Kapitel 2

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Beim Erwachen realisierte ich, dass ich wohl doch nicht tot war.
Mein Oberkörper und vor allem mein Kiefer waren von ziehendem und pochendem Schmerz geprägt, was mir meine Lebendigkeit unerbeten deutlich vor Augen führte.
Ich befand mich in einem nicht sehr bequemen, aber ausreichenden Bett, dessen reinweiße Laken mich bedeckten und mir fast bis zum Kinn reichten.
Blinzelnd besah ich meine Umgebung. Das Bett, in dem ich lag, befand sich in meinem sehr sparsam, beziehungsweise gar nicht eingerichteten Zimmer, das bis auf ein Fenster, durch das wieder diese bescheuerte Sonne strahlte, nichts zu bieten hatte.
Ich erhob mich und keuchte unwillkürlich unterdrückt auf, da mein Körper vor Schmerzen durchstochen war.
Trotzdem biss ich die Zähne zusammen, was mein geschundener Kiefer mit einem dumpfen Pochen quittierte, und schob die Laken zurück, damit ich aufstehen konnte.
Schlechtes Timing, denn genau in dem Moment öffnete sich die Tür anderen Ende des Raumes unangekündigt.
Herein trat einer der bestaussehendsten Männer, die ich je zu Gesicht bekommen hatte.
Sein Gesicht war wie mit einem scharfen Messer aus Seife geschnitten, kantig und glatt, seine Augen waren so dunkel, dass sie schwarz wirkten und sein Haar war von einem dunklen Braun.
Den durchtrainierten, definierten Körper nicht zu vergessen.
Ich hasste ihn sofort.
Wer erlaubte einem Feuerfinger, einem von Natur aus schon solch arroganten Wesen, auch noch wie ein halber Gott auszusehen?
Menschen waren für Feuerfinger auch so schon nicht besser als Ungeziefer, was mochte er dann über mich, ein schwaches, verletztes und schmutziges Mädchen, denken?
Seine Augen verrieten wenig, doch seine Körperhaltung drückte Überlegenheit und Selbstsicherheit aus.
"Kate Rowinth, mir ist schon das ein oder andere über dich zu Ohren gekommen.", begann der Feuerfinger unsere Konversation.
Ich rutschte zurück ins Bett und erwiderte stumm seinen direkten Blick.
Mir ging es ordentlich gegen den Strich, dass er in der Machtposition war und ich ihm schwächlich begegnete.
"Was interessieren sich die Feuerfinger für einen Menschen?", fragte ich abweisend.
Der Feuerfinger zeigte sich von meiner Abneigung unbeeindruckt.
"Wir haben dir gestern das Leben gerettet, also reiß den Mund nicht zu weit auf.", warnte er mich.
Ich funkelte ihn an.
Überheblich, wie seine gesamte Art, durch und durch.
"Wer bist du?", verlangte ich zu wissen.
"Dante", antwortete er knapp.
Mich durchfuhr die Erkenntnis wie ein Blitz.
"Prinz Dante? Der dritte Sohn des Königs?", wunderte ich mich.
Dante nickte kurz, als wäre es ihm unwohl, dass ich diese Information über ihn hatte.
"Verzeiht, wenn ich nicht knickse.", spottete ich und deutete auf die dicken Verbände um meinen Oberkörper.
"Es ist mir egal, ob ein Mensch für mich knickst oder nicht.", stellte der Flammenprinz kühl klar und zeigte sich dabei genau so, wie ich ihn eingeschätzt hatte.
Klar.
"Wo bin ich und was zur Hölle geht hier vor?", machte ich mit meinen Fragen weiter.
Dante hob das markante Kinn und betrachtete mich von oben herab.
Ich musste den jämmerlichsten Anblick eines Menschen geben, den der hochwohlgeborene Prinz je gesehen hatte.
"Die Hauptstadt.", erwiderte er.
Die Hauptstadt der Feuerfinger.
Sie wurde auch die Schwelende Stadt genannt und wurde vom Flammenkönig beherrscht, Dantes Vater.
Meines Wissens nach lag die Schwelende Stadt mehrere Tagesreisen von den Gebieten der Menschen und Fost, meiner Heimatstadt, entfernt.
Wie hatten sie ...?
Alsbald dämmerte es mir.
Drachen.
Die Feuerfinger beherrschten diese schuppigen Viecher fast so gut wie ihre Flammen.
Der Gedanke, auf einem fliegenden Drachen transportiert worden zu sein, schüttelte mich.
"Was habt ihr mit mir vor?", wollte ich wissen, doch innerlich graute es mir vor der Antwort.
Der Prinz ließ sich nichts anmerken und überging die Frage.
"Du hast noch ein paar Tage zur Erholung. Nutze sie.", meinte er nur.
Verständnislos starrte ich ihn an.
Diese gesamte Situation war so surreal - ein Flammenprinz und ich im selben Raum, wie wir ein Gespräch führten.
Wenn man es denn als solches bezeichnen wollte.
Denn ohne ein weiteres Wort oder folgende Fragen von mir abzuwarten, drehte sich der gutaussehende Feuerfinger um und verließ das Zimmer genauso plötzlich, wie er gekommen war.

In der Nacht träumte ich von meinen Eltern und Lucas, von damals, als unser Vater noch nicht von den Schatten umgebracht wurde, die sich gierig die Gebiete der Menschen einverleibt und uns zu ihren Untertanen gemacht hatten, während die Feuerfinger abwesend zugesehen hatten.
Mutter war seit den dunklen Tagen der Eroberung verschwunden und Lucas hatte mich schlussendlich auch verlassen.
Doch vor acht Jahren war das alles noch nicht passiert. Ich war erst zehn Jahre alt, unwissend und blind in Hinsicht auf meine Zukunft.
Wir hatten ein normales Leben geführt, Vater hatte Lucas und mich in Selbstverteidigung unterrichtet und Mutter hatte als Ärztin Leben gerettet.
Unser Haus in Fost war ein Gewöhnliches wie jedes andere gewesen und ich spielte mit Lucas und den anderen Kindern auf den Straßen, luchste den Marktverkäufern Früchte und Süßes ab und lag abends in Mutters Armen und ließ mir von ihr vorsingen.
Keine Feuerfinger, keine Schatten.
So würde es nie wieder sein.
Die Tränen, die mir im Schlaf über die Wangen liefen, waren am nächsten Morgen als getrocknete Linien in meinem blassen Gesicht zu erkennen.
Meine Lippen waren rissig, das Haar fettig und die Augen rot.
Und wenn man tief in mich hineinschaute, sah man auch mein gebrochenes Herz.


Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt