Kapitel 4

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Gladion schleppte mich nach dem Gespräch direkt weiter zu der Trainingsanlage. Meine rechte Seite begann, noch von meinen Verletzungen gezeichnet, unangenehm zu pochen, doch ich zeigte meine Schmerzen nicht.
Gladion machte nicht gerade den Eindruck, als würden ihn meine Wehwehchen interessieren.
Er führte mich durch die Gänge, die größtenteils gleich aussahen, nach draußen, wo sich von uns eine große Laufbahn erstreckte, an deren Seiten sich Dummys, Attrappen und Waffen befanden, womit mehrere Feuerfinger bereits trainierten.
Zwei große Typen bombadierten sich mit Flammenbällen, eine Frau in den Vierzigern hatte ein Schwert in Brand gesteckt und fuchtelte damit herum, ein ernst dreinschauender Mann mit vielen Narben umgab sich mit einem Feuerschild und drei ziemlich junge Feuerfinger drehten ein paar Runden auf der Laufbahn.
Gladion führte mich zu einer Frau, die nur wenige Jahre älter war als ich und mit brennenden Messern auf eine Wurfscheibe in zehn Metern Entfernung zielte.
Als wir uns ihr näherten, hielt sie inne und wandte sich uns zu.
Ihre braune Haut war von einem dünnen Schweißfilm überzogen und ihr schwarzes Haar war leicht zerzaust, doch ihr Lächeln wirkte auf mich echt.
"Gladion", grüßte sie; "Ist das das kleine Menschenmädchen, um das du dich kümmern sollst?"
"Kate", erwiderte ich, bevor Gladion den Mund aufmachen konnte; "Und um mich muss sich niemand kümmern."
Die Kämpferin nickte und ich meinte, Respekt in ihren braunen Augen erkennen zu können.
"Wie alt bist du?", erkundigte sie sich.
"Achtzehn.", beantwortete ich die Frage mit erhobenem Kinn.
Ich hatte schon gemerkt, dass ich auf diesem Gelände nicht nur der einzige Mensch, sondern auch die Jüngste war.
"Das ist Liliane.", klinkte Gladion sich wieder ein; "Sie ist Bestandteil der Spezialtruppe und eine der beherrschtesten und genausten Feuerbändiger, die wir haben."
"Natürlich nach dir", fügte Liliane an Gladion gewandt hinzu und zwinkerte neckisch.
Die Frau wurde mir allmählich sogar sympathisch.
Das Gefühl bestärkte sich noch, als sie mir nach einem Blick auf meine offenen blonden Haare ein Haargummi von ihrem Handgelenk löste und zuwarf.
Dankbar nahm ich es an und band meine Haare zusammen. Es war klar, dass Gladion gedachte, mich heute ein wenig zu testen.
Ich hoffte nur, dass meine noch nicht ganz verheilten Blessuren keine Probleme machen würden.
Nach Liliane stellte Gladion mich einem ungewöhnlich dünnen, aber dennoch athletisch wirkenden Jungen namens Ace vor, der nur ein Jahr älter war als ich und auffällig rotes Haar hatte.
"Schön, nicht mehr der Jüngste zu sein.", meinte er zu mir.
Ace wirkte etwas unbeholfen im sozialen Umgang, doch Gladion versicherte mir, dass niemand heißere Flammen produzieren und besser Schatten aufspüren konnte.
Nach dem Gespräch mit Ace führte Gladion mich herum und zeigte mir alle Einrichtungen.
Der blasse, hellblonde Feuerfinger war nicht sehr gesprächig und schien auch nicht so glücklich darüber, seine Zeit mit einem Menschen verbringen zu müssen.
"Was hast du angestellt, dass Dante dich damit beauftragt, sich mit mir zu befassen?", wollte ich wissen.
Gladion verzog leicht das Gesicht.
"Der Prinz tut, was er für nötig hält.", entgegnete er nur.
"In diesem Fall lässt er seinen besten Kämpfer den Fremdenführer spielen.", sagte ich.
Gladion widersprach nicht, doch die Unzufriedenheit auf seinem Gesicht verstärkte sich.
Ich beschloss, tiefer zu graben.
"Wolltest du mich überhaupt in deiner Truppe oder musstest du dich dem Prinzen unterordnen?", bohrte ich nach.
"Ist jeder Mensch so nervtötend?", beschwerte der Feuerfinger sich gereizt.
Ich funkelte ihn scharf an.
"Vielleicht ist das der Grund, warum ihr zugeschaut habt, wie wir zu Tausenden abgeschlachtet wurden.", warf ich ihm vor.
Gladion schnaubte.
Seine blauen Augen glitzerten wild und ich sah, wie sich seine Muskeln anspannten.
"Wenn ihr euch nicht selbst beschützen könnt, dann seid ihr schwach und es nicht wert, gerettet zu werden.", feuerte er zurück.
Seine Worte trafen mich tief, da mein Vater durch diese unter den Feuerfingern weit verbreitete Meinung ums Leben gekommen waren.
Wer weiß, was passiert wäre, wenn die Feuerfinger sich uns gegen die Schatten angeschlossen hätten?
"Aber ihr seid so viel besser, was? Erst jetzt, wo es um eure Sicherheit geht, befasst ihr euch mit den Schatten! Vorher durften sie uns umbringen und unterdrücken.", rief ich verärgert aus; "Das ist verdammt arrogant und egoistisch!"
Gladion winkte eindeutig genervt ab.
"Spar mir deine moralischen Ansichten; sie sind mir egal.", fuhr er mich an.
"Wie schön!", blaffte ich zurück.
Ein Geräusch, das starke Ähnlichkeit mit einem Knurren hatte, entwich Gladions Kehle, ansonsten kommentierte er meinen Zorn nicht.
Mir war klar, dass die nächste Zeit nicht einfach werden würde.
Wie sollte ich bitte mit einem solch ignoranten und überheblichen Feuerfinger zusammenarbeiten?
Zwischen uns breitete sich angespanntes Schweigens aus und Gladion beeilte sich des weiteren, unseren Rundgang zu einem schnellen Ende zu bringen.
Als wir wieder neben der Laufbahn standen, kam uns aber Dante entgegen und durchkreuzte meinen Plan, Abstand zwischen mich und den inzwischen sehr mürrischen Gladion zu bringen.
Der attraktive Prinz zog alle Augen auf sich und hier und da wurde ihm eine Begrüßung zugerufen.
Er lächelte und nickte freundlich, doch dann konzentrierte er sich auf Gladion und mich.
Mir war ein bisschen unwohl, auf einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen.
Gladion verschränkte neben mir die Arme vor der Brust.
"Gladion, Kate", sagte er.
Verwundert hob ich die Augenbrauen. Vor ein paar Tagen noch war der Prinz verschlossen und kühl gewesen; jetzt wirkte er wie ein vollkommen anderer Mensch.
Dafür war Gladion griesgrämig für zwei.
"Flammenprinz", gab ich die Begrüßung zurück, da der blonde Feuerfinger keine Anstalten machte, den Mund zu öffnen.
"Wie läuft die Einführung?", fragte Dante.
"Großartig.", gab Gladion sarkastisch von sich.
"Hast du keinen umgänglicheren Anführer für deine Spezialtruppe, Prinz?", verlangte ich nach einem düsteren Blick auf Gladion zu wissen.
Dante lachte.
Er lachte tatsächlich. Was zur Hölle war mit ihm geschehen?
"Keinen so fähigen. Gladion ist das Beste, was unsere Spezies heutzutage zu bieten hat.", erklärte der Prinz.
Ich verdrehte die Augen.
"Kein Wunder, dass er sich durch meine Gesellschaft beleidigt fühlt, wenn ihm der Prinz die ganze Zeit so den Popo pinselt.", grummelte ich.
"Mir wurde ganz sicher niemals der Popo gepinselt!", fuhr Gladion auf.
Unsere aufgeregten Blicke trafen sich und es fühlte sich fast so an, als würden hitzige Funken springen.
Zur Hälfte entsprach das sogar der Wahrheit, weil ich ein kleines Flämmchen zwischen Gladions Fingern aufblitzen sah.
Sollte er es bloß wagen.
Herausfordernd begegnete ich seinem Blick und spürte seinen Stolz und seine Gereiztheit beinahe körperlich.
Dante räusperte sich und unterbrach damit unser wütendes Intermezzo.
"Wie wäre es, wenn du dich Gladions Gesellschaft als würdig erweist, indem du uns dein Können demonstrierst, Kate?", versuchte der Prinz die Gemüter zu beruhigen.
Zu diesem Zeitpunkt wäre es mir die Konsequenzen fast wert gewesen, wenn ich meine Schattenkräfte benutzte und hier und jetzt meinen Wert bewies, wobei ich dem hochnäsigen Feuerfinger mit übernatürlicher Schnelligkeit ein Messer ins Herz stach.
Doch nein, ich würde das nie mehr tun. Niemand sollte meine Macht und das damit verbundene Biest je kennenlernen. Nie wieder.
Dennoch grinste ich provozierend und dehnte meine Finger.
"Wenn mir jemand ein Messer zur Hand gibt, werde ich liebend gerne demonstrieren, wie ich den ach so talentierten Feuerfinger in kleine Scheibchen schneide."




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