Kapitel 8

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Ein Stöhnen rollte unkontrolliert aus meiner Kehle und ich drehte mich von meinem Rücken auf die Seite.
Meine Glieder und besonders mein Nacken taten weh vom Schlafen auf den Holzdielen der Hütte.
Verspannt rieb ich mir den Schlaf aus den Augen und setzte mich auf, um mich zu orientieren.
Ich hatte mit einer dünnen Decke unter und einer weiteren über mir geschlafen. Der harte Boden unter mir hatte meinem Körper nicht gutgetan.
Zudem brummte mein Kopf und meine Nase fühlte sich geschwollen an.
Als ich den Blick wandern ließ, sah ich, dass sich hinter mir ein Kamin befand und vor mir ein kleiner Holztisch mit zwei Stühlen stand.
Alles hier war holzig und es gab überall Schnitzereien oder bunte Decken.
Eine Tür öffnete sich rechts von mir und eine kleine, braunhaarige Frau, durch deren Schopf sich einige graue Strähnen zogen, trat ein.
Ihre Haut war braun gebrannt und faltig, sie hatte eine Hakennase und dünne Lippen. Insgesamt würde ich sie auf Mitte sechzig schätzen.
Die Hand der Frau war ausgestreckt und ein paar Flämmchen hüpften zwischen ihren Fingern herum.
Sie machte eine Handbewegung und weitere Flammen sprangen von ihrer Hand in den Kamin hinter mir.
Erschrocken duckte ich mich, als dort urplötzlich ein beatliches Feuer brannte und mir den Rücken wärmte.
"Fürchtest du dich vor dem Feuer, Kind?", fragte sie.
Beschämt rückte ich etwas vom Kamin ab und senkte den Blick.
"Manchmal.", antwortete ich.
Sie nickte nur und klopfte mit der Hand auf den Holztisch neben ihr.
"Setz dich doch, ich habe Grießbrei gemacht.", forderte sie mich auf.
Gehorsam erhob ich mich und streckte meine protestierenden Gelenke, bevor ich mich auf einem der Holzstühle niederließ.
Wenig später saß sie mir gegenüber und wir löffelten faden Grießbrei. Mir war das jedoch egal; immerhin hatte ich etwas im Magen.
Die ältere Frau fragte mich nicht aus, wofür ich dankbar war, doch es war offensichtlich, dass sie neugierig war.
"Tut mir leid ... das alles.", hob ich unsicher an, als mein Magen einigermaßen gefüllt war; "Ich weiß nicht genau, wie ich das gestern erklären soll, aber ich bin sehr froh, dass Sie mich gefunden haben."
Sie nickte nachdenklich.
"Du kamst von den Kriegslagern, nicht wahr?", erwiderte sie; "Mein Enkel ist auch dort und trainiert für den großen Krieg."
Ich hörte die Verbitterung in ihrer Stimme und musterte sie interessiert.
"Ihr Kinder seid alle so wild auf den Krieg und den Ruhm, aber lass es dir gesagt sein; kein Krieg ist es wert, für ihn zu sterben.", fuhr sie fort.
Ich schluckte.
"Man hat nicht immer eine Wahl.", warf ich ein.
Sie sah mir in die Augen und mir lief ein Schauder den Rücken hinab.
"Die Schatten kümmert das nicht. Sie schlachten trotzdem jeden ab, egal ob reich, arm, gezwungen, illusioniert, stark oder schwach.", gab sie zu Bedenken.
Ich zuckte die Achseln.
"So läuft die Welt."
"Die Welt läuft so, wie wir sie laufen lassen.", korrigierte die Frau mich.
Nach diesem Gespräch sprachen wir für einige Zeit nicht und ich starrte nur in die züngelnden Flammen im Kamin und löffelte meinen Grießbrei aus.
Die Sonne kletterte allmählich immer höher, bis sie ganz oben stand und wie in letzter Zeit auch übermotiviert auf die Welt herabgrinste.
Das war der Zeitpunkt, an dem ich mich für den Abschied entschied.
Wahrscheinlich waren Gladion und die anderen bereits schon genervt von meinem Verschwinden oder würden sogar Madeline mit ihren Drachen auf die Suche schicken.
Bei dem Gedanken verzog ich das Gesicht und bedankte mich anschließend noch einmal aus ganzem Herzen bei meiner Retterin.
Sie würde nie erfahren, wie viel ich ihr gerade verdankte.
Die Schatten hatten sich wieder tief in mich zurückgezogen und schienen zu schlafen.
Und das sollte auch so bleiben.
Ich bahnte mir meinen Weg durch den Wald, was deutlich einfacher bei Tag als nachts war, bis ich nach einigem Umherirren die Trainigsanlage wieder vor mir sah.
Sie war zu dieser Tageszeit extrem belebt; ich hörte und sah geschätzt an die vierzig Feuerfinger, darunter auch das vertraute Gesicht von Ace, der mit seinem Feuer Ringe und Speere formte.
Sein rotes Haar wehte und ich sah, wie ihm der Schweiß das Gesicht herunterlief, doch er blieb konzentriert.
Etwas ungeschickt stolperte ich aus dem waldigen Dickicht und lief zu ihm.
Bei meinem Erscheinen erloschen Ace' Feuer und er riss erstaunt die Augen auf.
"Kate?", fragte er mit kieksender Stimme. Dann räusperte er sich und auf seinen Wangen bildeten sich rote Flecken der Verlegenheit.
Ich erinnerte mich noch genau daran, wie Lucas im Stimmbruch gewesen war, doch das war schon 3 Jahre her. Ace war wohl ziemlich spät dran.
"Ich ähm ...", stammelte er uns machte eine etwas ungelenke Bewegung, um sich am Kopf zu kratzen; "Entschludige, ..."
Er war so liebenswert unbeholfen im Umgang mit anderen Personen, dass es eine erfrischende Abwechslung zu all den muskulösen, arroganten Feuerfingern war, die ich sonst kannte.
"Gladion hat dich gesucht. Er ... äh, war echt aufgebracht.", erzählte der rothaarige Junge mir.
Er rieb sich unbehaglich die dünnen Arme und lächelte nervös.
"Ähm ... Aber wenn du jetzt hier bist, dann ... äh ... können wir ja auch trainieren.", schlug er vor.
Bedauernd blickte ich ihn an.
Er tat mir ein wenig leid, immerhin hatte er meines Wissens nach keine richtigen Freunde hier und versuchte nur, Kontakte zu knüpfen und sich irgendwie in unsere seltsame, kleine Spezialeinheit zu integrieren.
"Generell gerne, aber ich glaube, jetzt sollte ich erstmal ...", entschuldigte ich mich.
"Katharina!"
Ich zuckte zusammen.
Gladion kam über die Anlage auf uns zugelaufen und seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, war er ordentlich angepisst.
Seine Augen waren glitzernde Saphire und die Muskeln an seinen Armen waren gespannt.
Ich erwartete schon halb, dass er mir eine Ohrfeige verpasste, jedoch zog er mich völlig verblüffend in die Arme, als er bei uns ankam.
In der nächsten Sekunde hatte er mich auch schon wieder losgelassen. Ace und ich wechselten einen sprachlosen Blick, was mir versicherte, dass ich mir diese winzige, einseitige Umarmung nicht eingebildet hatte.
"Wo zur Hölle warst du?", knurrte Gladion und seine Augen brannten sich in meine.
Auf die Schnelle fiel mir keine geeignete Antwort ein, weshalb ich bloß stumm wie ein Fisch den Mund öffnete.
"Verflucht, dich hätte ein Schatten erwischen können, Kate!", rief Gladion aus und fuhr sich durch das helle Haar; "Die können überall da draußen sein!"
"Tu nicht so, als würdest du dich um mich sorgen. Außerdem siehst du doch, dass alles gut gegangen ist.", hielt ich dagegen.
Gladion stieß genervt die Luft aus und wirkte, als wollte er mich schütteln, um mich zur Vernunft zu bekommen.
"Du wirst dich irgendwann noch selbst in den Tod reiten und wenn nicht, bringe ich dich vorher um.", stöhnte er.
Ich lachte auf und zu meiner Überraschung huschte ein kleines Grinsen über sein marmorweißes Gesicht.
Ich verdrehte die Augen und wandte mich Ace zu.
Er hatte unsere Unterhaltung still und wachsam wie ein verschrecktes Reh beobachtet.
"Na komm, Ace, wir wollen doch, dass ich unserem hochnäsigen Vorgesetzten einen netten Kampf bieten kann, bevor er mich umbringt.", meinte ich schelmisch; "Zeig mir, was du draufhast!"

Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt