ja, besser sie als Gladion oder gar Madeline. Keinem der beiden wollte ich in nächster Zeit unbedingt wieder begegnen.
Doch leider bekam man meistens nicht, was man wollte, so auch in diesem Fall.
Am Abend gingen Liliane und ich uns unser Abendessen holen und Gladion saß an dem Tisch, zu dem auch Liliane mich führte.
Es gab Kartoffelsuppe mit Brot und Gladion rührte nur gedankenlos in seiner Suppe herum, bevor er unser Kommen bemerkte.
Bei meinem Anblick presste er die Lippen zusammen und wandte den Blick ab.
Schämte er sich? War er wütend? Hielt er mich für unwichtig? Ich konnte es nicht sagen.
Seine blasse Haut hob sich deutlich von dem schwarzen Hemd ab, das er trug, und sein unordentliches weißblondes Haar hing ihm in die Stirn.
Liliane und ich ließen uns am Tisch ihm gegenüber nieder.
Den ganzen harten Trainigstag über hatte ich diesem Essen entgegengesehnt, doch nun war ich nicht mehr hungrig.
"Wo ist Prinz Dante?", erkundigte Liliane sich bei Gladion.
Sie brach ihr Brot in zwei und tunkte das eine Ende in die Suppe. Ich begann meinerseits, ganz wie Gladion, in der Suppe herumzurühren.
"Politischer Kram. Seine Brüder haben ihn zu sich ins Schloss gerufen.", setzte Gladion uns in Kenntnis.
Liliane zuckte die Achseln, doch ich bemerkte die Enttäuschung auf ihrem Gesicht. Sie hatte tatsächlich etwas für den Flammenprinzen übrig.
"Kate hat heute morgen Bekanntschaft mit Madeline gemacht.", berichtete Liliane.
Gladion hob den Kopf und blickte mich mit seinen blauen Augen fragend an.
"Ja", nahm ich den Faden etwas unbehaglich auf; "Ihre Drachen sind ... ganz nett."
Meine Aussage entlockte Gladion doch tatsächlich ein kleines schnaubendes Lachen.
"Offensichtlich fandest du sie ganz nett.", mischte Liliane sich ein; "Immerhin wart ihr euch ziemlich nahe."
Gladions Augen richteten sich auf Liliane. Die Muskeln an seinem Arm spannten sich an.
"Hat Madeline wirklich ...", setzte er an.
"Ja", bejahte Liliane, bevor der blonde Feuerfinger seine Frage fertig stellen konnte.
Gladion knurrte leise.
"Ich bringe sie um. Warum kann sie sich nicht einmal an Anweisungen halten?", regte er sich auf.
"Weil Dante sie als sein kleines Wunderkind aufgezogen hat. Ihre Verbindung zu den Drachen ist einzigartig in unserer Geschichte und das hat unser Prinz ihr ein bisschen zu oft gesagt, sodass ihr Selbstwertgefühl über dem Mond schwebt.", brummte Liliane mit einem finsteren Ausdruck im Gesicht.
"Er hatte einfach schon immer eine Schwäche für sie."
Keine Ahnung, wann es passiert war, aber es hatte sich ein bitterer Unterton in ihre Worte gemischt, der mich überraschte.
War die bodenständige, talentierte Liliane etwa eifersüchtig?
Gladion winkte ab.
"Trotzdem muss sie Gehorsam lernen.", fand er.
"So wie du?", rutschte es mir heraus.
Verflucht.
Seine blauen Augen bohrten sich in meine Augen und schienen mich ein weiteres Mal von Innen heraus zu verbrennen.
"Ich habe Prinz Dante gehorcht.", entgegnete er unterkühlt.
Verärgert über seinen Tonfall verschränkte ich die Arme vor der Brust.
"Hatte er etwa angeordnet, mich wie ein Hühnchen zu rösten?", zickte ich ihn an.
Gladion sprang auf und stützte sich mit den funkensprühenden Händen auf dem Tisch ab. In seinen Augen brannte ein blaues Feuer.
"Ich habe dich nicht verbrannt, du undankbare Göre.", griff er mich an; "Ich habe die Feuer besser unter Kontrolle als jeder andere und ich bin ganz sicher kein Lügner. Ich. War. Es. Nicht."
Liliane erhob sich unterdessen und warf uns beiden warnende Blicke zu.
"Beruhigt euch. Es war ein Unfall.", sagte sie ruhig; "Hört auf, euch deswegen an die Gurgel zu gehen. Reißt euch gefälligst zusammen!"
Gladion stieß sich kraftvoll vom Tisch weg und eilte in einem Sturm aus Ärger und Feuer davon.
Seine Schüssel mit der Suppe blieb unangerührt zurück.
Angespannt stieß ich die Luft aus.
Liliane betrachtete mich mit einem vorwurfsvollen Blick.
"Musst du ihm wie ein beleidigtes Kind Vorwürfe machen?", fragte sie.
Ich warf die Hände in die Luft.
"Wie ein Kind, ja?", echote ich gestresst; "Ist klar, ich bin der einzige Mensch. Schwächlich und weinerlich. Schön, dass sich jeder in diesem Punkt einig ist!"
Mit diesen Worten, die mich noch viel mehr wie ein kleines Kind fühlen ließen, verließ ich ebenfalls den Raum.
Ich war gekränkt und entnervt von Gladions Verhalten, doch noch viel mehr schämte ich mich über mein eigenes Benehmen.
Unbedacht hastete ich nach draußen, wo es schon dunkel wurde, über die Trainingsanlage und lief in den dahinterliegenden Wald.
Ich wollte alleine sein und von niemandem gesehen werden, wie ich im Scham verging.
Kopflos lief ich an den Bäumen vorbei, durch Blätterhaufen, sprang über Wurzeln und ließ mich immer tiefer in die Dunkelheit des nächtlichen Waldes ziehen.
Nach einer Weile blieb ich abrupt stehen. Es war rational betrachtet nicht die beste Idee, nachts alleine in einen Wald zu rennen, vor allem nicht, wo doch ein Krieg mit den Schatte bevorstand.
Unsicher sah ich mich um.
Hier konnte sich überall eines dieser teuflischen Wesen verstecken und mich beobachten oder mir auflauern. Mein Herzschlag war in der Stille des Waldes unangenehm laut und jeder meiner Schritte war wie der Schrei eines sterbenden Bären.
Verflucht, aus welcher Richtung war ich noch einmal gekommen?
Panik stieg in mir auf und die Finsternis umschloss mich, schien immer näher zu kommen.
Mein Atem beschleunigte sich.
Die Schatten griffen nach mir, verlangten von mir, mich nach ihnen auszustrecken und mich in ihnen zu bergen.
Alles in mir schrie nach den Schattenkräften, die in mir verborgen waren.
Die Versuchung war so groß.
Ich musste meine Instinkte nur gewähren lassen, dann konnte ich mit den Schatten verschmelzen und wäre in Sicherheit.
Niemand würde mich finden oder mir etwas antun können.
Nur den Schatten in mir musste ich entfesseln.
Ich zitterte am gesamten Körper.
Nein. Nein, bitte nicht.
Eine dicke Träne bahnte sich ihren Weg aus meinem Auge und lief mir über die Wange, bevor sie zu Boden tropfte.
Ich spürte die Dunkelheit in mir, wie sie sich rekelte.
Weitere Tränen flossen mir übers Gesicht und ein Schluchzen kam aus meiner Brust.
Es tat so weh, den Schatten gefangen zu halten.
Die Finsternis um mich herum berührte mich mit ihren tiefschwarzen Fingern und ich wollte gerade aufgeben und den Schatten herauslassen, da knackte es hinter mir und jemand sagte: "Na, wen haben wir denn da?"
Ich zuckte zusammen und drehte mich um.
Die Schatten waren verschwunden.
Stattdessen stand eine ältere Frau mit braungrauen Haaren und einem verblüfften Gesichtsausdruck vor mir. Ein erleichtertes Schluchzen entwich mir.
Sie hatte mich gerettet.
Sie hatte die Schatten verscheucht.
Ohne nachzudenken, stürmte ich vor und warf mich in ihre Arme, während weitere Tränen aus meinen Augen hervorquollen.
Die Fremde legte verspätet einen Arm um mich und während ich von zuckenden Schluchzern geschüttelt wurde, hielt sie mich fest.
"Keine Sorge, Kind", sagte sie besänftigend; "Alles ist gut. Ich nehme dich erstmal mit zu mir nach Hause und dann musst du dich nicht mehr fürchten. Hast du gehört? Du musst keine Angst haben."
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Blazing - Feuriges Band
FantasyFeuer. Liebe. Schicksal. In einer Welt von Feuerbändigern, Schatten, Drachen und Geheimnissen versucht eine bis in die Seele gezeichnete Kämpferin, ihren Weg ins Licht zu finden. ~ Meine Lippen waren rissig, das Haar fettig und die Augen rot. Und w...