Kapitel 17

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Ich versuchte, mich auf alles mögliche vorzubereiten. In Gedanken legte ich mir die Worte zurecht, mit denen ich reagieren würde, falls die Feuerfinger irgendwie von dem Schattenblut in meinen Adern und der Dunkelheit in meinem Geist erfahren hatten.
Etwas Schlimmeres konnte ich mir nicht vorstellen.
Wie falsch ich lag, sollte sich erst später herausstellen.
Gladion verschränkte die Arme vor seiner muskulösen Brust und betrachtete mich derart eindringlich, dass sich in meinem Magen ein dicker Knoten bildete, der mir allmählich quälend die Luft abschnürte.
"Spuck es endlich aus!", forderte ich Gladion mit kratziger Stimme auf.
Er stieß angespannt die Luft aus.
"Ich hätte es schon früher sagen sollen, aber ... ich wusste nicht wie und Dante hat mir auch befohlen, die Klappe zu halten.", setzte der weißblonde Feuerfinger an.
Sein seltsames Verhalten sowie diese schwammige Wortwahl beunruhigten mich immer mehr und ich verspürte das Verlangen, trotz meiner Wunden aufzuspringen und ihn kräftig zu schütteln.
"Hast du deine Zunge verloren?", fragte ich scharf.
Diese gesamte Situation war einfach nur bizarr. Ich sehnte mich nach Liliane, nach der alten Frau im Wald, nach meinen Eltern.
Irgendjemand, der mich in den Arm nahm und mir versicherte, dass alles gut werden würde.
Einen Moment später verabscheute ich mich auch schon für diesen Wunsch. Ich war nicht mehr fünf Jahre alt und hatte jahrelang mit niemandem als Lucas an meiner Seite überlebt. Ich war keine Heulsuse.
"Du erinnerst dich doch sicher an unseren ersten Übungskampf.", meinte Gladion, der seine starren eisblauen Augen keine Sekunde lang von mir nahm.
"Wie könnte ich den vergessen.", schnaubte ich; "Du hast mich fast umgebracht."
Einige Zeit lang war ich deswegen noch wütend auf Gladion gewesen und selbst als die Schmerzen der Verbrennungen verschwunden waren, war die Erinnerung geblieben.
Ich war der festen Überzeugung gewesen, dass Gladion mich absichtlich verletzt hatte, doch nun fragte ich mich, ob nicht mehr dahinter steckte.
Allerdings hatte ich keine Ahnung, was das sein könnte.
Meine Hände zitterten unkontrolliert und ich presste sie in die Laken, die meinen gesamten geschundenen Körper bedeckte.
Es ziepte in meinen Unterarmen, doch ansonsten meldeten sich meine Verletzungen nicht.
Das angespannte Schweigen, das im Raum hing, lastete auf mir wie ein Felsbrocken.
"Es ist schwer zu erklären", fuhr Gladion schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit mit tonloser Stimme fort; "Es ist eine Sache bei den Feuerbändigern, aber auch bei uns ist es schon fast eine Legende. Den Geschichten nach tritt es etwa einmal in einem Jahrhundert auf."
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals.
"Was ist es?", flüsterte ich.
Wenn er sich weiterhin so zierte, konnte ich für nichts garantieren.
Etwas braute sich in mir zusammen und ich wusste, dass daran teils auch der Schatten schuld war.
"Wir nennen es eine Prägung.", erläuterte Gladion; "Aber es ist eher eine Art Prophezeihung."
Was bei den Göttern hatte das jetzt zu bedeuten?
Mir schwirrte der Kopf. Prägung? Prophezeihung? Das ergab keinen Sinn.
"Damals, bei unserem Kampf, hat mein Feuer dich unter Kontrolle gehabt und dich geprägt. Es hat dir praktisch sein Zeichen eingebrannt.", erklärte Gladion weiter; "Ich konnte nichts dagegen tun. Es ist unklar, wie so etwas passieren kann und wieso ein bestimmtes Feuer eine bestimmte Person prägt, aber das Ergebnis ist immer dasselbe."
Ich krallte meine Finger fest in das Laken auf meinen Beinen.
"Und was ist das Ergebnis?", stellte ich die alles entscheidende Frage.
Gladion blickte kurz zu Boden, dann fuhr er sich seufzend durch die Haare und begegnete erneut meinen weit aufgerissenen Augen.
"Das Ergebnis ist, dass mein Feuer dich beansprucht. Und es wird sich dich zurückholen.", rückte der Feuerfinger mit einem grimmigen Gesichtsausdruck mit der Sprache heraus; "Ich werde dich töten."
Meiner Kehle entwich ein unkontrolliertes Keuchen.
"Mein Feuer wird dich verbrennen und zu Asche verwandeln. So war es jedes Mal bei einer Prägung, egal, was man dagegen zu tun versucht.", sagte Gladion; "Früher oder später wird die Prägung vollzogen und du wirst eins mit meinem Feuer. Ich bin dazu bestimmt, dich umzubringen, Kate."
Ich konnte nur den Kopf schütteln.
Nein.
Das konnte nicht sein.
Wir waren auf einer Seite; Gladion würde mich nicht töten.
Egal, wie wenig wir uns ausstehen konnten, er war kein kalter Killer.
Aber warum erzählte er mir das dann?
"Mir gefällt es auch nicht, aber da sind höhere Kräfte am Werk, Kate, und denen kann man sich nicht entziehen.", versuchte Gladion, zu erklären; "Ich wollte es auch nicht glauben. Aber ich habe es gespürt. Ich habe es gesehen. Ich werde dein Ende sein. Schon bald. Die Prägung lässt meist höchstens ein paar Jahre auf sich warten."
Seine Worte waren wie Schläge in meinen Magen. Mir stiegen die Tränen in die Augen.
Dante hatte es gewusst, Gladion hatte es gewusst - und sie hatten es mir nicht gesagt.
Feuerfingern war in der Tat nicht zu trauen; was man im Reich der Menschen täglich zu hören bekam, war durch und durch wahr.
Aber klar, sie brauchten mich hier für den Krieg, danach konnte Gladion mich ja ruhig umbringen, um diese dämliche Prophezeihung zu erfüllen.
Als hätte er keinen freien Willen. Vielleicht machte es ihm auch gar nicht so viel aus, mich zu beseitigen. Ich war nur ein wertloser Mensch, schwach, unbedeutend.
Ein unterdrücktes Schluchzen entrang sich mir.
Ich musste hier weg.
Auf der Stelle.
"Kate ... Sag etwas.", bat Gladion mich und ich bildete mir ein, in seinen Augen Schmerz zu erkennen.
Schwachsinn, er hatte hier Madeline, seinen besten Freund Dante; sein ganzes Leben.
Ich war ein Nichts für ihn.
Aber ich wollte überleben. Und da sich außer mir keiner darum kümmerte, musste ich wohl selbst dafür sorgen.
Energisch schlug ich das Bettlaken zurück und erhob mich aus dem Bett.
In Gladions Augen stand das Entsetzen und er widersprach heftig, doch ich hörte gar nicht zu.
Das Blut rauschte in meinen Ohren und die Welt war wie auf Stumm gestellt. Meine Augen sahen aufgrund der dummen Tränen nur verschwommen, doch es war genug, um zur Zimmertür zu gelangen.
Mein Körper hatte sich bis auf die Verletzungen an den bandagierten Unterarmen einigermaßen erholt und auch die Schmerzen hielten sich erstaunlich in Grenzen.
Eine marmorweiße Hand schnellte in mein Blickfeld und hielt die Tür zu, sodass ich sie nicht öffnen konnte.
Ich fühlte Gladions Präsenz und seknen Körper dicht an meinem.
"Nicht", sagte er leise.
Es war mir unmöglich, zu atmen.
Ich wischte mir mit dem Handrücken über die nassen Augen, bevor ich den Kopf drehte und zu Gladion hochschaute.
Sein Atem streifte meine Wange und ich starrte direkt in seine blauen Augen.
Ein Feuerbändiger mit Augen und einem Herzen aus Eis.
"Wage es nicht, mich noch einmal anzusprechen.", fauchte ich hasserfüllt; "Komm mir in die Quere und du wirst sehen, wer wen zuerst umbringt. Und jetzt verpiss dich und bleib mir fern!"
Mit dieser brutalen Ansage riss ich trotz seiner Hand gewaltsam die Tür auf und stolzierte in nichts als einem weißen, langen Hemd aus dem Zimmer.
Gladion folgte mir nicht.
Gut für ihn.
Die Dunkelheit hätte ihn und mich ansonsten verschlungen.
Wie eine eitrige Wunde in meiner Seele spürte ich den Schatten, der sich einer Entzündung gleich immer weiter ausbreitete und alles in seiner Reichweite vergiftete.
Vielleicht war es zu spät für eine Heilung, doch lieber ließ ich meine Seele von der infektionären Dunkelheit zerfressen werden, als sie den Flammen eines dreimal verdammten Feuerfingers zu überlassen.
In meine eigene schwarze Welt vertieft, bemerkte ich erst, als ich nur noch zwei Schritte von meinem Zimmer, das ich die letzte Zeit bewohnt hatte, entfernt war, dass Drake vor der Tür auf mich wartete. Anscheinend hatte er so eine Vorahnung gehabt, dass Gladion mich aus meinem Krankenzimmer vertreiben würde.
Seine strahlend grünen Augen fixierten mich und ließen mich seine wulstigen Narben vollkommen ausblenden.
"Was ist los?", wollte er wissen; "Gladion meinte, dass du ziemlich bald sehr wütend auf ihn sein würdest. Was hat er gemeint?"
Als Antwort ging ich zu Drake und küsste ihn.
Aber nicht zaghaft und voller Zweifel wie noch auf dem Drachenflug; diesmal war es echt - mit Zunge, Körperkontakt und einer großen Portion wild durcheinander wirbelnder Emotionen.
Meine Lippen waren fest auf den seinen und verschluckten jedes seiner möglichen Widerworte, bis Drake mich nach einem Augenblick der Überraschung ebenso eindringlich zurück küsste.
Ohne den tiefen Kuss zu unterbrechen, öffnete ich die Tür zu meinem Zimmer und schob den Feuerfinger mit den lodernden grünen Augen hinein, bevor ich darauf achtete, dass die Tür auch wieder zufiel.
Von da an gab es kein Zurück mehr und ich ließ mich bereitwillig in einen Strudel aus Gefühlen, Leidenschaft und Finsternis hineinziehen.





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