"Drake ... Was zur Hölle ...?"
"Nicht jetzt!"
"Ist das Kate?"
Meine Gedanken waren ein einziges Wirrwarr und das, was ich von meiner Umwelt wahrnahm, ergab in meinem Kopf keinen Sinn.
Lichter, Feuer und grausige Schatten jagten einander hinter meinen Augenlidern und ich merkte, wie die Dämonen in mir die Überhand gewannen.
Sie zischten und flüsterten; und zuerst konnte ich nicht verstehen, was sie sagten. Doch dann wurde das Flüstern lauter und mir lief bei den Worten der Ungetümer ein kalter Schauer über den Rücken.
Königin der Schatten. Herrin der Finsternis. Gebieterin aller Reiche von der Dämmerung bis zum Morgengrauen.
Das Geflüster und Gezischele in meinen Gedanken ließen mich zurückschrecken, aber dann verspürte ich etwas, das mir nur noch mehr Angst machte.
Sehsucht.
Sehnsucht nach diesen Stimmen, nach dem Herrschen, nach der Dunkelheit.
Wie einfach es wäre, sich jetzt fallen zu lassen.
Genau in dem Augenblick, als sich dieser scheußliche Gedanke meiner bemächtigte, wurde ich mir wieder halbwegs meiner Umgebung bewusst. Flackernde Feuer spendeten mir Licht und ich war gerade so dazu imstande, die Augen einen Spalt weit zu öffnen.
Mein Kopf dröhnte unbarmherzig und mir schossen Schmerzen durch den Körper, deren Ursprung ich nicht genau lokalisieren konnte.
"Wie ist die Lage?", informierte sich gerade eine Person, die sich mir schnellen Schrittes näherte.
Sie hatte schwarzes Haar, dunkle Haut, eine geschwungene Nase ... Liliane, half mir mein Gehirn auf die Sprünge.
"Kate hat tiefe Wunden an den Unterarmen, die genäht werden müssen. Vermutlich wurde sie auch am Kopf verletzt, auf jeden Fall ist sie noch bewusstlos, aber stabil.", erläuterte ihr eine Person, die direkt neben mir stand.
Ich schaffte es nicht, den Kopf zu drehen, um ihn oder sie anzusehen. Im Allgemeinen brachte ich als Bewegung gerade einmal ein erbärmliches Fingerzucken zustande.
Ohne Vorwarnung huschte erneut ein schwarzer Schatten durch mein Blickfeld und ich machte hastig wiedet die Augen zu.
"Sonst noch etwas?", fragte Liliane, doch sie klang weit, weit entfernt.
Jemand räusperte sich. Oder hustete; so genau konnte ich das nicht sagen.
"Kratzer, ein paar Hämatome und vermutlich eine geprellte Rippe ..."
Ich dämmerte weg.Als ich das nächste Mal mein Bewusstsein erlangte, waren die Schatten verschwunden.
Zunächst war ich verwirrt von der Stille und dem Frieden in meinem Kopf, bis ich begriff, dass ich aus irgendeinem Grund eine Auszeit von den Schrecken in mir bekommen hatte. Dennoch dröhnte mein Schädel und ich fühlte mich schwach.
Verschwommen sah ich, dass jemand an meinem Bett stand. Als mein Blick aufklarte, erkannte ich an der bleichen marmorweißen Haut und dem ins Gesicht fallenden hellblonden Haar, dass es sich um Gladion handelte.
Sein ernst wirkendes Gesicht war zu einer Grimasse verzogen und erst dann fiel mir auf, dass er sich mit einer anderen Person unterhielt, deren Gegewart mir zunächst entgangen war.
Schnell kniff ich die Augen zu winzigen Spalten zusammen, begierig darauf, das Gespräch unbemerkt zu belauschen.
Ich lebte zwar schon seit einiger Zeit im Trainigslager der Feuerfinger, doch das hieß nicht, dass ich eine von ihnen war oder ihnen vollkommen vertraute.
Wenn sie mich hintergingen und auf ihre so typisch arrogante Art fallen ließen, hatte ich keinen Ort, an den ich gehen konnte. Auch wenn es mir missfiel, ich brauchte sie mehr als andersherum.
Deshalb musste ich auf alles gefasst sein.
Jeder konnte mich verraten; selbst mein eigen Fleisch und Blut war davor nicht zurückgeschreckt.
"Du willst mir erzählen, dass du sie mit deinem Feuer nicht beschützen konntest?", schnaubte Gladion ungläubig.
Sein Gesprächspartner warf entnervt die Hände in die Luft. Leuchtend grüne Augen funkelten Gladion entgegen.
"Es waren viele und meine Gabe ist nicht so ausgeprägt, wie bei anderen, was du ganz genau weißt.", knurrte Drake; "Du reagierst über. Kate geht es gut, da hat sie schon Schlimmeres erlebt. Das wahre Problem sind die Schatten. Sie werden immer kühner. So nah waren sie noch nie an der Hauptstadt."
Aus Gladions Körperhaltung sprach noch immer die Feindseligkeit dem anderen Feuerfinger gegenüber, jedoch beherrschte er sich und fuhr sich nur über das streng geschnittene Kinn.
"Der König konsultiert seine Söhne; es ist nicht zu bestreiten, dass wir in schwierigen Zeiten stecken.", entgegnete Gladion; "Der Krieg rückt näher. Den Schatten wird der Tod sechs ihrer Spione nicht gefallen. Unsere Grenzposten melden, dass die Menschen immer unruhiger werden. Selbst sie spüren, dass bald etwas geschehen wird."
Drake murmelte etwas Unverständliches.
"Das ist die große Unbekannte bei der ganzen Sache.", meinte er; "Die Menschen. Wir wissen nicht, was sie tun werden, wenn der Krieg beginnt. Werden sie sich für die Schatten abschlachten lassen? Werden sie sich erheben und ihr Reich zurückfordern? Oder werden sie sich ängstlich verkriechen?"
Die beiden Feuerfinger drehten die Köpfe zu mir und ich schloss eilig die Augen, um nicht beim Zuhören erwischt zu werden.
"Sie kann nicht zurück.", sagte Drake; "Was wird aus einer Person, die ihr Volk verloren hat?"
"Sie kann nicht zurück", stimmte Gladion leise zu; "Aber wer von uns kann das schon?"
Da war sie wieder, diese Abneigung, welche gespannt im Raum hing und die Luft vergiftete, die wir einatmeten.
"Gladion, ich weiß nicht, was du von mir willst.", fuhr Drake den anderen abweisend an; "Ich war jung und unbedacht und du ..."
"Ach, halt die Fresse, Drake!", schrie Gladion wutentbrannt.
Ich öffnete die Augen wieder zu Schlitzen und sah, dass auf den Händen und die Arme des blassblonden Feuerfingers rotgoldene Flammen heraufzüngelten.
Drake war einen Schritt zurückgewichen und hatte einen undurchsichtigen Ausdruck in den Augen stehen.
Die Hitze des in die Höhe wachsenden Feuers auf Gladions Haut schlug mir entgegen und ich beschloss, einzugreifen, bevor Gladion Drake zu einem knusprigen Braten verarbeitete.
Mich aufzusetzen, erwies sich mit schmerzenden Kopf und verletzten, bandagierten Unterarmen als umständlich, doch ich schaffte es, mich aufzurichten und mir das ungewaschene blonde Haar aus dem Gesicht zu streichen.
"Lass den Scheiß, Gladion!", rief ich; "Kein Feuer in diesem Zimmer, leb deine Aggressionen woanders aus!"
Ich wusste zwar, was seine Wut derart entfesselt hatte, doch für die gewalttätige Vorgeschichte der zwei einst befreundeten Feuerfinger hatte ich gerade wirklich keinen Nerv übrig.
Zudem nutzte es niemandem etwas, wenn die beiden sich gegeseitig umbrachten.
Zu meiner Überraschung verschwand das zornige Feuer auf Gladions Armen tatsächlich und seine blauen Augen richteten sich auf mich.
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Drake, der daraufhin den Kopf schüttelte und schließlich das Zimmer verließ.
Laut knallte die Tür hinter ihm zu.
Gladion kam ein wenig näher zu dem Bett und mir heran und ich wurde mir meiner unvorteilhaften Erscheinung bewusst.
Wahrscheinlich sah ich aus wie ein Geist mit der bleichen Haut, den Augenringen, dem strähnigen Haar und dem weißen Hemd, das ich trug.
Gladion verhielt sich aber nicht, als wollte er sich über mich und meine menschliche Schwäche lustig machen.
Seine langen weißen Finger waren wie Krallen gebogen und er schluckte, bevor er durchatmete.
Dieses Benehmen seinerseits verwirrte mich.
Wo war der überlegene, feuerbändigende Mann, der mich nach meiner Beinahe-Hinrichtung am Krankenbett verspottet hatte?
"Wir müssen reden."
Oh, wie sehr ich diesen Satz doch hasste.
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Blazing - Feuriges Band
FantasyFeuer. Liebe. Schicksal. In einer Welt von Feuerbändigern, Schatten, Drachen und Geheimnissen versucht eine bis in die Seele gezeichnete Kämpferin, ihren Weg ins Licht zu finden. ~ Meine Lippen waren rissig, das Haar fettig und die Augen rot. Und w...