Kapitel 12

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Die Realität holte mich nach diesem wortwörtlichen Höhenflug zuverlässig wieder ein.
Auf die atemberaubende Nacht folgte ein zäher Tag, den ich mit Liliane und Ace verbrachte und und in deren Gesellschaft ich mich körperlich verausgabte.
Ununterbrochen schleuterten sie ihr Feuer in allen möglichen Formen auf mich und rannten mit mir auf der Laufbahn, bis meine Lunge in Flammen stand und der Schweiß mir in Stömen übers Gesicht, den Rücken und zwischen die Brüste lief.
Stunden später machten wir eine Pause. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich weder Gladion noch Drake oder Madeline gesehen.
Ich war mir auch nicht sicher, ob ich das wollte. Der Kuss mit Drake war unbedacht gewesen, viel zu früh; immerhin hatte ich ihn erst vor zwei Tagen kennengelernt. Und ich wusste noch immer nichts über seine Narben und die Verbindung zu Gladion.
Zudem, was am wichtigsten war, er war ein dreimal verdammter Feuerfinger. Feuerfinger und Menschen küssten sich nicht. Sie bekamen keine Kinder miteinander - weil es auch biologisch unmöglich war - und ganz sicher kamen sie sich nicht nahe.
Die Feuerfinger hatten uns Menschen ungerührt sterben und von den Schatten unterdrücken lassen.
Da konnte ich doch nicht einfach einen von ihnen küssen.
Das machte mich nur noch mehr zu einer Verräterin meiner Art, als ich es ohnehin schon war.
Nein, Drake konnte ruhig noch ein wenig von mir fernbleiben. Dasselbe galt für Gladion.
Er würde mich nur noch mehr verachten, wenn er von dem Kuss erfuhr.
Ich versuchte, die Gedanken aus meinem Kopf zu verscheuchen, derweil ich nach drinnen ging, um etwas zu trinken.
Ace und Liliane fanden sich bereits mit den anderen Soldaten im Esssaal ein, wo es das Mittagessen gab.
Ich mochte weder das gemeinsame Essen, wobei mir immer unangenehm bewusst war, dass ich der einzige Mensch, die Außenseiterin, war, noch gefiel mir der Gedanke, möglicherweise Gladion oder Drake über den Weg zu laufen.
Ich brauchte Zeit für mich, bevor ich mit dem folterähnlichen Training fortfahren würde.
Gerade als ich in das Gebäude mit den Unterkünften, in denen die Soldaten schliefen, trat, kam mir eine kleine Gruppe Feuerfinger entgegen.
Sie waren zu viert, nur wenig älter als ich und waren offensichtlich in eine Unterhaltung vertieft.
Als sie mich bemerkten, bekam ich abschätzige Blicke zu spüren und ein Feuerfinger rempelte mich im Vorbeigehen sogar ein.
Natürlich wussten sie, wer ich war.
Eigentlich war ich nicht in der Laune, zu streiten, doch auch ich hatte meinen Stolz und die abwertende Behandlung durch die Feuerfinger war generell etwas, das an mir nagte.
"Pass doch auf!", fauchte ich überreizt.
Der Übeltäter fuhr zu mir herum und durchstach mich mit einem arroganten Blick.
"Was hast du gesagt, Mensch?", fragte er mit einem gefährlichen Unterton.
Ich sah das Flimmern von Feuer an seinen Händen, als seine Arme sich anspannten.
Als ob ich mir dadurch in die Hose machen würde.
"Mann, die ist doch egal. Ich hab Hunger.", schaltete sich der Älteste der Gruppe ein, der schon wie an die dreißig aussah und im Gegensatz zu seinen Kumpanen relativ vernünftig zu sein schien.
Der wütende Feuerfinger ließ jedoch nicht von mir ab, sondern machte noch einen Schritt auf mich zu.
Ich spannte mich an, bereit, ein wenig angebrutzelt aus dieser Situation herauszugehen.
"Lass sie in Ruhe und geh essen.", sagte plötzlich jemand Vertrautes hinter mir.
Die Augen des streitlustigen Typen weiteten sich.
"Prinz Dante ...", sagte er verdattert; "Ich ... Sofort, Eure Majestät."
Es war ein kleines Wunder, wie schnell sich die Gruppe nach draußen verziehen konnte.
Ich drehte mich zu meinem Retter um.
Dante und ich waren nun die einzigen im Gang, also entspannte ich mich augenblicklich.
Dann betrachtete ich den Flammenprinzen genauer und runzelte die Stirn.
Sein dunkelbraunes Haar war unordentlich und unter seinen fast schwarzen Augen lagen tiefe Schatten. Generell wirkte sein attraktives Gesicht ausgelaugt und irgendwie traurig.
"Ist alles ... in Ordnung?", erkundigte ich mich sehr vorsichtig.
Dante ging nicht darauf ein.
"Gern geschehen.", meinte er nur, bevor er sich von mir abwenden wollte.
"Dante!", rutschte es mir heraus. Er verharrte und musterte mich mit einem fragenden Gesichtsausdruck.
Ich biss mir auf die Lippe.
"Ich meine ... Prinz Dante", verbesserte ich mich; "Ist etwas in Dyrant passiert?"
Ich dachte an die unzähligen Menschen, die dort für die Schatten kämpften und ihre Leben massenhaft verloren und an Drakes Familie, die sich in der Grenzstadt aufhielt.
Dante stieß einen tiefen Seufzer aus.
"Ja. Dyrant ist kurzzeitig gefallen, aber wir haben es gleich am nächsten Tag wieder eingenommen. Mein Bruder, Prinz Nathan, hat dabei sein Leben gelassen.", berichtete Dante und mir wurde klar, wieso er so geschafft war.
Schmerz glitzerte in seinen tiefbraunen Augen.
"Ich ... Es tut mir ehrlich, ehrlich leid.", erklärte ich mit zugeschnürter Kehle.
Dante verzog das Gesicht zu einem erbärmlichen Versuch eines Lächelns.
"Immerhin ist die Stadt nicht verloren. Dyrant ist unser zweitgrößter Stützpunkt und Nathan hat ihn zurückgeholt wie ein Held.", sagte er; "Mein Vater und mein Bruder Kiano sind außer sich. Wir haben mehr Motivation denn je, diesen Krieg zu gewinnen."
Ich nickte verständnisvoll.
Dantes Blick kreuzte sich mit dem meinen und er wurde weicher.
"Mir tut es auch leid.", beteuerte er leise; "Es sind viele Menschen gestorben. Tausende."
Ich presste die Lippen zusammen und nickte knapp, obwohl ich das schon befürchtet hatte.
In einer überraschenden und zugleich unnatürlichen Bewegung kam Dante zu mir und legte seine Arme um mich.
Ich spürte seine Muskeln und die Wärme, als er mich kurz an sich drückte.
Was zur Hölle?
Erst küsste ich einen Feuerfinger und jetzt umarmte ich einen Flammenprinzen. Was war nur los mit mir?
In der nächsten Sekunde hatte er mich auch wieder losgelassen, woraufhin ich zurückwich, als hätte ich mich am Feuer verbrannt.
Vielleicht hatte ich das im übertragenden Sinne auch getan.
Dante wirkte auch leicht verlegen.
Ich legte den Kopf schief und versuchte, meine sich überschlagenden Gedanken zu ordnen.
"Ich habe noch eine Frage.", teilte ich Dante mit.
Er bedeutete mir mit einer Handbewegung, weiterzusprechen.
"Bei unserer ersten Begegnung", begann ich; "Da schienst du mich zu hassen. Du warst abweisend und ... zornig. Aber als ich dich wiedergesehen habe, warst du auf einmal freundlich. Ohne ersichtlichen Grund. Warum?"
Dante nickte verstehend und verschränkte dann die Arme vor der Brust.
"Klar, dass es dich gewundert hat.", fand er; " Das ist eine etwas komplizierte Sache gewesen. Du weißt, wer die Piraten sind?"
Mit meiner Hand machte ich eine vage Bewegung, da ich bisher nie wirklich viel darüber gehört hatte.
Dante sprach weiter.
"Ihre Vorfahren waren Wasserbändiger, die natürlichen Erzfeinde von uns Feuerbändigern und sie waren uns einst ebenbürtig. Doch vor Jahrhunderten - damals war mein Urururgroßvater König - haben wir sie vernichtend geschlagen und unrühmlich die meisten Wasserbändiger umgebracht.", erläuterte der Flammenprinz mir; "Die letzten Überlebenden dieser Art wurde auf die Pirateninseln, südöstlich von der Schwelenden Stadt im Meer, vertrieben. Seither leben die Nachkommen der Wasserbändiger dort als räuberische Seefahrer auf den Inseln und unternehmen hin und wieder Raubzüge an unseren Küsten. Wir nennen sie nur noch Piraten und sie sind zu geschwächt, um uns bedrohen zu können. Jedoch wissen wir inzwischen nicht mehr so viel über ihre Fähigkeiten."
Ich hörte geduldig zu, auch wenn ich mich allmählich fragte, was das alles mit mir zu tun hatte.
Sicherlich, diese Geschichte von Wesen mit Wasserkräften, dem gleichstarken Pendant zu den Feuerfingern, war interessant und neu für mich, doch ich sah meinen Platz in der Geschichte nicht.
Als könnte er meine Verwirrung spüren, beiilte Dante sich, zum Punkt zu kommen.
"Wie dem auch sei", sagte der Flammenprinz; "Einer unserer Informanten in Fort hat uns von einer übernatürlichen Präsenz unter den Menschen berichtet. Er war sich beinahe sicher, dass dort ein Wasserbändiger zwischen den Menschen lebt. Und als du als Mörderin und Monster angeprangert wurdest, dachten wir, du könntest dieser Wasserbändiger, diese Piratin, sein."
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen.
"Ihr habt mich bei meiner Hinrichtung gerettet, weil ihr vermutet habt, dass ich eine Wasserbändigerin sein könnte?", brachte ich hervor.
Dante bestätigte es: "Richtig. Wir wollten Informationen. Wissen, wie stark die Piraten geworden sind. Bei unserer ersten Begegnung hatte ich noch den Verdacht, dass du eine Piratin bist. Deshalb war ich so kalt. Aber es wurde schnell klar, dass du nur ein Mensch bist. Doch wegen deines Wissens über Schatten bist du uns dennoch nützlich."
"Also eine Win-Win-Situation für euch.", erkannte ich.
Ich sah in Dantes Augen, dass das wahr war.
Nachdenklich zog ich die Augenbrauen zusammen.
"Aber wenn ich es nicht bin, dann heißt das ... ", schlussfolgerte ich; "Dass da draußen noch ein Wasserbändiger herumgeistert, wenn er bei dem Feuer nicht gestorben ist."
"Unwahrscheinlich", mutmaßte Dante.
Ein Kribbeln lief mir über den Rücken und meine Härchen am Nacken stellten sich auf.
Warum musste es nur all diese übernatürlichen Spezies geben?
Ich schloss die Augen und versuchte, mir eine Welt vorzustellen, in der nur Menschen existierten.
Mann, das musste eine schöne, friedliche Welt sein.






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