Kapitel 11

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Den Ringkampf in meinem Inneren gewann die Neugierde gegen meine Müdigkeit und die Vernunft, also trennte ich mich schweren Herzens von meinem geliebten Bett.
Nur in einem langen Schlafshirt stand ich vor Drake, der noch immer in meiner Tür lehnte.
"Bin gleich da", flüsterte ich.
Er nickte und ließ seine leuchtend grünen Augen noch einmal kurz über mich schweifen, bevor er nach draußen trat und die Tür leise hinter sich zuzog.
Tief durchatmend begann ich, in den nicht besonders zahlreichen Klamotten herumzuwühlen, die mir die Feuerfinger gestellt hatten.
Schlussendlich entschied ich mich für eine lockere schwarze Hose und ein langärmliges Shirt, wozu ich mein seit meiner Ankunft in der Schwelenden Stadt immer länger gewachsenes Haar zu einem Zopf flocht.
Erst dann fühlte ich mich bereit für was auch immer Drake vorhatte.
Ich kannte ihn kaum, obwohl wir uns gestern viel unterhalten und auch gut miteinander ausgekommen waren.
Dennoch verlangte etwas in mir, den gezeichneten Kämpfer besser kennenzulernen und zu verstehen, was hinter dem grünen Feuer in seinen Augen steckte.
Auf dem Flur begrüßte Drake mich mit einem verzerrten Lächeln.
Fackeln beleuchteten die Anlage bei Nacht und der Feuerschein tauchte den Gang vor meinem Zimmer in ein zappelndes Gold.
Ohne ein Wort nahm mich Drake am Arm und führte mich nach draußen.
Als ich mir sicher war, dass niemand in der Nähe war und die Nacht uns dunkel umschloss, sprach ich Drake an.
"Was hast du vor?", verlangte ich zu wissen.
"Nicht jetzt", murmelte er; "Hier sind überall Wachen. Du wirst schon sehen."
In zügigem Tempo brachte der Feuerfinger uns voran und allmählich befiel mich ein Verdacht, wohin wir unterwegs waren.
Je weiter wir uns von dem Gebäude, in dem die Kämpfer untergebracht waren, entfernten, desto erdrückender wurde die Finsternis der Nacht um uns.
Zu meiner Erleichterung entzündete Drake ein kleines Feuer auf seiner Hand, wodurch ich wenigstens nicht mehr unsicher durch die Gegend stolperte.
Die Flämmchen, die zwischen seinen Fingern umherhüpften, waren lange nicht so stark oder kontrolliert wie das Feuer, das Gladion erzeugen konnte, doch hierfür genügte es.
Wenig später kamen wir wie von mir vermutet bei der Drachengrube an.
Das Zischen und Schnauben der Tiere in der Dunkelheit war ziemlich beunruhigend, doch ich würde nicht zurück in mein Bett rennen wie es jeder von einem schwachen Menschen zu erwarten schien.
Drake warf mir einen langen Blick zu. Das Feuer auf seiner Hand ließ die Narben in seinem Gesicht seltsam und noch extremer aussehen.
Unten in einer Grube knurrte ein Drache, wodurch sich die Härchen auf meinen Armen aufstellten.
"Bereit für einen Ausritt, kleines Mädchen?", forderte er mich heraus.
Ich wusste, dass er eine bewusst provozierende Anrede für mich gewählt hatte, damit ich jetzt keinen Rückzieher machte.
Mein Herz sprang wie wild in meinem Brustkorb herum.
"Hast du das schonmal gemacht?", hauchte ich.
Sorglos grinste Drake und spielte mit den orangegelben Flammen zwischen seinen Fingern herum.
"Zweimal. Normalerweise werden die Drachen nur von Madeline oder für Reisezwecke geritten.", erklärte Drake; "Aber man wird ja wohl ein bisschen Spaß haben dürfen."
Ich dachte an meine erste bewusste Begegnung mit Madelines Drachen zurück, vor einigen Tagen, als ich in die Grube gesprungen war.
Madelines Drachen. Nein, im Grunde gehörten die eindrucksvollen Tiere mit ihren bunten Farben nur sich selbst.
Ich erinnerte mich an die harten Schuppen, die lederartigen Flügel und die langen gefährlichen Zähne der Drachen.
Nein. Kein Rückzieher jetzt.
Erwartungsvoll ruhte Drakes Blick auf mir. Er streckte seine nicht brennende Hand auffordernd in meine Richtung.
Nach einer winzigen Sekunde des Zögerns ergriff ich seine Hand.
Sie war viel größer als meine; schwielig und kräftig noch dazu.
Drake schloss seine Finger um meine und gemeinsam sprangen wir in die Grube, vor die er mich gebracht hatte.
Die Drachen hoben die Köpfe und starrten uns aus ihren grünen Augen an.
In diesem Moment fiel mir auf, dass Drake genau diese Augen hatte - die Augen eines Drachen.
Er lächelte mir ermutigend zu.
"Ich kann ganz gut mit den Tieren, keine Sorge.", beruhigte er mich.
Dann drückte er meine Hand und ging mit mir ein paar Schritte vor, sodass wir in direkten Kontakt mit den Drachen kamen.
Ein sonnengelbes, sehr dünnes Tier musterte mich und seine Nasenflügel blähten sich auf, als würde es meinen Geruch aufnehmen.
Ein kleiner schwarzer Drache lief an mir vorbei und rempelte dabei mein Bein an, doch Drake half mir, nicht von der Wucht hinzufallen.
Wir tauschten einen leicht amüsierten Blick.
Die Angst verflog allmählich, da meine Hand sicher in Drakes lag und seine Augen strahlten, während er sanft die schuppige Haut der Drachen um ihn berührte.
Ein orangeroter Drache, der die Farbe eines schönen Sonnenaufgangs hatte, näherte sich mir.
Er war recht groß und würde genug Platz für Drake und mich auf seinem Rücken haben. Ich machte Drake auf ihn aufmerksam.
"Perfekt", stimmte der Feuerfinger zu; "Das ist Vlathyst, ein ganz prächtiges Mädchen. Madeline meinte, sie wäre ein recht ruhiges Flugtier."
Vlathyst beobachtete uns und als ich meine freie Hand nach ihr ausstreckte, stieß sie ein Zischen aus, bei dem Qualm aus ihrem Maul quoll.
Davon ließ ich mich nicht abschrecken, sondern berührte vorsichtig ihren mit orangeroten Schuppen gepanzerten Hals.
Da ihr das nicht viel auszumachen schien, warf ich Drake einen fragenden Blick zu.
Er nickte und ließ meine Hand los, um mir auf den Rücken des schönen, fast zwei Meter großen Drachen zu helfen.
Vlathyst ließ es geschehen und schon bald saß ich tatsächlich ganz oben auf ihrem Rücken. Mein Atem ging stoßweise und meine Augen waren riesig.
Ich konnte es kaum fassen. Ich, hier, auf dem Rücken eines mächtigen Drachen.
Ja, ich war schon einmal auf einem Drachen gereist, aber da war ich bewusstlos von meiner Hinrichtung gerettet worden. Das hier war etwas anderes.
Drake zog sich hinter mir auf Vlathyst und bedeutete mir dann, vor zu rutschen, damit ich mich an dem festen Stachel kurz hinter ihrem Nacken festhalten konnte. Mit schwitztigen Händen klammerte ich mich an den Stachel und spürte, wie Drake von hinten die Arme um mich legte.
"Sie ist darauf trainiert, dass sie bei dem Festhalten des Stachels losfiegt.", informierte er mich.
Wie er gesagt hatte, reagierte Vlathyst und breitete ihre weiten, rotorangenen Flügel aus. Die kleineren Drachen in der Grube stoben zur Seite.
Vlathyst knurrte, dann spannte sie die starken Beine an und im nächsten Moment hob sie schon ab.
Mir entwich ein kleines peinliches Quieken, als wir uns vom Boden trennten.
Mein Herz klopfte mir bis zum Hals und der Wind fing an, in meinen Ohren zu pfeifen, als Vlathyst immer höher stieg und Drake und mich mit sich trug.
Seine Arme ruhten um meine Mitte und ich meinte, sein Lächeln im Nacken zu spüren, als Vlathyst uns mit ihren Flügeln in die Höhe trug. Nichts war zu vergleichen mit dem Gefühl, zu fliegen.
Wir flogen.
Ich jauchzte beinahe vor Überschwänglichkeit. Vlathyst flog mit uns auf ihrem Rücken weit über den Gruben.
Ich konnte die Trainigsanlage von oben sehen, und zudem den dahinterliegenden Wald, in dem die alte Frau lebte, die mich gerettet hatte.
Es war magisch.
Begeistert drehte ich den Kopf zu Drake um, der genauso glücklich aussah, wie ich mich fühlte.
"Es ist einfach ..." Ich fand kein passendes Wort.
Drake nickte.
"Ich weiß."
Ich grinste, während mir die vom Wind aus meinem Zopf gelösten dunkelblonden Haarsträhnen ins Gesicht wehten.
In diesem Moment war es, als würden wir uns nicht auf dieser Welt befinden. Als wären wir nicht ein Mensch und ein Feuerfinger.
Nur zwei Personen.
Deshalb sah ich es auch fast kommen, als Drake sich weiter zu mir lehnte und seine Lippen auf meine legte, um den Augenblick komplett zu machen.

Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt