Kapitel 28

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Zwei Tage, gefüllt mit Planung und Vorbereitungen, später brach unsere Spezialeinheit auf.
Madeline hatte sorgfältig sechs ihrer besten Drachen ausgewählt und präsentierte uns nun stolz ihre Auswahl.
Mir teilte sie einen grasgrünen Drachen mit lebendigen Augen und bemerkenswert großen ledrigen Flügeln zu.
"Haeos", sagte die Drachenflüsterin; "Besonders dicke Schuppen, einer der am besten gepanzerten Drachen."
Mit diesen Worten überließ sie mir ihr grünes Juwel und ging weiter zu Ace, der ziemlich unsicher zu dem rostroten Getier hochstarrte, das er reiten sollte.
"Na dann", murmelte ich und legte Haeos vorsichtig eine Hand auf die schuppige grüne Haut.
Der Drache ließ es geschehen und beobachtete mich nur ruhig aus seinen jadegrünen Augen.
Ein kleines Lächeln zuckte über meine Lippen und irgendwie trafen sich an Haeos vorbei die Blicke von mir und Gladion, der den Sitz seines Gepäcks auf seinem Reittier überprüfte.
Ich wollte wegschauen, doch Gladions hellblaue Augen fesselten mich.
Ein schwer zu beschreibender Ausdruck lag in diesem Blick und ich brauchte ein paar Sekunden, bis ich es schaffte, mich von ihm loszureißen.
Blinzelnd fuhr ich mir durch das um meinen Kopf wehende Haar.
Gladion war wütend auf mich wegen Drake und ich sollte mich dringend von ihm fernhalten.
Immerhin würde er mich vielleicht bald töten - so ganz sicher war ich mir noch nicht, was diese Prägung anging.
Und außerdem war da noch der Schattenprinz, der da sich da in meiner Seele festgebissen hatte und irgendetwas ausbrütete.
Es war eine Frage der Zeit, wie lange ich meinen Körper noch selbst kontrollierte.
Ja, eigentlich sollte ich mich auf den Weg machen, einen Ausweg zu finden, doch stattdessen ritt ich meinem Bruder entgegen.
Bei den Göttern, was tat ich hier bloß?
Seufzend hievte ich mich auf Haeos' Rücken.
Kurz darauf hoben wir auch schon ab und meine Bedenkzeit war um.
Ich würde das hier jetzt durchziehen.

Blaue Augen brannten sich in meine. Seine Hand berührte mein Kinn und hob es an, damit sich unsere Lippen treffen konnten.
Sein Mund fühlte sich großartig an, so, als wäre er nur für diesen Moment geschaffen worden. Ich schloss die Augen und versank in dem Kuss, genoss es, wie Gladion mich küsste, als hätte er in seinem Leben nie etwas anderes gewollt.
Seine muskulösen Arme lagen um mich und ich fühlte seine Körperwärme, die mich bis ins Innerste erhitzte. Der Schatten in mir wurde verbrannt durch die wilden, brennenden Emotionen, die sich in mir ihre Bahn brachen.
Ich öffnete den Mund und rückte näher an Gladions wunderbaren, warmen Körper heran. Seine festen Muskeln drückten sich gegen meine Brust und er seufzte leicht, während er seine Lippen auf meinen bewegte. Und als er dann mit seinen Händen den Saum meines Shirts zu fassen bekam und es hochzuziehen begann, glaubte ich, den Verstand zu verlieren.
Ein heftiges Ruckeln schüttelte mich wach und ich schreckte hoch.
Oh verdammt, dachte ich und bekam gerade noch den sicheren Stachel hinter Haeos' Kopf zu fassen, bevor ich vom Rücken des fliegenden Drachen rutschen konnte.
Mein Atem ging schnell und stoßweise und ich klammerte mich an Haeos fest, geschockt von dem, was sich gerade in meinem Kopf abgespielt hatte.
Ernsthaft, Kate? Tagträume über einen Feuerfinger? Und dann ausgerechnet über Gladion?
Ich hätte mich in diesem Augenblick schlagen können für meine Dummheit.
Mein dunkelblondes Haar peitschte mir ums Gesicht und ich bemühte mich, meine Atmung wieder unter Kontrolle zu kriegen.
So etwas wie eben durfte nie wieder passieren. Das war die schlimmste Art von Schwäche und Torheit und das war wirklich das Letzte, was ich mir gerade leisten konnte.
Ziemlich durcheinander ließ ich meinen Blick umher schweifen.
Madeline und Dante hatten auf ihren Drachen die Führung übernommen, dahinter flogen Drake und Ace und dann folgte ich auf Haeos, das Schlusslicht bildete Gladion.
Oje, hoffentlich hatte keiner mitbekommen, wie ich beinahe von meinem Drachen gefallen war.
Beschämt ermahnte ich mich, meine Konzentration auf den Flug und das kommende Treffen zu richten.
Wir flogen noch mehrere Stunden, die alles in allem recht ereignislos abliefen - die Menschen an der Grenze hatten nichts gegen Drachen auszurichten und mussten uns notgedrungen in ihr Reich eindringen lassen.
Schließlich landeten wir bei dem Tempel der Götter der Dunkelheit, drei Götterbrüder, die zu den hundert Göttern des Todes zählten.
Meine Eltern hatten mir immer geraten, mich von den Tempeln der Götter des Todes fernzuhalten - diese Tempel gehörten den Toten.
Somit war der Tempel auch vollkommen verlassen, als wir dort ankamen.
Es war ein Steingebäude, grau und unscheinbar, wie es für die Tempel der Todesgötter üblich war, ganz im Gegensatz zu den prächtigen, geschmückten Tempeln der Lebensgötter.
Ich stieg von Haeos' Rücken und ging auf von dem Flug steifen Beinen hinüber zu Dante, um den sich schon die anderen versammelt hatten.
"Madeline, Ace, ihr bleibt hier bei den Drachen. Observiert die Gegend und haltet euch bereit, damit wir jederzeit schnell den Rückzug antreten können.", ordnete der Flammenprinz an.
Ernst sah er die zwei an und wandte sich dann Gladion, Drake und mir zu.
"Ich gehe voraus, dahinter folgen Gladion und Kate. Drake, du bist unsere Rückendeckung."
Wir nickten. Gladions Kiefer mahlten und Drake strich sich angespannt über das narbenübersäte Gesicht.
Die Spannung war mit Händen zu greifen.
Auch Dante, noch immer bleich und mit dunklen Ringen unter den Augen, wirkte düster und unausgeruht.
Ich ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, nicht hinzusehen, als Madeline zu Gladion ging und ihm über die blasse Wange strich, bevor sie ihm etwas ins Ohr hauchte und dann Dante umarmte.
Liliane sollte jetzt hier sein und mir Trost und Zuversicht spenden. Sie sollte neben mir stehen und mir zulächeln.
Aber sie war tot - verflucht tot - und wir machten uns nur zu viert auf den Weg zu dem Tempel.
Gladion hielt sich neben mir und ich bemühte mich, seine Anwesenheit auszublenden, derweil Dante entschlossenen Schrittes voranging.
Als wir den Eingang des Tempels passierten, lief mir ein Schauder über den Rücken und ich blickte unruhig hin und her, auch wenn es außer alten Steinen nicht viel zu sehen gab.
Es war, als wären die Götterbrüder tatsächlich anwesend und würden murrend mitansehen, wie ihre heilige Stätte von Feuerfingern gestört wurde.
Die Stille, die uns umgab, kam mir trügerisch vor und es machte mich nervös, dass außer unseren Schritten auf dem Steinuntergrund und unseren leisen Atemzügen nichts zu hören war.
Weiter kamen wir in den Hauptraum des Tempels, ein simples graues Gewölbe mit den drei aus Stein gehauenen Skulpturen der Götter der Dunkelheit. Natürlich gab es keine Kerze oder derartiges, was Licht spenden konnte, doch es gab eine Art Hinterausgang aus dem Tempel, durch das nun Licht fiel, welches einen Blick auf die steinernen Abbilder der Götterbrüder ermöglichte.
Ich bemerkte Gladions gerunzelte Stirn, als er die Steinfiguren musterte und sah das Unverständnis, das allen drei Feuerfingern ins Gesicht geschrieben stand.
Ihre Kultur war eine Ungläubige, eine, die bloß zu ihrem Urahnen aufsah und keinen Göttern huldigte.
Natürlich fiel es ihnen dann schwer, Verständnis für diesen ihnen so fremden Glauben zu entwickeln, doch ich konnte nicht anders, als ihre befremdeten Mienen persönlich zu nehmen.
In der Mitte des Gewölbes blieb Dante stehen und bedeutete Gladion, Drake und mir, uns hinter ihm aufzureihen.
Gladion ließ eine Flamme auf seiner Hand tanzen, die uns eine bessere Sicht ermöglichte, doch ich konnte nicht umhin, ein mulmiges Gefühl im Magen zu verspüren.
Den Göttern würde das nicht gefallen.
Mehr Zeit zum Grübeln blieb mir aber gar nicht, weil ich Schritte vernahm und kurz darauf auch schon die Menschen durch den Hintereingang in den Tempel schraten.
Ganz an ihrer Spitze befand sich Lucas, mein Bruder, dessen Präsenz ich erkannte, bevor ich meine Augen komplett auf ihn richten konnte.
Lucas, der mich hätte töten lassen, der mich für Jenna verriet und alles, was wir zusammen durchgemacht hatten, weggeworfen hatte.
Seine Aufmerksamkeit galt allein mir und sein Mund verzog sich bei meinem Anblick zu einem schrägen, seltsamen Lächeln.
"Hallo, große Schwester."

Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt