Kapitel 20

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Eine junge Feuerbändigerin reinigte zuerst die Wunden an meinen Füßen, bevor sie diese verband und dann auch die Verbände um meine Unterarme wechselte.
"Es ist alles nicht so schlimm. Die Verletzungen an den Armen werden Narben hinterlassen, aber alles in allem solltest du in fünf, sechs Tagen wieder wie neu sein.", diagnostizierte sie freundlich.
Wenigstens eine gute Nachricht.
Auf meinen Weg zum Gefangenentrakt, von dem ich erst vor ein paar Stunden erfahren hatte, wurde ich rüde von ein paar jungen Feuerfingern angerempelt. Normalerweise hielt ich mich von denen fern, die mir jung und arrogant erschienen, doch hin und wieder steckte ich immernoch einen Ellenbogen in die Seite oder spöttisches Gelächter gepaart mit wahlweise anzüglichen oder schlicht beleidigenden Rufen ein.
Einfach wegsehen und weiterlaufen, auch wenn der Schatten in mir nach Rache und Blut brüllte.
Meine Zeit in diesem beschissenen Trainingslager wäre sowieso bald Geschichte für mich.
Meine Laune war somit aber auch im Keller, als ich den relativ versteckten und unauffälligen Trakt betrat.
Klischeemäßige Zellen erwarteten mich in Reih und Glied.
Sie waren grau und metallisch, jedoch ohne Dreck, Ratten und Gestank, dafür aber von einer ordentlichen Portion bedrückender Atmosphäre umgeben.
Ich hasste diesen Ort jetzt schon.
Angespannt ging ich den schmalen Gang zwischen den Zellen hindurch, links und rechts von mir dicke, kalte Gitterstäbe.
Zum Glück waren die Zellen unbesetzt, nur ein Mann in mittleren Jahren kauerte einsam in einer.
Eilig wandte ich den Blick ab, um diese jämmerliche Gestalt nicht anschauen zu müssen.
Nach etwa zehn Zellen auf jeder Seite verlief der Gefängnistrakt hinter einer offenen Tür zu einem großen Raum.
Dort, mit Ketten an einen Stuhl gefesselt, sah ich auch schon Jenna. Scheiße, das alles wirkte wie eine Folterkammer.
Dante stand mit dem Rücken zu mir, doch ich hörte, wie er auf Jenna einredete, die mit verkniffenem Gesicht und von meinen Schlägen blutiger Stirn keine Wahl hatte, als sich anzuhören, was der Prinz zu sagen hatte.
Ich schluckte und trat ein, unsicher, was ich zu erwarten hatte.
Jennas Hände waren nach Hinten auf die Stuhllehne fixiert und ein drohendes Feuer brannte um den Stuhl herum, bereit, jedes Anzeichen von Wassermagie auszumerzen.
Als die Piratin mich bemerkte, spuckte sie abfällig aus.
"Da ist sie ja, die kleine Mörderin.", knurrte sie wie ein Tier; "Hast dich wohl mit Leuten zusammengetan, die so sind wie du, was? Ich wusste von Anfang an, dass du Abschaum bist - und weißt du was? Ich habe mir geschworen, dich umzubringen, nachdem du vor deinem Henker davongesprungen bist. Ich werde es tun. Ich werde ..."
"Die Ehre, mich zu töten, ist leider schon jemand anderem vorbehalten.", unterbrach ich das wutschnaubende Mädchen trocken.
Wie aufs Stichwort hörte ich auch schon Schritte und sah bei einem Blick über die Schulter, dass Gladion sich zu uns gesellte.
Die blauen Augen huschten wachsam von Jenna zu mir, als wäre er nicht sicher, wer ihn am meisten hasste.
Tja, da war ich mir auch nicht sicher.
Sein Anblick ließ mich gleichzeitig Hitze und Kälte verspüren und das brachte mich vollkommen aus dem Konzept.
Was war nur los mit mir?
Gladion war ein Lügner, der mich eventuell in naher oder ferner Zukunft umbringen würde, da sollte es doch klar sein, was ich ihm gegenüber empfand.
Dante nickte seinem Freund oder Gehilfen oder was auch immer Gladion für ihn war, zu und beehrte dann wieder Jenna mit seinem nachdenklichen Blick.
Zornig und rebellisch begegnete sie seinen dunkelbraunen Augen. Schon immer war sie zornig gewesen, dachte ich, immer wütend und überzeugt, dass die ganze Welt ihr etwas Böses wollte.
Vielleicht stimmte das sogar, wenn man ein Pirat war. Wenn man Dörfer plünderte und jeder einen hasste.
Jenna hasste ich jedoch nicht nur als Piratin, sondern als Person und das beruhte auf Gegenseitigkeit.
"Fährst du bitte fort?", fragte Dante ruhig und bestimmt; "Du sagtest, deine Königin habe dich als Spionin ausgeschickt. Du hast unter den Menschen gelebt. Sag mir, was du deinen Leuten erzählt hast."
Jenna schwieg mit einem bitterbösen Blick.
"Sag mir, wie viele ihr seid. Dass ihr stärker seid, als wir gedacht haben, wissen wir jetzt.", forderte Dante und auf seiner Stirn bildete sich eine Falte.
"Es gibt nichts zu sagen.", meinte Jenna nur.
Sie war stur und obwohl Dante weiter nachhakte und versuchte, irgendwelche Informationen aus ihr herauszukitzeln, wusste ich, dass das zwecklos war.
Mir graute nur davor, was der Flammenprinz tun würde, wenn er auf diese Art keine Antworten bekam. Jenna mochte ich zwar nicht und Dante konnte ich im Gegenzug ganz gut leiden, aber ich wusste, dass der Prinz wie alle Feuerfinger gewaltbereit war und ich wollte wirklich nicht Zeugin von waschechter Folter werden.
Gladion stellte sich neben mich und setzte einen undurchdringlichen Gesichtsausdruck auf. Er war sicher bereit, Jenna so richtig die Hölle heiß zu machen.
Nein, ich musste mir das nicht geben.
Weshalb war ich überhaupt hier?
Ich schüttelte entschlossen den Kopf und wandte mich zum Gehen.
Gladions Hand schloss sich um mein Handgelenk und er lehnte sich so nah an mich heran, dass sich die Härchen auf meinen Armen aufstellten.
"Wir sind untrennbar durch das Schicksal verbunden, Kate. Es gibt keinen Ausweg. Je eher du das akzeptierst, desto besser. Und jetzt bleib gefälligst hier und hilf uns, das Vögelchen zum Singen zu bekommen."
Bevor ich ihn anfauchen konnte, hatte er mich schon wieder losgelassen und sich abgewandt.
Verfluchter Feuerfinger. Mit denen hatte man nur Ärger am Hals.
Gut, dass ich bald abhauen würde; dann konnte Gladion sich seine blöde Prophezeihung sonst wohin stecken. Das war doch unsinnig.
Dante betrachtete unterdessen Jenna mit ihren mürrischen Gesicht und reagierte selbst auf ein Zähnefletschen ihrerseits wenig beeindruckt.
Das Einzige, das Jenna und ich teilten, war unser Hass auf die Feuerfinger und das machte sie in meinen Augen nicht weniger zu einem dämlichen Biest.
Wie sie trotzig den Kopf in den Nacken legte, ihre wilden Locken zurückschmiss und mit ihren mandelförmigen Augen jeden musterte, als hätte sie uns alle im Geiste schon grausam ertränkt, erinnerte die Wasserbändigerin mich an eine wilde Katze, ein fauchendes und kratzendes kleines Miststück.
Ich wunderte mich abermals, was Lucas je in ihr gesehen hatte.
"Ihr kommt bestimmt auch ohne mich zurecht.", versetzte ich bissig.
Gladion stöhnte offenbar genervt und packte mich dann am Arm, um mich aus dem Verhörzimmer zu schleppen.
Unsanft zog er mich ein paar Schritte entlang bis vor eine der leeren Zellen.
Ich wehrte mich, aber er war zu stark und zudem versengten seine Fingerspitzen bereits meine Haut.
"Autsch!", zischte ich, als er mich endlich losließ.
Das war das grobe Arschloch, das ich kennengernt hatte; der Feuerfinger, der glaubte, mich herumschubsen zu können und sicher auch nichts dagegen hatte, mich seinen Flammen und seiner dummen Prägung zu überlassen.
Weg war der Gladion von gestern, der sich kümmerte und der mich als gleichwertige Person ansah.
"Musst du dich unbedingt wie ein beleidigtes Kind benehmen?", fuhr der weißblonde Feuerfinger mich an; "Das hier ist verdammt wichtig, warum verstehst du das nicht? Seit Jahrhunderten gab es keinen so mächtigen Piraten und wir haben nicht dein blassesten Schimmer, wie viele sie sind, wie sie organisiert sind und wer sie anführt!"
Aggressiv stieß ich Gladion von mir.
"Ist mir doch egal!", giftete ich ihn an und der Schatten in mir erhob sich, rauschte durch mein Blut und redete mit meiner Stimme; "Sollt ihr doch alle verrecken, ihr habt es verdient!"
Gladion starrte mich fassungslos an.
"Was sagst du da? Kate, wenn es wegen der Prägung ist; ich habe mir das nicht ausgesucht, okay?", schrie er fast.
Ich lachte bloß kaltherzig.
"Natürlich geht es wieder nur um dich.", fauchte ich; "Du und deine ganze Art; fahrt doch zur Hölle. Ich bin fertig mit euch und wenn der Krieg auch fertig mit euch ist, seid ihr hoffentlich alle tot!"
Gladion war sprachlos und das verschaffte mir die größte Genugtuung, die ich seit langem empfunden hatte.
Doch ich hatte vor, noch die Kirsche auf das Sahnehäubchen zu setzen und endgültig, unumkehrbar, mit diesem feuerbändigenen Monster zu brechen.
"Und nur, dass du es weißt: Wir Menschen sind in so einigem deutlich besser als ihr; zum Beispiel im Bett. Frag nur Drake."
Nach dem Abfeuern dieses letzten Geschosses breitete sich ein diabolisches Lächeln auf meinen Lippen aus und ich kehrte Gladion endgültig den Rücken.
Metaphorisch wie wörtlich genommen.
Den winzigen, gedämpften Stich in meinem Herzen ignorierte ich geflissentlich.
Meine Arbeit hier war getan.




Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt