Kapitel 49

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Es hatte sich etwas verändert.
Die genaue Ursache war schwer zu ermitteln, doch während ich auf dem Weg zu Dantes Zimmer durch das Trainingslager wanderte, war es überdeutlich.
Die Soldaten hielten sich nicht länger mit mir auf, widmeten mir nicht einmal mehr einen hochmütigen Blick, und es hatte sich eine konzentrierte Wachsamkeit in die Augen der Feuerfinger eingeschlichen.
Der Wind war umgeschlagen, es hing eine Anspannung in der Luft und die Mienen um mich herum waren nicht länger von Sorglosigkeit und scherzhafter Feierlaune gezeichnet, sondern von Ernsthaftigkeit.
Kein Witzeln mehr, keine beiläufigen Gespräche, keine kumpelhaften Rangeleien.
Der Krieg hatte uns alle im Griff.
Die Auseinandersetzungen an den Grenzen, Überfälle auf Grenzdörfer und Gewalttaten häuften sich und nur ein Funken würde reichen, um das zerstörerische Buschfeuer zu entfachen.
Und selbst den arroganten, törichten Soldaten war nun die Präsenz des Krieges bewusst geworden und auch die Möglichkeit, deren alleinige Erwägung den stolzen Feuerfinger zuwider war, einer Niederlage gegen die Schatten stand im Raum.
Kiano hatte sich in seine Räume zurückgezogen und schmiedete Pläne, derweil wir anderen vom Training, Taktiken und eingenommen waren.
Heute hatte ich es jedoch einrichten können, endlich wieder einmal bei Dante vorbeizusehen, der noch immer von seinem Bruder zum Ausruhen verdonnert war.
Ich hatte den Flammenprinzen lange nicht gesehen und hatte ihn vermisst, doch gleichzeitig war ich auch verunsichert wegen der vielen Dinge, die seit unserem letzten Gespräch passiert waren.
Vor seiner Tür zögerte ich.
Mit Madeline und Drake hatte ich mich versöhnt und auch Ace und ich behandelten einander inzwischen höflich, wenn auch meist sachlich.
Aber Dante ... Ich wusste nicht, was ich von dem gutaussehenden Prinzen zu erwarten hatte.
Wir müssen aufeinander aufpassen., hatte er gesagt. Galt das immernoch?
Meine Faust schwebte in der Luft, bereit, an die Tür vor mir anzuklopfen.
Schließlich überwand ich mich und klopfte.
Verdammt, immerhin würde ich in nächster Zeit deutlich schlimmeren Gestalten als Dante gegenüberstehen.
"Herein!", hörte ich die kräftige Stimme des Flammenprinzen.
Bevor mich wieder die Zweifel überfielen, öffnete ich die Tür und machte einen Schritt ins Zimmer, wo ich unschlüssig stehen blieb.
Dante saß ein paar Meter entfernt an einem Tisch und beugte den Kopf über irgendwelche Papiere.
Bei meinem Eintreten wandte er sich mir zu und ein müdes Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab.
"Hallo, Kate", begrüßte er mich.
Seine Stimme war kräftig, auch sein wie von einem Künstler geschliffenes Gesicht wirkte gesünder und hatte mehr Farbe bekommen; der zuvor ausgezehrte Körper hatte wieder an Muskelmasse zugelegt und der Glanz in seinen dunklen, fast schwarzen Augen war zwar müde, aber zurückgekehrt.
Ich schloss die Tür hinter mir und trat dann einen Schritt näher an den sich erholenden Prinzen heran.
"Ich studiere gerade unsere Befestigungsanlagen an der Grenze.", erklärte Dante und deutete auf die Papiere vor sich; "Ziemlich öde, aber wenigstens habe ich etwas zu tun und fühle mich nicht vollkommen nutzlos."
Der Prinz stieß einen Seufzer aus und musterte mich dann ausführlich.
"Dir geht es also besser.", folgerte ich und lächelte vorsichtig.
"Ja, aber Kiano zwingt mich, noch mindestens diese Woche hier zu bleiben und mich auszuruhen.", sagte Dante.
"Der Mann geht kein Risiko ein.", bemerkte ich.
Erleichtert über die entspannte Atmosphäre verschränkte ich locker die Arme vor der Brust.
"Zumindest, was mich betrifft.", stimmte Dante mir zu; "Allerdings ist er im Krieg der reinste Glücksspieler. Ein paar Bluffs hier, noch mehr Lügen da. Intrigen und so weiter. Nicht mein Ding."
Er warf mir einen leicht erheiterten Blick zu und lehnte sich dann in dem Stuhl zurück, auf dem er saß.
"Und wie geht es dir?", fragte der Flammenprinz dann; "Kiano hat mir von dem ganzen Mist erzählt, der so passiert ist, während ich im Bett rumlag."
Ich versuchte, Dantes Gefühlslage abzuschätzen. Er schien nicht wütend auf mich zu sein, und auch nicht wirklich enttäuscht. Traurig, vielleicht, und resigniert.
"Ja, ich trage einen Schattenprinzen in mir, wurde dafür eingesperrt, dann den Menschen übergeben und habe meine Mutter und weitere umgebracht und wurde dann - ausgerechnet - von Madeline gerettet." Ich holte tief Luft. "Ziemlicher Mist."
Dante schnaubte und ich schüttelte den Kopf.
Als sich unsere Blicke trafen, lachten wir jedoch beide kurz sarkastisch auf und mein Herz wurde warm durch das Gefühl der Verbundenheit, das wir in diesem Moment teilten.
"Wenigstens hasst du mich nicht. Ich hatte wirklich Angst, dass unsere Freundschaft zerstört wäre.", offenbarte ich.
Dantes Miene verdunkelte sich für einen Moment.
"Weißt du", erklärte er; "Seit ich Liliane verloren habe, weiß ich gar nicht, ob ich noch die Kraft aufbringe, wirklich zu hassen. Da ist so etwas wie ein tiefes Loch in mir, seit sie gestorben ist ... und ich weiß nicht, wie das wieder verschwinden soll. Und auch so würde ich dich nie hassen, Kate. Du, Kiano und Madeline - ihr seid alles, was ich noch habe. Kiano und Madeline sind meine Familie und du bist meine wichtigste Freundin. Ich brauche euch. Ich liebe euch. Wir passen aufeinander auf, schon vergessen?"
"Wie könnte ich das vergessen?", flüsterte ich mit Tränen in den Augen.
Dann ging ich zu dem Prinzen, demjenigen, dem ich trotz meiner Lügen, Geheimnisse und Schandtaten noch lieb und teuer war, und umarmte ihn.
Er war so eine gute Person, besser als die meisten Menschen und definitiv besser als die meisten Feuerfinger.
Und als er seine Arme um meine Schultern legte und mir die Tränen von den Wangen wischte, wusste ich, dass auch er mein wichtigster Freund war und auch ich ihn liebte.
Für ihn würde ich kämpfen und in diesem gottverdammten Krieg die mir von Kiano zugedachte Rolle erfüllen - weil es niemanden gab, der das mehr verdiente.

Am Abend versammelte der Kronprinz auch schon einen Rat aus einem Dutzend für die Armee wichtigen Feuerfingern; Madeline, Gladion und mich eingeschlossen.
Die anderen waren ältere, erfahrenere Krieger mit strengen Mienen und harten Augen.
Kiano, mürrisch und mit dunklen Ringen unter den kalten Augen, stellte sich vor uns und schaute jeden einzelnen an, den er zu dieser Besprechung in den abgeschiedenen Raum zitiert hatte.
Seine hagere Gestalt ragte über uns auf und ließ Kiano wie einen düsteren Schatten wirken.
"Es wurden genug Bündnisse erwägt, genügend Vereinbarungen getroffen und gebrochen.", begann der Kronprinz seinen Vortrag mit seiner eisernen, emotionslosen Stimme; "Wir haben unsere Möglichkeiten abgewägt und unsere Situation gründlich überdacht. Und mein Vater hat beschlossen, dass es damit jetzt genug ist. Er hat seinen Sohn, meinen Bruder, verloren und nun ist es an der Zeit für uns, in die Offensive zu gehen."
Kiano machte eine bedeutungsschwere Pause.
Das Schweigen lastete schwer auf uns und ich spürte, dass jemand die Augen auf mich gerichtet hatte.
Ich wusste, dass es Gladion war, der mich mit seinen strahlend blauen Augen durchbohrte.
Er wollte, dass ich seinen Blick erwiderte, doch den Gefallen würde ich dem verräterischen Feuerfinger nicht tun, auch wenn er mich noch stundenlang derart anstarren würde.
Sein intensiver Blick glühte auf meiner Wange, aber ich wandte mich ab und befahl mir, jegliche emotionale Regung im Griff zu behalten.
"Wir werden nicht länger warten, dass die Schatten zu uns kommen und unsere Dörfer wie die Piraten überfallen.", führte Kiano seine Rede fort, wobei jedes Wort wie ein messerscharfer Eissplitter war und sich in mein Gehirn bohrte; "In vier Tagen werden wir einen Angriff starten und somit diesen Krieg offiziell beginnen. Dies wird vermutlich die erste Schlacht von vielen sein und wir werden sie auf gegnerischem Boden ausfechten. Dennoch; wir werden die Kontrolle haben. Wir werden siegen und schließlich wiederherstellen, was durch die Schatten der Zerstörung nahe ist: Unsere Sicherheit, unsere Macht, unsere Welt. Denn das Licht des Feuers ist stärker als die Dunkelheit."






Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt