Kapitel 13

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Ich war gerade auf dem Weg zurück nach draußen, um weiterzutrainieren, als ich abbog und beinahe in Gladion hineingelaufen wäre.
Sein weißblondes Haar hing ihm fast in die stechend blauen Augen und seine hellen Augenbrauen hoben sich bei meinem Anblick leicht.
Das zum Thema, ihm aus dem Weg zu gehen.
"Du", sagte er nur.
Ich schnaubte und hob den Kopf, um ihm in die Augen sehen zu können.
"Gleichfalls", erwiderte ich trotzig.
Sein Blick war kühl und distanziert, während er demonstrativ zurückstarrte.
Welche Laus war dem denn über die Leber gelaufen?
Leider war der Feuerfinger mit seinem muskelbepackten Körper sowohl breiter als auch gute zehn Zentimeter größer als ich, was sich in unserem finsteren Blickeduell als ungünstig erwies.
Schließlich zog ich entnervt die Schultern hoch.
"Ist irgendwas?", verlangte ich zu wissen.
Er betrachtete mich noch ein paar Sekunden lang mit seinem schwer zu deutenden, aber mit Sicherheit nicht positiven Blick.
"Ich hatte nur eben ein nettes Gespräch mit Drake.", meinte der blasse Feuerfinger, wobei sein Tonfall seiner Wortwahl widersprach.
"Das bezweifle ich.", sprach ich meine Gedanken aus.
Drakes geschundenes, regelrecht zerfleischtes Gesicht mit den dicken Narben tauchte vor meinem inneren Auge auf und ich sah seine grünen Augen so klar vor mir, als wäre er hier.
Gladion, der blonde, griesgrämige Feuerfinger, der gerade vor mir stand, hatte ihm das angetan.
Er hatte Drake entstellt. Ich sollte Angst vor ihm haben.
Doch stattdessen machte sich in mir eine Art kindischer Trotz breit. Vielleicht war ich nur ein Mensch, doch ich war bereits mit mehr als einem aggressiven Feuerkämpfer fertig geworden. In mir wohnte ein mörderischer Schatten, verdammt.
"Er hat mir von eurem Ausflug letzte Nacht erzählt.", unterbrach Gladion meine schwirrenden Gedanken.
Mein Mund öffnete sich zu einem überraschten O.
Etwas dümmlich blinzelte ich den Feuerfinger an.
Verflucht, ich benahm mich genauso beschränkt und schwächlich, wie es hier von einem Menschen erwartet wurde.
Eilig fasste ich mich und brachte ein kleines Räuspern zustande, bevor ich etwas entgegnen konnte.
"Warum sollte er das tun?", fragte ich; "Und was geht dich das überhaupt an?"
Die Kühlheit in Gladions Augen wandelte sich in eisige Kälte um.
"Im Grunde hast du recht.", antwortete er gefährlich ruhig, obwohl es in ihm offensichtlich lichterloh brannte; "Aber egal was für Differenzen Drake und ich haben; er ist ein Feuerfinger. Und selbst er sollte sich nicht dazu herablassen, einem Menschen näherzukommen."
Er spuckte den Namen meiner Spezies förmlich aus.
Dafür hätte ich ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst, doch ich wollte ihm nicht die Genugtuung lassen, in primitive Verhaltensmuster zu verfallen.
Enttäuschung darüber, dass seine kurze Phase der Freundlichkeit ein so rasches Ende gefunden hatte, und eine tiefsitzende Wut, die schon seit langem an mir fraß, stiegen mir wie Galle in der Kehle hoch.
Schon immer war es mir gegen den Strich gegangen, dass ich einer minderwertigen, schwachen Rasse angehören sollte und keine übernatürlichen Kräfte besaß. Vielleicht war ich deshalb kindisch, weil ich mich über etwas aufregte, dass ich ohnehin nicht ändern konnte, doch ich konnte es nicht lassen.
Die Tatsache, dass ich nur ein Mensch war, machte mir zu schaffen.
Ein Mensch mit einem Monster im Herzen.
"Da haben wir es wieder!", ging ich Gladion zornig an; "Du bist ein arrogantes Arschloch und fühlst dich mit deinen Feuertricks wie ein Gott. Aber soll ich dir was verraten? Die Schatten interessiert das nicht. Sie werden sich verstecken und dann kommen sie wie aus dem Nichts angekrochen und fressen alles auf, durch das du dich überlegen und stark gefühlt hast. Und von dir bleibt dann eine Hülle übrig, ein schwarzes Nichts."
Ich spürte die Tränen hinter meinen Augenlidern brennen und hasste mich selbst für den Gefühlsausbruch.
In seinen Augen sah ich, dass Gladion wusste, dass ich nicht nur von ihm redete, doch er ließ sich nicht davon berühren.
"Soll ich dir mal etwas verraten, Katharina?", entgegnete er mit einer Stimme, die wie ein scharfer Eissplitter durch mein Herz fuhr; "Du bist viel schlimmer als die Menschen. Du hast nicht nur Schatten, sondern ebenfalls deine eigene Spezies umgebracht, deine Leute. Vielleicht benutzt du die Schatten, die dein Leben zerstört haben, nur als Ausrede für all deine Taten. Denn im Endeffekt warst du es, die Menschen ermordet hat. Du und niemand anders. Und das macht dich genauso wertlos wie einen Schatten."
Selten hatte etwas so sehr wehgetan.
Lucas' Verrat, der Tod meiner Eltern und der wochenlange Kampf gegen den Schatten in mir hatten einen ähnlichen Effekt auf mich ausgeübt, wie Gladions kaltherzige Rede.
Eisiges Feuer brannte in seinen Augen und ich hasste ihn dafür, dass er möglicherweise sogar recht hatte.
Ja, der Schatten hatte meinen Geist im Griff gehabt und meine Mordgelüste angestachelt, doch im Endeffekt waren durch meine eigene Hand Menschen gestorben.
Durch mein Fleisch. Der Schatten in meinem Kopf war erst durch mich real geworden.
Hätte ich doch nie das Schattenblut getrunken.
Ich hätte ein ruhiges Leben mit Lucas leben können, hätte vielleicht seine Freundin akzeptiert und wir wären umhergezogen oder würden im Wald leben wie die alte Frau, die mich gerettet hatte.
Ihr Leben musste friedlich sein.
Aber nun war ich hier.
Klein und schmutzig, mit Schatten in den Scherben meines Herzens und dem Namen einer gehassten Verräterin.
Katharina Rowinth.
Ich wurde von dem Bedürfnis überrollt, nicht mehr ich selbst zu sein.
"Wie dem auch sei", fuhr Gladion fort, der von meiner inneren Auseinandersetzung nichts mitbekam; "Du kannst Drake sogar meinetwegen haben. Ihr seid beide Abschaum."

Liliane war an diesem Nachmittag überrascht von meinen kräftigen Schlägen, den schnelleren Schritten auf der Laufbahn und meinem verbissenen Gesichtsausdruck.
Der Schweiß lief mir übers Gesicht, doch ich rannte weiter, obwohl meine Lungen brannten; schlug weiter, obwohl meine Arme fast taub waren.
Ihr Gesicht verzog sich nachdenklich und Liliane flocht ihren schwarzen Zopf neu, während ich noch immer, ohne eine Pause gemacht zu haben, abwechselnd Liegestütze, Sit-ups und Sprints absolvierte.
Ihre dunkle Haut war im Gegensatz zu mir kaum mit Schweiß bedeckt, als sie schließlich ein paar Feuerbälle heraufbeschwor, die sie in der Luft schweben ließ, bereit, mich damit zu bombadieren.
"Ist heute irgendwas passiert?", erkundigte sie sich.
Unbeirrt machte ich mit meinen Übungen weiter und gab nur ein nichtssagendes Grunzen von mir.
Liliane war mir inzwischen sehr ins Herz gewachsen mit ihrer disziplinierten, leistungsorientierten aber zugleich freundlichen Art und ich würde sie eventuell sogar irgendwie als meine Freundin bezeichnen, doch sie war auch eine Feuerbändigerin, wenn auch eine sehr Tolerante.
Neben Gladion kamen mir wieder die Idioten vom Mittag in den Sinn, die erst durch Dante verscheucht worden waren.
Die meisten Feuerfinger waren wirklich überhebliche Ärsche.
"Gladion", gab ich dann missmutig von mir, während ich mich nach dem hundertsten Sit-up erhob.
Liliane schmunzelte und begann, ihre Feuerbälle in der Luft zu joglieren.
"Ich verstehe schon. Er kann unausstehlich sein. Ich bin auch kein großer Fan von ihm, aber er ist der talentierteste Feuerbändiger unserer Generation und Dante hält große Stücke auf ihn.", erklärte Liliane und feuerte dann einen ihrer Feuerkugeln auf mich ab, der ich auswich.
"Drake und ich haben uns geküsst.", eröffnete ich ihr etwas gequält.
Liliane machte große Augen.
Ich hob den Zeigefinger, um sie daran zu hindern, sich dazu zu äußern.
"Bitte ...", hob ich an.
"Kate, gerade du?", wunderte sich die Feuerbändigerin; "Das ist echt krass. Ich meine, und Drake und Gladion ..."
Sie führte den Satz nicht zu Ende, denn genau in diesem Moment betraten zwei Personen das Trainigsgelände.
Fast hätte ich nach Luft geschnappt.
Es waren Gladion und Madeline. Und die beiden wirkten einander sehr zugetan.
Ich wusste, dass es mich nichts anging und dass die zwei sich total verdienten, doch es breitete sich dennoch ein unerwünschtes, verletztes Gefühl in mir aus.
Aber hey, das hatte doch eigentlich nichts mit mir zu tun.
Oder?
Madeline lehnte sich zu Gladion und ihre braunen Locken fielen ihr über die Schulter, derweil sie dem hellblonden Feuerfinger etwas ins Ohr raunte.
"Mann", schnaubte Liliane neben mir erleichtert; "Und ich dachte schon, sie würde auf Dante stehen."




Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt