Kapitel 44

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"Ein Duell?"
Der Mann mit den hellbraunen Augen erhöhte den Druck auf das Messer, das er drohend auf meine rechte Seite gerichtet hatte und lachte kalt und trocken auf.
An seinem Hals pochte eine Ader und der Hass sprach aus seiner gesamten Haltung. Kein Wunder, immerhin hatte ich seine Familienmitglieder und das halbe Lager um Blutrausch umgebracht.
Ich schloss kurz die Augen, als eine Welle von Schuld und Scham mich überrollte.
Dem Schatten passte das jedoch nicht - er verspottete und beschimpfte mich kontinuierlich als Weichei und jämmerliches Kind. Wenn es nach ihm ginge, würde ich ohne Rücksicht auf irgendetwas wie ein Berserker losstürmen und alles zerstören, was mir in die Finger kam.
Doch es ging im Moment zum Glück nicht nach ihm, auch wenn ein finsterer Teil von mir sein Bedürfnis nach Gewalt und Blut teilte.
Die Menschen vor mir, die sich die Kehle aus dem Leib brüllten, ihrer Ablehnung mir gegenüber mit allen Mitteln Ausdruck verliehen und lautstark ihr Missfallen über meinen Vorschlag kundtaten.
"Das ist nicht dein Ernst", rief der Mann neben mir laut, um von allen gehört zu werden; "Du willst dich mit deinen schwarzen Zauberkräften einem von uns stellen und wir sollen zusehen, wie du ihn abschlachtest und am besten noch lebend aus unserem Lager herausspazierst? Deine Kräfte haben nichts mit den Göttern zu tun, Monstrum! Uns kannst du nicht täuschen!"
Schallende Zustimmung schlug ihm entgegen und ich wusste, dass es aussichtslos war.
Was hatte ich auch erwartet?
Diese letzte Idee hätte alles noch irgendwie wenden können, doch der Hunger nach Vergeltung überwog bei den Menschen in diesem Lager schlichtweg den frommen Respekt den Göttern gegenüber.
Ich fühlte den warmen, wütenden Atem des braunäugigen Mannes an meiner Wange.
Sein verdunkelter Blick verfolgte jede meiner Regungen und ich begriff, dass er sich nach Angst oder zumindest nach Unruhe bei mir sehnte. Er wollte seine Rache fast noch dringender als die tobende Menge, die eher dürftig von ein paar jungen Leuten in Schach gehalten wurde.
Ironisch, dass der Mann mit dem Messer an meiner Seite mich so sehr verachtete, aber dennoch so verzweifelt etwas von mir brauchte - meinen Schmerz, mein Leid.
Ich erwiderte seinen Blick und tief im Inneren wusste ich, dass ich diesen Mann nicht hassen könnte, trotz der Dinge, die er mir gleich antun würde.
Ich verstand ihn und seine Gefühle, auch wenn der Schatten meine Empathie und jegliche andere Art von positiver Gefühlsregung fast komplett ausradiert hatte.
Ich wäre vielleicht sogar bereit gewesen, dem Mann und dem ganzen Lager hier ihren Wunsch zu erfüllen und zu sterben, doch da gab es noch zwei Punkte abzuarbeiten, bevor ich mich in den ewigen Schlaf wiegen lassen würde.
Gladion und Jenna. Das musste ich immer im Kopf behalten. Mord und Hilfe, gute und schlechte Tat - zwei Seiten einer Medaille, die mein Leben krönen würden.
"Ein Duell", beharrte ich; "Ein Duell vor den Augen der zweihundert Götter, auf dass entweder die Götter des Todes oder die des Lebens siegen werden."
Ich holte tief Luft.
"Scheusal!"
"Du entehrst unseren Glauben!"
"Das Blut unserer Geschwister verlangen nach Vergeltung!"
"Selbst ihre eigene Mutter wollte, dass sie stirbt!"
Ich war schlimmer als die Schatten, schlimmer als die grässlichsten Feinde für diese Leute.
Mit einem Kloß im Hals richtete ich den Blick in den Himmel.
Meine Mutter lächelte jetzt sicher auf der anderen Seite. Sie hatte Lucas im Arm, ihren kleinen Jungen, und sah zu, wie ihr Werk fortgeführt wurde und ich sterben würde.
Ich wollte nur nach Hause.
Aber wo war das?
Mein letztes Zuhause, unser Haus in Fost, war niedergebrannt. Und auch dort war nicht alles perfekt gewesen.
Ich dachte nur an meinen Vater und Lucas' blaue Flecken und dann an die Hände meiner Mutter, die mich unter Wasser gedrückt hatten.
Nein, dorthin wollte ich nicht zurück.
Du kannst ein neues Zuhause haben. Du kannst ein ganzes Reich haben; wir können einen riesigen Palast aus Schatten und Rauch errichten und mein Geburtsrecht wird uns zu Königen machen., flüsterte mir der Schattenprinz ein.
Verflucht, dass er immer meine Gedanjen und tiefsten Sehnsüchte kannte. Langsam erkannte ich nicht einmal mehr, wo meine Wünsche aufhörten und seine anfingen.
Alles verschwamm und verschmolz - wir verschmolzen immer mehr.
"Ha!", rief plötzlich der Mann mit dem Messer neben mir aus; "Du sollst dein Duell haben! Und ich werde persönlich gegen dich antreten. Aber unter einer Bedingung: Deine Hände und Füße sind gefesselt."

Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt