Kapitel 32

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Der Schweiß rann mir über den Rücken und sorgte dafür, dass mein Trainingsshirt an meiner Haut klebte. Ich seufzte tief und kniff mich in die müden Arme, um wach zu bleiben.
In den letzten beiden Nächte hatte ich schlecht, nein, eigentlich so gut wie gar nicht geschlafen, und das machte sich nun beim Training bezahlt.
Gestern hatte Gladion uns noch eine Pause gegönnt, doch heute standen wir alle - bis auf Dante - auf dem Trainigsplatz, drehten unsere Runden und absolvierten Sparringskämpfe.
Ace und ich waren dabei meist Partner und Lilianes Abwesenheit war so deutlich, dass sie sich wie ein Splitter in mein Herz bohrte.
Wir redeten nicht viel - Es war klar, dass etwas, oder vielmehr jemand, fehlte. Auch wenn ich keine allzu lange Zeit in dieser Spezialeinheit verbracht hatte, kam es mir so vor, als wäre eine über Jahre andauernde Ordnung zerstört worden.
Dass Dante schwer verletzt in seinem Bett lag und rund um die Uhr versorgt wurde, machte die Situation nicht erträglicher.
Während Madeline sich die braunen Locken zu einem Zopf flocht und sich ausführlich dehnte, hielten sich Drake und Gladion so weit wie möglich voneinander fern.
Alles fühlte sich so schrecklich falsch an.
Doch mir blieb nichts anderes übrig, als Messer in allen möglichen Größen auf die Zielscheibe vor mir zu schleudern, während Ace neben mir Feuerklingen formte und diese dann mit Schweiß auf der Stirn gezielt warf.
Die zweigähnlichen Arme und schlacksigen Beine bewegten sich bloß im Kampf koordiniert und es war beeindruckend, wie elegant der ungeschickte Ace sich geben konnte, wenn er in sein rotgoldenes Feuer vertieft war.
Ich schickte ein schwaches Lächeln in seine Richtung, doch irgendwie war auch das fehl am Platz.
Vielleicht, überlegte ich mir; Ist es wirklich Zeit zu gehen.
Schon länger hatte ich vorgehabt, das Lager der Feuerfinger hinter mir zu lassen, aber immer war etwas dazwischen gekommen.
Zuerst Lilianes Tod, dann das Treffen mit meinem Bruder und jetzt Dantes Verletzung.
Doch waren das nicht eigentlich nur Ausreden?
Hätte ich mich nicht trotz alldem davonmachen können?
Mir kam der unwillkommene Gedanke, dass vielleicht ein ganz anderer Grund hinter meinem Bleiben stecken könnte.
Nämlich, dass ich diese Leute mochte und ich tief im Herzen wusste, dass ich sie vermissen würde.
Aber nein, das konnte nicht sein.
Ich konnte doch nicht an irgendwelchen Feuerfingern hängen, oder doch?
Unsere Arten verstanden sich nicht, sie hielten sich für überlegen und ...
"Kate!", durchbrach Gladion meinen Gedankengang abrupt.
Der muskulöse Feuerfinger hielt auf mich zu. Seine hellblauen Augen funkelten und das weißblonde Haar hing ihm wie immer leicht ins Gesicht .
Mir fielen aber vor allem die wohl definierten Muskelstränge an seinen nackten Armen auf und ich hätte mich augenblicklich dafür schlagen können.
"Hm?", machte ich und drehte das Messer, das ich gerade hatte werfen wollen, zwischen den Fingern.
Ich merkte, wie Ace uns von der Seite unauffällig beobachtete.
Gladion blieb etwa einen Meter vor mir stehen und betrachtete mich mit einem harten, kalten Blick, der mir ganz und gar nicht gefiel.
"Übungskampf?", schlug er vor und ich konnte nicht umhin, das böse Glitzern in seinen Augen zu bemerken.
War das wegen dem, was er im Wald zwischen Drake und mir beobachtet hatte?
Verdammt, ich wusste doch selbst nicht, was ich davon zu halten hatte!
"Das letzte Mal, als du mir so kamst, hast du mich mit irgendeinem Zauber markiert, der besagt, dass du mich töten wirst.", erinnerte ich den blassen Feuerfinger.
Sein Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes.
"Die Prägung", korrigierte er meine saloppe Bezeichnung; "Wer weiß, vielleicht wird sie sich heute vollziehen?"
"Dein Feuer kriegt mich nicht!", zischte ich.
Zu meinem Pech mischte sich in diesem Moment Madeline ein.
Die grauäuigige Drachenflüsterin kam zu uns geschlendert und blieb direkt neben Gladion stehen.
Der hellblonde Feuerfinger legte demonstrativ einen Arm um ihre Taille und Madeline hob das spitze Kinn.
"Ach, ich wollte noch sagen, dass mir das mit deinem Bruder leid tut.", verkündete sie; "Der Kleine war ja schon ganz niedlich."
Gladion schnaubte und ich starrte die Brünette wie versteinert an.
Da hatte ich gerade gedacht, dass wir irgendwie miteinander auskommen konnten und schon war das Messer in meinem Rücken.
"Wann hast du ihn denn gesehen?", wollte ich kühl wissen; "Du warst doch gar nicht im Tempel während der Verhandlungen."
"Ich habe gesehen, wie die Schatten den schreienden Jungen mitgenommen haben und als Gladion mir später von deinem Bruder erzählt hat, konnte ich mir das zusammenreimen.", erklärte Madeline und ihre stahlgrauen Augen sprühten Funken.
Gladion zog sie provokativ näher an seinen durchtrainierten Körper heran.
"Naja, im Grunde waren es ja gar keine Verhandlungen.", meinte er in einem abfälligen Tonfall; "Die Menschen hielten sich für schlau und wollten uns an der Nase herumführen und einen unserer Prinzen ausschalten. Ihre Allianz können diese Würmer sich sonst wohin stecken."
Seine Augen machten unmissverständlich klar, dass ich diese Beleidigungen persönlich zu nehmen hatte.
Mistkerl.
In mir brodelte es, doch ich würde nicht zulassen, dass Gladions idiotisches Verhalten den Schatten in mir hervorlockte.
"Also?", erkundigte Gladion sich in nun lässigem Ton; "Trainingskampf?"
Er lehnte sich zu Madeline herüber und seine Lippen striffen ihre Wange.
Aber die Drachenflüsterin schien anderes im Sinne zu haben, da sie Gladion den Kopf zuwandte, sein Gesicht zu sich herunterzog und ihre Lippen auf seine drückte.
Das war der Augenblick, in dem ich genug hatte.
Mit verzogenem Gesicht drehte ich mich von dem küssenden Paar weg und tauschte einen Blick mit Ace, der das Geschehen mit großen Augen verfolgte.
Die Schmatzgeräusche im Rücken machten das Ganze auch nicht angenehmer.
Ich spielte mit dem Gedanken, zu Drake hinüber zu gehen, der zehn Meter weiter seine Liegestützen durchzog, und ihn im Gegenzug zu küssen, doch ich wollte mich nicht auf das Niveau von Gladion und Madeline herablassen, weshalb ich schlichtweg augenrollend von dannen schrat.
Sollten die beiden doch abschlabbern, wen sie wollten.

Am Nachmittag traf Prinz Kiano, der Kronprinz des Feuerreiches und Dantes einzig lebender älterer Bruder, im Trainingslager ein.
Eine Tatsache, über die anscheinend jeder außer ich unterrichtet war.
Ich wusste bislang nichts über den anderen Flammenprinzen, außer, dass er die Grenzstadt Dyrant zurückerobet hatte und nach dem Tod seines Vaters der König der Feuerfinger sein würde.
Ehrlich gesagt hatte ich ziemlich hohe Erwartungen, einfach, weil er Dantes Bruder war und Dante der schönste Mann war, der mir je unter die Augen gekommen war und sein Charakter jedem Klischee eines perfekten Prinzen entsprach.
Wie ich erfuhr, war die einzige Gemeinsamkeit der beiden Brüder die tiefbraune, fast schwarze Augenfarbe.
Kiano war groß, aber anstelle eines breiten muskulösen Körperbaus war er eher lang und dürr wie Ace.
Seine Ausstrahlung war düster und er schaute berechnend, wie ein echter Stratege.
Ich konnte ihn mir vorstellen als den Marionettenspieler im Spiel von Politik, Intrigen und Finten.
Sein Haar war etwas zu lang und die Haut blass und unrein, doch das machte ihn nur noch mehr zu dem introvertierten, extrem schlauen Kopf, der er zu sein schien.
Mir schenkte er kaum Beachtung; im Gegensatz zu seinem Bruder Dante war Kiano auch nicht angetan von Gladion und Madeline, sondern redete hauptsächlich mit Drake und Ace.
Der Kronprinz war mir sympathisch und unsympathisch zur selben Zeit.
Diesbezüglich war ich sehr verwirrt, doch in einem war ich mit sicher: Seine kühle, ermessende Art, mich anzusehen, konnte alles mögliche für mich und meine Zukunft bedeuten.
Und das wiederum gefiel mir entschieden nicht.





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