Kapitel 15

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Natürlich hatte ich keine Waffen mitgebracht. Kein Kurzschwert, keinen Dolch - noch nicht mal ein kleines Messer.
Ein Seitenblick zu Drake sagte mir, dass er auch nicht mit einem spätanbendlichen Angriff gerechnet hatte, schon gar nicht so nah am Trainingsgelände und an der Schwelenden Stadt.
Schatten wagten sich nie so weit in das Reich der Feuerfinger und es war mir ein Rätsel, wie diese es überhaupt über die Grenze geschafft hatten.
Wie dem auch sei, sie waren nun hier und ein erbärmliches Messer war alles, das Drake aus seiner Hose zu Tage bringen konnte.
Jenes warf er mir zu, da ich mich im Gegensatz zu ihm nicht mit Feuer zu verteidigen wusste.
Gerade hatte ich die Klinge sicher gefangen, da krochen sie schon aus ihren Verstecken hervor.
Schatten waren abstoßende Wesen, vom Körper her annähernd menschenähnlich, jedoch war ihre Haut von einer Art schwarzen Fetzen, manchmal auch Fell überzogen und anstelle von Händen hatten sie lange, scharfe Fänge.
Sie konnten sich die Schatten zunutze machen, in ihnen verschwinden und blitzschnell wieder auftauchen. Ihr Reich war von ständiger Dunkelheit bedeckt, ständig schwarz und kalt, genau wie ihre Augen, mit denen sie Drake und mich nun im Blick behielten, während sie auf uns zukamen.
Die Drachen unten in der Grube wurden immer lauter und nervöser. Sie hassten die Schatten ebenso sehr wie war und die Präsenz dieser Ungeheuer verursachte einen regelrechten Tumult unter den bunten, geschuppten Reittieren der Feuerfinger.
Ich verschaffte mir geübt einen Überblick über die düsteren Monster, die sichaus den Schatten unerwartet elegant und geschmeidig an uns heranpirschten.
Es waren sechs oder sieben, also nur ein kleiner Spähtrupp, jedoch groß genug, um uns gefährlich zu werden.
Ich stieß Drake einen Schritt zurück, sodass wir unter einem vom Mondschein beleuchteten Fleckchen standen, wo wir den Schatten gegenüber einen Vorteil hatten.
Mit der Hand umklammerte ich das Messer, doch meine Atmung ging ruhig.
Ich kannte mich mit solchen Situationen aus und diesmal hatte ich sogar einen Feuerfinger auf meiner Seite.
Die schwarze Augen, messerähnlichen Fänge und kehlige, aggressive Sprache der Schatten machte mir keine Angst mehr, seit mein Vater mich zur Abhärtung einmal mit einem angeketteten Schatten für zwei Wochen in einem engen, dunklen Raum eingesperrt hatte, wo uns nur wenige Zentimeter getrennt hatten.
Kaum war ich richtig in Kampfstellung gegangen, da fielen die Schatten schon über uns her.
Drake ließ seinen Flammen freien Lauf und ich konzentrierte mich ganz auf die zwei Biester, die mich im Visier hatten.
Eines holte mit seinen Fängen nach mir aus, jedoch wich ich zurück und entkam somit auch der Attacke des anderen Schatten, der unheimlich schnell auf mich zugestürzt war.
Wenigstens konnte ich durch das Mondlicht schwer von hinten überrascht werden, doch das war nur ein schwacher Trost, als meine Angreifer wieder in die Offensive gingen.
Ich entging dem Hieb des einen Schatten, stieß dabei jedoch genau mit dem anderen Schatten zusammen, der einen schrillen Schrei ausstieß, als wir kollidierten.
Ineinander verkeilt fielen wir zu Boden und ich spürte den knochigen, harten Körper des Monsters auf mir, roch seinen sauren Atem und schaute genau in die unmenschlichen Augen.
Mein Messer traf das Ungeheuer in die Seite und das dunkelrote, beinahe schwarze Blut, das daraufhin über meinen Arm sprudelte, erinnerte mich an jenes, das ich vor Jahren von einem anderen Schatten getrunken und dadurch einen Teil der Bestie in mir aufgenommen hatte.
Im Gegenzug holte der verletzte Schatten auf mir nach meinem Gesicht aus.
Ich konnte gerade so das Messer aus dem Körper des Schatten reißen und die Arme vors Gesicht schlagen, um es davor zu schützen, wie Drakes mit Malen übersät zu sein.
Die Klauen gruben sich in meine Unterarme und ich schrie auf, als der heiße Schmerz meinen Körper durchzuckte und Blut, das nur wenige Nuancen heller als das des Schattens war, aus den Wunden entrann.
Mit zusammengebissenen Zähnen und entschlossen, heute nicht zu sterben, stieß ich erneut mit dem Messer zu, diesmal genau in das grässliche Gesicht des Schattens, das zwar teilweise menschliche Züge aufwies, aber gleichzeitig verstörend anders war.
Als nun auch das Blut des Schattens auf mein Gesicht spritzte, nutzte ich die Gelegenheit und rollte mich unter ihm hervor und sprang auf die Füße.
In einer gewohnten Bewegung versetzte ich dem am Boden liegenden und blutenden Schatten mit zwei gezielten Stichen den Rest.
Mein Atem ging rasch, als ich mich mit vor Schmerz brennenden Armen von der reglosen Leiche des Wesens abwandte, um die Lage einzuschätzen.
Drakes Feuer züngelte noch immer unnachgiebig und ich zählte drei weitere tote Schatten, darunter auch den, der mich zuvor mit seinem Kumpanen angegriffen hatte.
Drake wirkte unverletzt, aber angestrengt, denn auf seiner Stirn stand Schweiß und die Narben stachen rötlich aus seinem vor Erschöpfung bleichen Gesicht hervor.
Dennoch sah ich Wut und Kraft in den grünen Augen des Feuerfingers, als er sich einen der beiden übrig gebliebenen Schatten vornahm und ihm seine glühenden Flammen auf den Hals hetzte.
Moment.
Ich zählte noch einmal nach.
Ein Schatten fehlte. War er geflohen? Oder holte er Hilfe?
Die Antwort darauf bekam ich knapp eine Sekunde später, als ich von hinten hart zu Boden gestoßen wurde und sich die messerartigen Krallen des Schatten bedrohlich um meinen ungeschützten Hals legten.
Mein Herz machte Saltos und ich rang nach Atem, derweil ich in die kalten Augen des Schatten starrte.
Eine Bewegung und ich wäre tot.
Zu der Angst in mir gesellte sich Wut auf mich selbst. Warum war ich nur so unachtsam geworden?
Umgebung nicht beachten - Das war ein Anfängerfehler.
Aber weshalb tötete mich der Schatten nicht gleich?
Die Klauen um meinen verletzlichen Hals waren doch Beweis genug, dass er das in weniger als einer Sekunde hinter sich bringen könnte.
Das Monstrum bewegte sein scheußliches Gesicht näher zu meinem und dann begann es, zu mekner grenzenlosen Überraschung, zu sprechen.
"Ich rieche das Blut", knurrte es mit diesem unschönen Akzent der Schatten; "Ich rieche dein Blut."
Ich konnte nicht anders, als atemlos zurückzustieren.
"Du hast das Blut unseres Prinzen in dir.", fuhr das nach Erde und etwas Dunklem, Bösen riechende Scheusal fort; "Wir haben seine Leiche gefunden, aber sein Geist war fort. Er ist in dir."
Mein Körper war wie erstarrt und ich fühlte, wie sich das Dunkle in mir wie zur Bestätigung der Worte des Schattens rührte.
Nein, dachte ich panisch.
Das konnte nicht sein. Ein einfacher Schatten in meinem Fleisch, meinem Blut und Geist war schon schlimm genug, aber ein Prinz?
Der Schatten mit seinen schafen Fängen an meiner Kehle stieß einen schauerhaften Laut aus.
"Gib ihm nach. Lass ihn die Kontrolle übernehmen.", forderte er mich harsch auf; "Gib uns unseren Prinzen zurück. Lass ihn durch dich leben. Werde unsere Königin."
Mir fiel es trotz des recht lockeren Griff um meinen Hals plötzlich immer schwerer zu atmen. Was redete dieses Monster da? Königin? Das konnte es doch nicht ernst meinen!
"Lass ihn frei. Mit ihm wirst du mächtiger als du es je zu träumen gewagt hättest. Nimm ihm die Fesseln ab.", drängte mich der fremde Schatten; "Teile dein Fleisch und Blut mit ihm. Werde eins mit unserem Prinzen und erhebe dich als die Königin der Schatten."
Ich öffnete das Mund zu einem stummen Schrei. Lieber nahm ich nun den Tod durch dieses Ungeheuer über mich in Kauf.
Doch genau in dem Moment umhüllte uns ein erlösendes Feuer.
Drake.
Der Schatten sprang auf die Beine, wobei er mich freigab und brüllte, während die Feuerzungen unbarmherzig an ihm leckten.
Mich ließen die Flammen unberührt und ich atmete tief durch.
Eine Welle von Schwäche und Erschöpfung erfasste mich, weshalb ich einfach liegen blieb und die Augen schloss, derweil die Schreie des brennenden Schatten immer mehr in den Hintergrund rückten.
Ich hatte hämmernde Kopfschmerzen und die Wunden an meinen Unterarmen begannen schlimmer als zuvor zu brennen.
Es war mir unmöglich, zu erfassen, was soeben geschehen war.
Der Kampf in meinem Inneren, bei dem ich das Böse in mir - den Prinzen - bis tief in die versteckten Bruchstücke meiner Seele, die nie, niemals, jemand zu sehen bekommen durfte, zurücktieb, laugte mich vollkommen aus.
Auf einmal merkte ich, wie jemand mich hochhob und ich daraufhin schlaff in den sicheren Armen eines Mannes lag.
"Nicht einschlafen, Kate", drang Drakes Stimme wabernd bis zu meinem Gehirn durch; "Du musst wachbleiben. Wir sind gleich da, wo sie dir helfen können. Du musst nur noch kurz stark sein."
Seine Worte beeindruckten mich wenig. Ich war so müde, so entsetzt und gebrochen.
Ich wollte nur noch schlafen. Dabei wusste ich, dass schwarze Augen und tierartige Fänge mich auch bis in den Schlaf verfolgen würden.
Ich konnte der Dunkelheit nicht entkommen.








Blazing - Feuriges BandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt